Europa. Hannes Hofbauer

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Europa - Hannes Hofbauer


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gelungen, »Europa« einem Bedeutungswandel zu unterziehen. Heute werden mit dem Begriff Helligkeit und Zukunft assoziiert, als ob die Sonne im Westen aufginge und das Dunkel im Asiatischen läge.

      In der griechischen Mythologie, also der die Welt erklärenden Erzählung, kommt »Europa« als Frauengestalt vor, die von Göttervater Zeus, der in Gestalt eines Stiers auftritt, geraubt und geschwängert wird. Hier verbinden sich griechische mit phönizischen Gründungsmythen. Denn die von Zeus entführte Europa war die Tochter (oder Schwester) von Phoinix, dem Stammvater der Phönizier. Zeus zeugte mit ihr auf Kreta drei Söhne. Frauenraub war über Jahrtausende eine gängige Praxis, um die Reproduktionskapazitäten eines Stammes zu stärken. Dass der Raub und das anschließende Schwängern der Europa in der Literatur und auf bildlichen Darstellungen (Europa und der Stier) seit der griechischen Antike fast durchwegs als dynamisch und glücksbringend dargestellt wird, zeugt von der seit damals dominanten patriarchalen Gesellschaftsstruktur. Man könnte die mythologische Figur der Europa aber auch als eine von der stärksten Macht, dem Göttervater, verschleppte und vergewaltigte Frau zeichnen. Dies ergäbe – schon von der Altertumserzählung her – ein anderes Europabild.

      In Europa prallen seit alters her unterschiedliche Hemisphären aufeinander, mögen sie religiös, politisch oder ökonomisch inspiriert sein. Wie zu keinem anderen Kontinent gehören zu Europa Trennungen und Teilungen, die über Jahrhunderte in Kriegen, Friedensschlüssen, Verträgen und wieder Kriegen zum Ausdruck kommen. Auch heute wieder scheitert solch ein Vertrag an der Wirklichkeit. Die Europäische Union kann ihren europäischen Anspruch nicht erfüllen.

      1 Herodot, Historien, Deutsche Gesamtausgabe, Buch VII. Stuttgart 1971

      2 Wolfgang Schmale, Geschichte Europas. Wien-Köln-Weimar 2001, S. 21

      3 Herodot, zit. in: Wolfgang Geier, Europabilder. Begriffe, Ideen, Projekte aus 2500 Jahren. Wien 2009, S. 8

      4 Sigismund von Herberstein, Rerum moscoviticarum commentarii (erschienen 1567), zit. in: John Hale, Die Kultur der Renaissance in Europa. München 1994, S. 39

      5 Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bern 1969

      6 Andrea Komlosy, Europa und seine Grenzen, in: Thomas Ertl/Andrea Komlosy/Hans-Jürgen Puhle (Hg.), Europa als Weltregion. Zentrum, Modell oder Provinz? Wien 2014, S. 18

      7 Schmale, S. 14

      8 Geier 2009, S. 10

      9 Komlosy 2014, S. 30


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