Europa. Hannes Hofbauer

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Europa - Hannes Hofbauer


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ideologisches Substrat: Die Verschmelzung von Antike und Christentum

      Griechisches Altertum und Christianisierung sind die beiden Grundpfeiler, auf denen europäisches Sein und Bewusstsein errichtet wurden. Römisches Rechtsempfinden und ein universalistisches Weltbild entpuppten sich als wesentliche Zutaten. Ihr hegemonialer Anspruch begründete den expansiven Charakter des Europäertums.

      Es war die kulturelle Hegemonie über Küstenstriche, die Götterverehrung beispielsweise im Apollo-Kult, die über ganz Griechenland hinweg gemeinschaftsbildend wirkte. Sie äußerte sich ebenso in Pilgerfahrten nach Delphi. Foerster sieht in diesen kultischen Versammlungen Vorläufer von Bünden wie dem Attischen Seebund oder dem Peloponnesischen Bund, die zwischen den einzelnen Stadtstaaten Verträge schlossen und damit erste »europäische« Verbindungen darstellten.

      Im Städtebund der pyläisch-delphischen Amphiktyonie waren seit dem 8. Jahrhundert v. u. Z. nicht zufällig zwölf Stämme zusammengeschlossen, galt doch die Zahl 12 den Griechen als heilig; so existierten zwölf olympische Götter und Herkules musste zwölf Aufgaben erfüllen, um den Mord an seiner Frau und drei Kindern zu sühnen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich der Bund auf 30 Mitgliedsstaaten, die sich – dies war der heiligen Zahl geschuldet – die zwölf Stimmen auf gemeinsamen Versammlungen teilen mussten. Ob über 2000 Jahre später in Brüssel der Verantwortliche daran dachte, als er einem Grafikbüro die Aufgabe erteilte, eine Fahne für die Europäische Gemeinschaft zu entwerfen?

      Ein bis in unsere Tage betriebener Europa-Mythos ist mit dem fränkischen König und späterem römisch-deutschen Kaiser Karl (dem Großen) verbunden. In der Geschichtswissenschaft kursiert über seine Wirkungsmacht eine eigene, sogenannte Translationstheorie. Der zufolge ging mit der Krönung Karls zu Weihnachten des Jahres 800 das byzantinische Kaisertum auf den Franken über, womit die Grundlage für das Heilige Römische Reich (später: deutscher Nation) geschaffen worden sei. Dieses bis 1806 bestehende Imperium gilt vielen als historisch bedeutendste Ausprägung einer europäischen Idee, weil seine Staaten-übergreifende Klammer sich als Vorbild für die Europäische Union interpretieren lässt.

      Umso verwunderlicher ist es, dass es ausgerechnet jener Karl ist, der dem wichtigsten und renommiertesten Preis »für die europäische Einigung« seinen Namen gibt. Der Karlspreis wird seit 1950 in Aachen vergeben, sein erster Preisträger war der alt-österreichische Adelige Richard Coudenhove-Kalergi (für seine Idee einer paneuropäischen Union; den Adelstitel hatten seine brabantinischen Vorfahren pikanterweise für die Teilnahme am Kreuzzug 1099 erhalten), es folgten u. a. 1952 Alcide De Gasperi (für den italienischen Einsatz zur Gründung der NATO), 1957 Paul Henri Spaak (für das Zustandebringen der Staatengemeinschaft Benelux), 1958 Robert Schuman (für die Gründung der Montanunion), 1963 Edward Heath (für die britischen Beitrittsverhandlungen), 1987 Henry Kissinger (für sein Verdienst um die Entspannungspolitik, zu der die Ausweitung des Vietnam-Krieges und der Putsch gegen Chiles Präsidenten Salvador Allende gehörten), 1988 François Mitterrand und Helmut Kohl (für die deutsch-französische Zusammenarbeit), 1991 Václav Havel (für die Verdienste um das Ende der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei), 1995 Franz Vranitzky (für das Zustandekommen des EU-Beitritts Österreichs), 2000 Bill Clinton (offiziell


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