Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.und man atmete die laue Frische der feuchten Erde und die verschiedensten Wohlgerüche ein. Man hatte dabei ein seltsames, gesundes, aber angenehmes und bezauberndes Empfinden der künstlichen, reizvollen und entnervten Natur. Man schritt auf Teppichen, die weich wie das Moos waren, zwischen dichten Beeten mit Gebüschen und Blattpflanzen. Plötzlich erblickte Du Roy zur Linken unter einer weiten Wölbung von Palmen ein riesiges Marmorbassin, so groß, dass man darin baden konnte. Am Rande standen vier weiße Delfter Porzellanschwäne, aus deren halbgeöffneten Schnäbeln das Wasser in das Becken floss. Der Boden des Bassins war mit Goldsand bestreut, und man sah im Wasser ein paar große rote Fische schwimmen, seltsame chinesische Ungetüme mit hervorstehenden Augen, mit blau geränderten Schuppen, eine Art Mandarine der Fluten; sie schwammen über den goldenen Grund und sahen wie seltsame lebende Stickereien aus.
Der Journalist blieb stehen; sein Herz klopfte. Er dachte:
»Das ist ein Luxus! In solchen Häusern lohnt es zu leben. Anderen ist das gelungen, warum sollte ich es nicht so weit bringen können.«
Er sann über die Möglichkeit und über die Mittel nach, fand aber keine und ärgerte sich über seine Ohnmacht.
Seine Begleiterin sprach nicht mehr und blickte nachdenklich vor sich hin. Er betrachtete sie von der Seite und dachte noch einmal: »Es genügt doch, einfach diese lebende Puppe zu heiraten.« Doch Suzanne schien plötzlich aufzuwachen.
»Passen Sie auf«, sagte sie.
Sie stieß Georges durch eine Gruppe von Menschen, die ihnen im Wege standen und führte ihn plötzlich nach rechts.
Mitten in einem Gebüsch von seltsamen Pflanzen, deren zitternde Blätter gespreizten Händen mit langen, dünnen Fingern glichen, sah man einen Mann, der unbeweglich auf dem Meere stand.
Der Eindruck war überwältigend. Die Ränder des Bildes waren durch das bewegliche Grün verdeckt und so erschien es wie eine dunkle Öffnung, durch die man in der fantastischen märchenhaften Ferne eine ergreifende Gestalt sah.
Man musste das Gemälde sehr genau betrachten, um es zu verstehen. Der Rahmen durchschnitt gerade die Mitte des Kahnes, in dem die Apostel saßen. Sie waren nur schwach durch die schrägen Strahlen einer Laterne beleuchtet. Einer von ihnen, der am Rande des Kahnes saß, ließ das helle Licht auf Jesus fallen. Christus näherte sich und trat auf eine Woge; man sah, wie sie sich überschlug und ergeben und zärtlich glättete vor dem göttlichen Fuß, der sie niedertrat. Rings um den Gottessohn war alles dunkel. Nur die Sterne glänzten am Himmel.
Die Gesichter der Apostel waren unbestimmt beleuchtet durch ein Licht, das der eine in der Hand trug und auf den Heiland zeigte. Sie schienen vor Staunen erstarrt zu sein.
Das war wirklich das mächtige, unverhoffte Kunstwerk eines Meisters, eine jener Schöpfungen, die uns im Innersten ergreifen und uns jahrelang davon träumen lassen.
Die Menschen, die dieses Werk betrachteten, blieben zunächst stumm und unbeweglich stehen, dann gingen sie nachdenklich weiter und sprachen nachher nur vom Bild und der wundervollen Malerei.
Du Roy besah es sich eine Weile und erklärte:
»Es muss doch hübsch sein, sich solche Kostbarkeiten leisten zu können.«
Aber die Menge drängte sich um ihn und stieß ihn, um sehen zu können. — Er ging weiter, ohne die Hand Suzannes, die auf seinem Arm ruhte und die er leicht an sich presste, loszulassen.
Sie sagte:
»Nehmen Sie ein Glas Champagner, kommen Sie ans Büfett, wir werden dort sicher Papa treffen.«
Und sie schritten langsam durch alle Räume. Die Menge schwoll mehr und mehr an. Diese elegante, unbekümmerte, lärmende Menge, wie sie bei allen öffentlichen Festlichkeiten zu sehen ist.
Plötzlich glaubte Du Roy zu hören, wie eine Stimme sagte:
»Das ist Laroche und Madame Du Roy.«
Diese Worte streiften leise sein Ohr wie ein weit entferntes Geräusch. Woher kamen sie?
Er sah sich nach allen Seiten um und erblickte in der Tat seine Frau, die am Arm des Ministers vorbeiging. Sie plauderten ganz leise mit vertraulichem Lächeln und sahen sich in die Augen.
Er glaubte zu bemerken, dass man bei ihrem Anblick sich etwas zuflüsterte, er empfand das brutale und törichte Verlangen, auf die beiden loszustürzen und sie mit Fäusten niederzuschlagen.
Sie machte ihn lächerlich; er dachte an Forestier. Vielleicht sagt man schon: »Dieser betrogene Ehemann Du Roy.« Wer war sie denn eigentlich? Eine kleine Frau dunkler Herkunft, ziemlich geschickt emporgekommen, aber mit kleinen Mitteln und ohne besondere Begabung. Man besuchte ihn, weil man ihn und seinen Einfluss fürchtete, weil er stark war, aber man sprach sicher ungeniert über diese Journalistenehe. Mit dieser Frau könnte er es nie weit bringen, die sein Haus stets verdächtig erscheinen ließ, sie kompromittierte sich selbst und ihn, und man sah an ihrem Auftreten und Benehmen, dass sie eine Intrigantin war. Sie war jetzt ein Gewicht, das er am Fuße schleppte. Ach, wenn er geahnt hätte, wenn er es im Voraus gewusst: hätte! Dann würde er ein etwas kühneres und größeres Spiel gespielt haben! Oh, was er für eine schöne Partie gewinnen könnte, wenn er auf Suzanne gesetzt hätte! Wie konnte er so blind sein und dieses alles nicht gesehen haben?
Sie kamen jetzt in den Speisesaal. Es war eine riesige Halle mit Marmorwänden. An den Wänden hingen alte Gobelins.
Walter erblickte seinen Redakteur und stürzte auf ihn zu, um ihm die Hände zu drücken. Er war berauscht vor Freude:
»Haben Sie gesehen? … Sag’ mal, Suzanne, hast du ihm gezeigt? Welch eine Menge von Menschen, nicht wahr, Bel-Ami? Haben Sie den Prinz de Guerche gesehen? Er hat hier eben ein Glas Punsch getrunken.«
Dann wandte er sich zum Senator Rissolin, der seine stumpfsinnig aussehende Frau mit sich schleppte; sie war aufgeputzt wie eine Jahrmarktspuppe.
Ein Herr grüßte Suzanne, ein hochgewachsener, schlanker, junger Mann mit blondem Backenbart, etwas kahlköpfig und mit weltmännischen Manieren, wie man sie sofort erkennen kann. Georges hörte seinen Namen nennen: Marquis de Cazolles; und er fühlte plötzlich, wie er auf diesen Mann eifersüchtig wurde. Seit wann kannte sie ihn? Wahrscheinlich, seitdem sie so reich war? Er vermutete einen Nebenbuhler.
Da fasste ihn jemand am Arm. Es war Norbert de Varenne. Der alte Dichter wanderte mit seinem fettigen Haar in seinem alten Frack durch die großen Räume umher, mit einem gleichgültigen