Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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zum Früh­stück mit­ge­bracht, Frau Wal­ter muss­te gleich nach dem Es­sen fort, um mit ei­nem Lie­fe­ran­ten et­was zu be­spre­chen, und Ge­or­ges sag­te zu Suzan­ne:

      »Kom­men Sie, wol­len wir die Fi­sche füt­tern?«

      Je­der nahm sich vom Tisch ein großes Stück Brot und sie gin­gen in den Win­ter­gar­ten.

      Rings um das rie­si­ge Be­cken la­gen Kis­sen auf dem Fuß­bo­den, so­dass man be­quem nie­der­kni­en, und die schwim­men­den Tie­re aus der Nähe be­ob­ach­ten konn­te. Die jun­gen Leu­te nah­men sich je­der eins und leg­ten sich ne­ben­ein­an­der, dann beug­ten sie sich über das Was­ser und be­gan­nen Brot­kü­gel­chen hin­ein­zu­wer­fen, die sie zwi­schen den Fin­gern dreh­ten. Als die Fi­sche das merk­ten, dräng­ten sie sich so­fort her­an, sie zuck­ten mit den Schwän­zen und schlu­gen mit den Flos­sen das Was­ser, roll­ten ihre großen her­vor­ste­hen­den Au­gen, dreh­ten sich her­um und tauch­ten dann un­ter, um die ver­sin­ken­den Kü­gel­chen zu ha­schen, dann stie­gen sie gleich wie­der zur Ober­flä­che em­por, um noch mehr Fut­ter zu for­dern.

      Der Aus­druck ih­rer Mäu­ler war ir­gend­wie selt­sam und ko­misch; ihre Be­we­gun­gen wa­ren schroff und has­tig, und sie sa­hen wie klei­ne mär­chen­haf­te Un­ge­tü­me aus. Vom Goldsand­grun­de ho­ben sie sich feu­er­rot ab, sie schos­sen wie Flam­men durch das durch­sich­ti­ge Was­ser oder stan­den still und zeig­ten da­bei die blau­en Säu­me ih­rer Schup­pen. Ge­or­ges und Suzan­ne sa­hen ihre um­ge­kehr­ten Ge­sich­ter im Was­ser und lä­chel­ten ih­ren Spie­gel­bil­dern zu.

      Plötz­lich sag­te er ganz lei­se:

      »Das ist nicht nett von Ih­nen, Suzan­ne, dass Sie Ge­heim­nis­se vor mir ha­ben.«

      »Wie­so?« frag­te sie.

      »Ent­sin­nen Sie sich nicht mehr, was Sie mir an dem Fest hier an die­ser Stel­le ver­spro­chen ha­ben?«

      »Nein, nicht.«

      »Sie woll­ten mich je­des Mal um Rat fra­gen, wenn je­mand um Ihre Hand bit­tet.«

      »Nun, und?«

      »Man hat doch um Sie an­ge­hal­ten.«

      »Wer denn?«

      »Sie müss­ten das doch bes­ser wis­sen.«

      »Nein, ich schwö­re es Ih­nen.«

      »Doch, Sie wis­sen’s be­stimmt. Die­ser lan­ge Geck, der Mar­quis de Ca­zol­les.«

      »Er ist ers­tens kein Geck.«

      »Mög­lich, aber er ist dumm, durch das Spie­len rui­niert und ver­braucht durch Hei­rats­an­trä­ge und Aus­schwei­fun­gen. Das wäre wirk­lich eine schö­ne Par­tie für Sie, die Sie ein hüb­sches, fri­sches und klu­ges Mäd­chen sind!«

      Sie frag­te lä­chelnd:

      »Was ha­ben Sie denn ge­gen ihn?«

      »Ich? Nichts.«

      »Aber doch. Er ist gar nicht so, wie Sie ihn schil­dern.«

      »Ich bit­te Sie, doch, er ist ein Idi­ot und Int­ri­gant.«

      Sie dreh­te sich et­was zur Sei­te und sah nicht mehr ins Was­ser:

      »Was ha­ben Sie denn?«

      Da sprach er, als hät­te man ihm ein Ge­heim­nis aus dem In­nern sei­ner See­le her­aus­ge­ris­sen.

      »Ich … Ich … Ich habe … Ich bin ei­fer­süch­tig auf ihn.«

      Sie war et­was über­rascht.

      »Sie?«

      »Ja­wohl, ich!«

      »So! Und wes­halb, wenn ich fra­gen darf?«

      »Weil ich in Sie ver­liebt bin, und Sie wis­sen das sehr gut, Sie bö­ses Mäd­chen!«

      »Sie sind ver­rückt, Bel-Ami«, sag­te sie streng.

      Er fuhr fort:

      »Ich weiß es wohl, dass. ich ver­rückt bin. Soll­te ich Ih­nen so et­was ge­ste­hen, ich, ein ver­hei­ra­te­ter Mann? Ich bin mehr als ver­rückt, ich tue un­recht, ich bin bei­na­he ehr­los. Mir bleibt kei­ne Hoff­nung und ich ver­lie­re den Ver­stand, wenn ich dar­an den­ke. Und wenn ich höre, dass Sie hei­ra­ten wer­den, über­fällt mich eine Wut, so­dass ich im­stan­de bin, je­man­den um­zu­brin­gen. Sie müs­sen mir das ver­zei­hen, Suzan­ne, bit­te!«

      Er schwieg, und die Fi­sche, die kein Fut­ter mehr be­ka­men, stan­den un­be­weg­lich in ei­ner Rei­he wie eng­li­sche Sol­da­ten und blick­ten die ge­senk­ten Ge­sich­ter der bei­den Men­schen an, die sich nicht mehr um sie küm­mer­ten.

      Das jun­ge Mäd­chen flüs­ter­te halb trau­rig, halb lus­tig:

      »Es ist so scha­de, dass Sie ver­hei­ra­tet sind. Aber was wol­len Sie denn tun? Man kann dem nicht ab­hel­fen. Es ist er­le­digt.«

      Er wand­te sich plötz­lich zu ihr um und sag­te ihr ganz nahe ins Ge­sicht:

      »Und wenn ich frei wäre, wür­den Sie mich dann hei­ra­ten?«

      Sie ant­wor­te­te und ihre Stim­me klang da­bei ganz auf­rich­tig :

      »Ja, Bel-Ami, ich wür­de Sie hei­ra­ten, denn Sie ge­fal­len mir mehr als alle an­de­ren.«

      Er stand auf und stam­mel­te:

      »Ich dan­ke Ih­nen … dan­ke … ich fle­he Sie an, ge­ben Sie nie­man­dem Ihr Ja­wort. War­ten Sie eine Wei­le. Ich bit­te Sie dar­um. Wol­len Sie mir das ver­spre­chen?«

      Sie mur­mel­te ver­le­gen, ohne zu be­grei­fen, was er woll­te:

      »Ich ver­spre­che es Ih­nen.«

      Du Roy warf ein großes Stück Brot, das er noch in sei­nen Hän­den hielt, ins Was­ser und eil­te hin­aus, ohne sich zu ver­ab­schie­den, als hät­te er den Kopf ver­lo­ren.

      Alle Fi­sche stürz­ten sich gie­rig auf den Brot­klum­pen, der her­um­schwamm, ohne von den Fin­gern ge­k­ne­tet zu sein, und sie zerr­ten dar­an mit ih­ren ge­frä­ßi­gen Mäu­lern. Sie schlepp­ten es an die an­de­re Sei­te des Bass­ins, spran­gen und wir­bel­ten um ihn her­um und bil­de­ten eine Art le­ben­di­ger Blu­me, die kopf­über ins Was­ser ge­fal­len war.

      Suzan­ne stand un­ru­hig und er­staunt auf und ging lang­sam zu­rück. Der Jour­na­list war fort.

      Er ging in vol­ler Ruhe nach Hau­se und frag­te Ma­de­lei­ne, die ge­ra­de einen Brief schrieb :

      »Willst du Frei­tags bei Wal­ter es­sen? Ich gehe je­den­falls hin.«

      Sie über­leg­te:

      »Nein, ich füh­le mich nicht ganz wohl. Ich blei­be lie­ber zu Hau­se.«

      »Tue, wie du willst, nie­mand zwingt dich.«

      Dann nahm er sei­nen Hut und ging so­fort wie­der weg.

      Seit lan­gem spür­te er ihr nach, über­wach­te und be­ob­ach­te­te sie, so­dass er ge­nau wuss­te, mit wem sie ver­kehr­te und was sie trieb. Die Stun­de, auf die er war­te­te, war end­lich ge­kom­men. Der Ton, mit dem sie »Ich blei­be lie­ber zu Hau­se« ant­wor­te­te, hat­te ihn nicht ge­täuscht.

      Die fol­gen­den Tage be­nahm er sich sehr nett und lie­bens­wür­dig ihr ge­gen­über. Er schi­en so­gar hei­ter zu sein, was er jetzt im All­ge­mei­nen nicht


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