Ellenbogenfreiheit. Daniel C. Dennett

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Ellenbogenfreiheit - Daniel C. Dennett


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sehr viel Arbeit, um die feinen Details genauso hinzukriegen.

      Manchen Philosophen ist diese Methode, wenn sie sie in der Philosophie antreffen, sehr unsympathisch. Sie haben keine Geduld mit flüchtig entworfenen Lösungen und wollen von Anfang an nichts anderes sehen als scharfe, klare Kanten. Ich strebe nach dem gleichen Endprodukt wie sie, ziehe aber ihre Strategie in Zweifel. Es ist einfach zu schwierig in der Philosophie, gleich den richtigen Start zu erwischen, und nirgends sind die Risiken ihrer Strategie deutlicher zu sehen als in der philosophischen Literatur über Willensfreiheit, die übersät ist mit brillanten, aber nutzlosen Fragmenten. Es ist eines der Themen dieses Buches, daß beim Problem des freien Willens wenig Fortschritte gemacht worden sind, weil die Philosophen einfach die Gestalt der Hauptsache nicht mehr sehen konnten, wenn sie sich in das Thema „freier Wille“ stürzten, um definitiv anzugeben, was sie bei ihrer etwas kurzsichtigen Betrachtung für die wichtigen Teile des Problems hielten.

      Aus dem groben Marmorblock des Problems entstehen ein hervorragend ausgearbeitetes Gesicht und ein paar sehr schön polierte Hände und Füße – aber für die Ellenbogen wurde kein Platz gelassen. Die meiste Arbeit in diesem Buch wird im groben Bearbeiten der Gestalt von denjenigen Teilen bestehen, die die Philosophen gewöhnlich mit einer Katzenwäsche hinter sich lassen.

      Es wird oft bemerkt, daß das Problem der Willensfreiheit ein einzigartig verpflichtendes oder sogar fesselndes philosophisches Problem ist: Menschen, die sonst überhaupt keinen Geschmack an der Philosophie finden, können dazu gebracht werden, sehr gründlich über das Problem nachzudenken, und sie können wirklich geplagt werden von der Vorstellung, daß die Antworten auf die Fragen sich als „die falschen“ herausstellen könnten.

      Dies hat dazu beigetragen, daß es bei diesem Problem an Fortschritten mangelt, weil sich die Philosophen, teilweise weil sie Opfer ihrer eigenen Angstmacherei geworden sind und teilweise weil sie die selbstgebastelte Dringlichkeit benutzt haben, um die Entwicklung metaphysischer Systeme und Theorien zu „motivieren“, eine Reihe von unerreichbaren Zielen gesetzt haben: die Erfindung unmöglicher philosophischer Talismane, die die nicht vorhandenen Übel abwehren sollen.

      Ich möchte nicht unterstellen, daß die Philosophen absichtlich und wissentlich die Glut der Angst geschürt oder daß sie die Angst unredlich ausgeschlachtet haben, um eine Pseudomotivation für ihre metaphysischen Fingerübungen zu geben. Wir Philosophen sind eher die Opfer als die Täter der heraufbeschworenen Illusionen. Schließlich sind wir ja die wichtigste eigentlich angesprochene Leserschaft für die Literatur, die sich unschuldig verschwört, um die Fehldeutungen in die Welt zu setzen. Und unsere Komplizenschaft, durch die das Leben der Fehler verlängert wird, rührt teilweise her von dem natürlichen und im Grunde allgemeinen Wunsch, sich an einem Projekt zu beteiligen, dessen Wichtigkeit auch Zuschauern klargemacht werden kann. Wenn dies dazu führt, bestimmte Dinge hier und da zu überdramatisieren, ein paar Kontraste hervorzuheben und ein paar Grenzen zu verschärfen, dann tun wir nur, was jeder andere in seinem eigenen Arbeitsbereich auch tut.

      Man beachte zum Beispiel, daß eine meiner Anfangsprämissen – daß die Menschen sich sehr stark für den freien Willen interessieren –, unter meinen Händen bereits eine vertraute Übertreibung erfahren hat. Es ist ja nicht so, als ob sich jeder auf die gleiche Weise dafür interessierte, einen freien Willen zu haben, wie sich jeder dafür interessiert, etwa Schmerzen zu vermeiden oder Liebe zu finden. Wir sollten uns an den Luxus unserer eigenen Teilnahme an dieser Erörterung erinnern. Die meisten Menschen – 99 Prozent und noch mehr, zweifellos – waren und sind immer zu beschäftigt damit, am Leben zu bleiben und sich in schwierigen Umständen durchzuschlagen, als daß sie Zeit fänden oder Lust hätten, sich mit Willensfreiheit auseinanderzusetzen. Politische Freiheit ist für viele von ihnen eine größere Sache, aber die metaphysische Freiheit ist es einfach nicht wert, daß man sich um sie kümmert. Wie Dewey einmal sagte: „Was die Menschen im Namen der Freiheit hoch geachtet haben und wofür sie gekämpft haben, ist verschiedenartig und komplex – aber sicher war es nie eine metaphysische Freiheit des Willens.“ (Dewey 1922, S. 303).

      Die meisten anderen Menschen haben sich also über den freien Willen noch nicht den Kopf zerbrochen. Für uns (lieber Leser) ist es aber beruhigend, glauben zu können, daß wir dank unserer Muße und intellektuellen Neigungen ihre mißliche Lage genauer betrachtet haben als sie. Das mag wahr sein. Aber wir sollten vorsichtig sein, wenn es darum geht, unsere ganz spontanen und gegenseitig anerkannten Intuitionen – daß das Problem der Willensfreiheit eine der ganz großen Fragen ist – ungeprüft zu akzeptieren. Denn wir sind eine selbstausgewählte Gruppe. Besonders ist zu beachten, daß die Willensfreiheit ein fast ausschließlich abendländisches Thema ist. Könnten wir irregeleitet sein? Könnte es sein, daß wir nur denken, der freie Wille sei von Bedeutung? Heißt das, daß uns die Frage auch außerhalb des Vorlesungssaales, außerhalb unserer beruflichen Aktivitäten oder mitternächtlicher Diskussionsrunden in Bann hält? Wie Ryle einmal bemerkt, haben wir alle unsere fatalistischen Momente: „Obwohl wir wissen, was es heißt, diese Vorstellung zu haben, sind wir immer noch unbeeindruckt von ihr. Wir sind keine heimlichen Eiferer für sie oder gegen sie.“ (Ryle 1954, S. 28). Fatalismus ist nach Ryle „keine der brennenden Fragen“, und dasselbe kann man von der weitergehenden Frage der Willensfreiheit sagen. Aber man kann sie sicherlich als ein brennendes Problem darstellen.

      Wenn der freie Wille von Bedeutung ist, muß es daran liegen, daß es schrecklich wäre, ihn nicht zu haben, und es muß einige Gründe dafür geben zu bezweifeln, daß wir ihn haben. Wovor fürchten wir uns? Wir fürchten uns davor, keinen freien Willen zu haben. Aber wovor fürchten wir uns genau? Und warum? Jeder, dem vor der Aussicht graut, keinen freien Willen zu haben, muß irgendeine Ahnung davon haben, wie schrecklich diese Lage wäre. Und in der Tat sind in der Literatur eine Menge von Analogien zu finden: Keinen freien Willen zu haben, wäre so ähnlich wie im Gefängnis oder hypnotisiert oder gelähmt oder eine Puppe zu sein oder … (die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen).

      Ich glaube nicht, daß diese Analogien bloß nützliche Illustrationen sind, bloß plastische Erläuterungsmittel. Ich glaube, sie gehören zum Ursprung des Problems. Hätten wir sie nicht, um die philosophischen Diskussionen zu verankern, würde das Problem der Willensfreiheit wegdriften und wäre bestenfalls noch eine kuriose Frage, um Metaphysiker und Problemkrämer zu verwirren. Ein Aspekt davon läßt sich leicht erkennen. Angenommen, ein Philosoph würde behaupten, das Problem des freien Willens gelöst zu haben; dann könnte ein Laie sagen: „Lindert denn deine ,Lösung‘ meine Sorgen? Wenn nicht, dann ist sie, gleichgültig was sie sonst noch ist, keine Lösung für das, was ich das Problem des freien Willens zu nennen gelehrt wurde.“ Wenn wir uns von der Tradition leiten lassen, dann ist das Problem der Willensfreiheit wesentlich eines, um das wir uns Gedanken machen. Gedanken über den Willen, die von bloß esoterischem Interesse sind, sind gerade nicht das Problem des freien Willens, wie faszinierend sie auch für manche Spezialisten sein mögen.

      Aber es ist mehr daran als das. Die Ängste verankern das Problem der Willensfreiheit nicht nur, sie bilden auch seinen Gehalt und gestalten die Dynamik der Argumentation und der Untersuchung. Eines meiner Themen wird sein, daß das „klassische“, „traditionelle“ philosophische Problem der Willensfreiheit in weit höherem Ausmaß ein Kunstprodukt traditioneller Methoden und Voreingenommenheiten der Philosophen ist als bisher angenommen.

      Ich schlage vor, die Rolle dieser Ängste zu untersuchen und dabei manche – doch nicht wirklich alle – der Befürchtungen und Verwirrungen, die sich miteinander verschwören und „das Problem der Willensfreiheit“ schaffen, bloßzustellen und dadurch aufzulösen. Das Problem wird sich als ein falsch benanntes und nutzloses Amalgam von übereilten Problemstellungen


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