Luis Suárez. Luca Caioli

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Luis Suárez - Luca Caioli


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im Sambódromo von Rio de Janeiro die Straßen entlang.

      Doch nicht nur die Stadt selbst nutzt die Konterfeis der Kicker: „Gewinnen leicht gemacht“, ruft Suárez breit lächelnd den Passanten an der Kreuzung von Calle Uruguay und Calle Sarandí zu. Er wirbt damit für Cablevision, die lokale Kabelfernsehfirma. Etwa 20 Blocks entfernt vom Stadtzentrum, auf einem Hügel im Viertel El Cerro, befindet sich das Haus, in dem Luis Alberto Suárez Díaz in den ersten Lebensjahren wohnte. Suárez kam am 24. Januar 1987 im Krankenhaus von Salto als Sohn von Sandra und Rodolfo zur Welt. Er hat drei ältere Geschwister – Paolo, Giovanna und Leticia – und zwei jüngere Brüder, Maximiliano und Diego.

      Luis – dünn und wegen seiner dichten schwarzen Haare auch „Cabeza“ oder „Cabezón“ („großer Kopf“ bzw. „Dickkopf“) genannt – war ein kerngesundes Kind. Anders als seine Geschwister bekam er noch nicht einmal die Windpocken. Mit zwei Jahren zog er sich allerdings eine Blinddarmentzündung zu und bekam zwei Tage nach der Operation eine Bauchfellentzündung, eine dabei gelegentlich auftretende Komplikation. Die Schmerzen müssen unerträglich gewesen sein; nicht einmal Aufstehen war dem kleinen Luis möglich. Die Ärzte mussten den Zugang erneut öffnen und die Ursache beheben. Danach verheilte die Infektion allmählich.

      Lila Píriz, Luis’ Großmutter väterlicherseits, wartete im Hof ihres Hauses in der Calle Ozimane auf mich. Sie brauchte ein bisschen, bis sie die Tür öffnete, und entschuldigte sich, den Besucher nicht ins Esszimmer bitten zu können – dort schliefen Leute. Am nächsten Tag sollte es nämlich ein großes Fest anlässlich ihrer Diamanthochzeit mit Atasildo Suárez geben. Aus ihrer Ehe waren sechs Kinder hervorgegangen, die ihnen 23 Enkel und 23 Urenkel schenkten, und viele von ihnen waren aus Montevideo zur Feier gekommen.

      In der Küche werkelten bereits zwei Frauen, die Brotteig kneteten. Draußen im Hof krächzte ein Papagei in seinem Käfig. Lila warnte davor, sich ihm zu sehr zu nähern: „Kommen Sie mit dem Finger in die Nähe, beißt er zu.“ Ihr Mann Atasildo döste derweil auf einem Liegestuhl. Im Hintergrund blickte man auf das viele Grün von Salto. Lila sprach natürlich auch über ihren Enkel: „Er war ein guter Junge. Fußball war sein Ein und Alles. Der spielte von morgens bis abends und hat sich immer gut mit allen verstanden. Es ist ja jetzt schon ein paar Jahre her, dass er weg ist; erst nach Montevideo und dann nach Europa.“ Und Atasildo fügte noch hinzu: „Nein, Luis kommt nicht zur Diamanthochzeit. Aber für uns reicht es auch, bei seinen Erfolgen dabei gewesen zu sein. Und zu wissen, dass er auf der ganzen Welt berühmt ist, macht uns sehr stolz.“

      Mehr war den Großeltern zu ihrem Enkel nicht zu entlocken. Allerdings hatten sie auch schon ganze Heerscharen neugieriger Journalisten aus aller Herren Länder zu Besuch gehabt, die allesamt mehr über die Familie Suárez erfahren wollten. Auch in Salto selbst halten sich diverse Gerüchte über den Kicker und seine Angehörigen. So brachte eine Lokalzeitung Anfang 2014 eine Story über María Josefa Reyes Pelusa, Luis’ damals 65-jährige Großmutter mütterlicherseits. Sie sei nach Salto zurückgekehrt, da es ihr nicht gut gehe und sie kein Dach über dem Kopf habe. In der Hoffnung auf größere Auflage fuhren die Zeitungen schweres Geschütz auf, als sie den großen Skandal witterten. Alles Mögliche wurde behauptet: Der Sohn von Reyes Pelusa habe die Stadt gedrängt, ihr ein Haus zu bauen; Luis hätte jegliche Zahlung verweigert und auch sonst nichts getan, um der Großmutter in ihrer schwierigen Lage beizustehen. Es gab Geschichten, dass Luis nichts von der Sache wisse, oder auch andersherum, dass er Geld geschickt habe, nachdem er davon erfuhr. Eigentlich war es eine private Familienangelegenheit, der die Presse aber unbedingt nachgehen musste …

      Luis’ Vater Rodolfo Suárez war wie schon der Großvater Soldat und diente im 7. Infanteriebataillon „Ituzaingó“ – dem Präsident Pepe Mujica beim 100-jährigen Jubiläum 2010 übrigens als Zeichen der Annäherung zwischen der linken Regierung und den Streitkräften persönlich die Ehre erwies. Die General-Artigas-Kaserne, in der das 7. Bataillon gemeinsam mit der 3. Infanteriebrigade stationiert ist, liegt nur ein paar hundert Meter vom Haus von Lila Píriz und Atasildo entfernt.

      Die Kaserne besteht im Wesentlichen aus einer großen grünen Fläche mit einigen Silos; drumherum sind ein Zaun mit Türmen, auf denen Soldaten mit Gewehren Wache stehen, und Schilder mit der Aufschrift „Militärisches Sperrgebiet. Betreten verboten“. Neben der Kaserne befindet sich eine Reihe kleiner gelber Häuser, in denen die Familien der Soldaten wohnen. Hierher, in die Nummer 1.120, zog auch die Familie Suárez Díaz. Allerdings kann sich kaum jemand an den kleinen Luis Suárez erinnern – die Häuser werden alle vier Jahre neu vergeben. Und doch ist hier der Ort, an dem „El Pistolero“ ernsthaft mit dem Fußballspielen begann: auf dem Fußballplatz des 1964 gegründeten Club Deportivo Artigas, dem Verein der Armeeangehörigen und deshalb auch „Soldatenklub“ genannt.

      Miguel, der gerade das Dach des Klubheims ausbesserte, erklärte mir: „Während der Militärdiktatur kriegte der Verein ordentlich Kohle, auch für Material und Plätze. Da konnten damals nur wenige Klubs mithalten.“ Deshalb wären die „Milicos“ (was etwas flapsig für „Militärs“ steht) auch immer Fußballfans gewesen. Viele in Salto erinnern sich noch gut an den langanhaltenden Lärm der Bataillonssirenen nach Uruguays Sieg gegen Südkorea bei der WM 2010 – so wie schon 1950, als Uruguay im Maracanã Brasilien schlug und seinen zweiten WM-Titel gewann.

      Rodolfo Suárez war ein guter Abwehrspieler. Er spielte rechts als Manndecker, und man kam nicht ohne Weiteres an ihm vorbei. Seine damaligen Gegenspieler haben ihn als unermüdliche Klette in Erinnerung. Außerdem als einen, der auf dem Platz nie den Mund halten konnte und sich gerne mit seinen Gegenspielern anlegte, kurzum: ein „dreckiger“ Spieler. Ein harter Hund, der je nach Situation auch ziemlich ausgekocht sein konnte, eine Qualität, die Luis anscheinend von ihm geerbt hat.

      Heute ist Deportivo Artigas – nach eigenen Worten der „Klub für die ganze Familie“ – ein eigenständiger Verein. Armeeangehörige, Gewerkschafter und Arbeiter spielen Seite an Seite. Angeboten werden eine ganze Reihe von Sportarten, darunter Leichtathletik, Schwimmen, Rugby oder Hockey. An der Kreuzung von Calle Apolón de Mirbeck und Avenida Feliciano Viera, nicht weit entfernt von der Kaserne, hat Deportivo Artigas einen Sportkomplex errichtet, auf den man durchaus neidisch werden kann.

      Auf dem Rasen vor der Anlage begegnet man zunächst einer Büste von Uruguays Nationalhelden José Gervasio Artigas. Dahinter steht das Vereinsheim, das ein wenig an eine Ranch auf dem Land erinnert. Es beherbergt einen großen Saal für Festivitäten und ein kleines Büro voller Pokale, Medaillen und Wimpel sowie einer nicht gerade kleinen Madonnenstatue. Auf einem Banner heißt es: „Fußball ist nicht einfach, er ist unkompliziert.“

      Auf der Anlage befinden sich neben dem obligatorischen Grill für asados, Barbecues nach südamerikanischer Art, drei Fußballplätze: einer mit Kunstrasen für die Kindermannschaften und zwei mit Naturrasen (darunter das Stadion mit 800 Tribünenplätzen). Hinzu kommen Umkleideräume, ein Schwimmbad und eine Halle für die ebenfalls angebotene Hippotherapie.

      Die Sportanlagen wurden 2010 eröffnet. Den Bau hatten die Vereinsmitglieder durch freiwilligen Arbeitseinsatz und Spenden unterstützt, hinzu kamen 400.000 Dollar vom US-amerikanischen Verbindungsbüro für Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen (dem in ähnlicher Form auch in Deutschland existierenden Office of Defense Cooperation) und von verschiedenen uruguayischen Institutionen.

      Anfang der 1990er Jahre stand an dieser Stelle allerdings noch nichts. Spiele und Training fanden auf dem Platz in der Kaserne statt. Hier traf sich auch der Nachwuchs des Viertels. Nach der Schule warfen die Kinder Hefte und Ranzen zu Hause ab und huschten dann hinüber zur Kaserne, um entweder selbst zu spielen oder den Vätern beim Training zuzuschauen. Dabei auch nur einen Tag zu fehlen, kam einem Verbrechen gleich.

      Wenn die Plätze belegt waren, wurde einfach auf improvisierten Bolzplätzen oder auf den Straßen von El Cerro gekickt, die bis heute nicht asphaltiert sind – barfuß und mit irgendetwas Ballförmigem. So fing auch Luis an. Mit vier oder fünf Jahren nahm ihn sein sieben Jahre älterer Bruder Paolo mit, und der Kleine bolzte erst einmal mit deutlich älteren Jungs. Die Spiele dauerten ewig, unterbrochen nur von den Mahlzeiten. Sogar zu Hause ging es weiter, mit Kopfbällen und Ball hochhalten. Einmal machte Luis dabei sogar das Bett seiner Eltern kaputt.

      Doch


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