Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.ähnlich dem Bartja, und nur wenig geringer gekleidet als dieser. Der dritte Aussteigende war ein Greis mit schneeweißen Haaren, in dessen freundlich-ernstem Antlitz man die Güte eines Kindes, die Erfahrung eines Alten und den Geist eines Mannes zu erkennen vermochte. Er trug einen langen purpurfarbenen Aermelrock und gelbe lydische Stiefel131. Die ganze Erscheinung machte den Eindruck höchster Anspruchslosigkeit, und dennoch war dieser schlichte Greis vor Jahren der vielbeneidetste Mann seiner Zeit gewesen, mit dessen Namen wir noch nach mehr als zweitausend Jahren die Reichsten unter den Menschen bezeichnen. In ihm lernen wir Krösus, den entthronten König von Lydien kennen, der jetzt als Freund und Rathgeber am Hofe des Kambyses lebte, und den jungen Bartja als Mentor nach Aegypten begleitete.
Ihm folgte Prexaspes, der Botschafter des Königs von Persien, Zopyrus, der Sohn des Megabyzus, ein edler Perser, Freund des Bartja und Darius; endlich aber erschien der schlanke, bleiche Sohn des Krösus, Gyges, der, nachdem er in seinem vierten Jahre stumm geworden war, durch die Todesangst, welche er bei der Einnahme von Sardes um seinen Vater ausgestanden, die Sprache zurückerlangt hatte132.
Psamtik stieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen entgegen. Sein gelbliches, strenges Angesicht bemühte sich freundlich zu lächeln. Die Würdenträger, welche ihm folgten, verneigten sich beinahe bis zur Erde vor den Fremden, indem sie die Arme schlaff herunter hängen ließen. Die Perser kreuzten die Hände über der Brust und warfen sich vor dem Thronerben nieder. Als die ersten Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der Sitte seiner Heimath, zur Verwunderung des solchen Anblick ungewohnten Volkes die gelbe Wange des bei der Berührung der unreinen Lippen eines Fremden leicht erschaudernden ägyptischen Königssohnes, und begab sich mit seinen Führern zu den harrenden Sänften, um sich in die für ihn und seine Begleiter bestimmte Wohnung im Königsschlosse von Sais tragen zu lassen.
Ein Theil des Volkes strömte den Fremdlingen nach; die meisten Zuschauer verharrten aber auf ihren Plätzen, denn sie wußten, daß noch mancher nie gesehene Anblick ihrer wartete.
»Willst Du dem geputzten Grasaffen und den andern Kindern des Typhon133 nachlaufen?« fragte der mißvergnügte Tempeldiener seinen Nachbar, einen ehrsamen saitischen Schneidermeister.
»Ich sage Dir, Puhor, und auch der Oberpriester hat es gesagt, diese Eindringlinge werden dem schwarzen Lande nichts als Unheil bringen! Wohin ist die alte gute Zeit gekommen, in der kein Fremdling, der sein Leben lieb hatte, seinen Fuß auf ägyptischen Boden setzen durfte! Jetzt wimmeln unsere Straßen von trügerischen Hebräern134, besonders aber von jenen unverschämten Hellenen, welche die Götter vernichten mögen! Da sieh’ nur, das ist nun schon die dritte Barke voller Fremden. Und weißt Du, wer diese Perser sind? Der Oberpriester hat gesagt, in ihrem ganzen Reiche, das so groß sei wie die halbe Welt, gäb’ es keinen einzigen Tempel für die Götter; die Mumien ihrer Todten ließen sie aber, statt ihnen ein ehrenvolles Begräbnis zu gewähren, von Hunden und Geiern zerreißen135.«
Der Schneider gab Zeichen großen Erstaunens und noch größerer Entrüstung von sich; dann wies er mit dem Finger nach der Landungstreppe und sagte:
»So wahr der Isis Sohn den Typhon vernichtet, da landet die sechste Barke voller Fremder!«
»Ja es ist arg!« seufzte der Tempeldiener, »sollte man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran? Amasis wird es noch so lange treiben, bis ihn die Fremden von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie einst die bösen Hyksos, die Pestmenschen136, und die schwarzen Aethiopier, knechten und plündern.«
»Die siebente Barke!« rief der Schneider.
»Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais, soll mich verderben,« klagte der Tempeldiener, »wenn ich den König begreife. Drei Lastbarken hat er für das Gepäck und die Dienerschaft der persischen Gesandten nach dem gottverhaßten Giftneste Naukratis geschickt; statt jener drei mußten aber acht Kähne herbeigeschafft werden, denn neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kisten, Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Todtenschänder ein ganzes Heer von Dienern tausend Meilen weit hierher geschleppt. Unter ihnen sollen Menschen sein, die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder Salben zu bereiten137. Auch ihre Priester, die sie Magier nennen, haben sie bei sich. Ich möchte nur wissen, wozu diese Müßiggänger da sind? Was soll der Priester, wo man keine Götter und Tempel kennt?«
Der greise König Amasis von Aegypten hatte die persische Gesandtschaft mit aller ihm eigenen Liebenswürdigkeit kurz nach ihrer Ankunft empfangen. – Vier Tage später ging er, nachdem er seine Geschäfte, denen er sich alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet hatte, mit dem alten Krösus im Schloßgarten spazieren, während sich die übrigen Perser in Begleitung des Thronerben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden.
Der Schloßgarten, welcher königlich großartig, aber dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei der im Nordwesten der Stadt auf einem Hügel gelegenen Königsburg.
Die beiden Greise ließen sich unter dem Schatten einer breitästigen Sykomore unweit eines riesengroßen Beckens von rothem Granit, in welches Krokodile von schwarzem Basalt aus weit geöffneten Rachen eine Fülle klaren Wassers spieen, nieder.
Der entthronte König, um einige Jahre älter als der mächtige Herrscher an seiner Seite, sah dennoch weit frischer und kräftiger aus, als dieser letztere. Der Nacken des hochgewachsenen Amasis war gebeugt; schmächtige Beine trugen seinen starken Leib, sein Antlitz war wohlgeformt, aber voller Falten. Aus seinen kleinen blitzenden Augen leuchtete ein frischer Geist, und seine übervollen Lippen wurden fortwährend von einem schalkhaften, neckischen, oftmals spöttelnden Zuge umspielt. Die niedrige aber breite Stirn des Greises und sein großer, schön gewölbter Schädel bezeugten die Kraft seiner Intelligenz138; die wechselnde Farbe seines Auges ließ vermuthen, daß Witz und Leidenschaft diesem seltenen Manne beiwohne, welcher sich von einem schlichten Krieger bis zum Throne der Pharaonen heraufgearbeitet hatte. Seine Sprache war schneidend und hart, seine Bewegungen, im Gegensatze zu der gemesseneren Art der anderen Mitglieder des ägyptischen Hofes, beinahe krankhaft lebendig.
Die Haltung seines Nachbars erschien durchaus anmuthig und eines Königs würdig. Sein ganzes Wesen verrieth, daß er viel mit den Besten Griechenlands verkehrt habe. Thales, Anaximander und Anaximenes von Milet, Bias von Priene139, Solon von Athen, Pittakus von Lesbos, die berühmtesten hellenischen Weltweisen, hatten sich in besseren Zeiten als Gäste am Hofe des Krösus zu Sardes befunden. Seine volle, klare Stimme klang neben der gellenden des Amasis wie reiner Gesang.
»Nun aber sage mir unverholen,« sprach der Pharao140 in ziemlich fließendem Griechisch, »wie Dir Aegypten gefällt. Ich kenne Niemanden, dessen Urtheil mir so werthvoll erschiene wie das Deine, denn erstens kennst Du die meisten Völker und Länder der Welt, zweitens haben Dich die Götter die ganze Leiter des Glückes herauf und hinunter steigen lassen; drittens aber bist Du nicht umsonst so lange der erste Rathgeber des mächtigsten aller Könige gewesen. Ich wollte, mein Reich gefiele Dir so gut, daß Du Lust bekämst, als mein Bruder bei mir zu bleiben. Wahrlich, Krösus, Du bist schon lange mein Freund, ob Dich auch gestern die Götter zum ersten Male meinen Augen gezeigt haben!«
»Und Du der meine,« unterbrach ihn der Lyder. »Ich bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte durchzusetzen verstehst, ich bin Dir dankbar wegen der Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begegnest,