Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Rath hatte er die Prinzessin zum Weibe begehrt wie eine neue Ehrenbezeigung, eine Erhöhung seines Einkommens, ein seine Person schützendes Pfand. Bent-Anat hatte seinem Herzen niemals näher oder ferner gestanden, als jedes andere schöne Weib in Aegypten. Jetzt trat ihre stolze und edle Persönlichkeit vor sein inneres Auge und es war ihm, als müßte dieses zu ihr aufschauen wie zu einer ihm hoch überlegenen Erscheinung. Es verdroß ihn, Katuti's Rath gefolgt zu sein, und er begann die Ablehnung seiner Werbung zu wünschen. Die Ehe mit Bent-Anat erschien ihm hart. Ihm war zu Sinne wie einem Manne, der sich um ein glänzendes Amt bewirbt, von dem er doch weiß, daß seine Anforderungen für seine Kräfte zu hoch sind, wie einem Ehrgeizigen, dem die Königswürde angetragen wird unter der Bedingung, eine schwere Krone niemals vom Haupte zu lassen. Wenn freilich ein Anderes gelänge, wenn – und seine Augen blitzten lebhaft auf, – wenn das Geschick ihn an die Stelle des Ramses setzte, dann verlor der Bund mit ihr seine Schrecken, dann war er auch ihr unbeschränkter König und Herr und Gebieter, und Niemand hatte Rechenschaft von ihm zu fordern, was er ihr sei und gewähre.
Zehntes Kapitel
Während der geschilderten Vorgänge war das Haus des Rosselenkers Mena nicht leer geworden von Besuchern.
Dasselbe glich dem benachbarten Erbe Paaker's, doch waren die Gebäude weniger neu, der bunte Anstrich an Säulen und Wänden verblichen und der große Garten entbehrte der sorgfältigen Pflege. Nur in der Nähe des Wohnhauses prangten einige gut gehaltene Beete in reichem Blumenschmuck und der offene Säulengang, in dem sich Katuti mit ihrer Tochter aufhielt, war mit königlicher Pracht ausgestattet.
Die zierlich gearbeiteten Stühle bestanden aus Elfenbein, die Tische aus Ebenholz und hatten, wie die Ruhebetten, vergoldete Füße. Die kunstreich gearbeiteten syrischen Trinkgeschirre auf dem Schenktisch, den Tafeln und Konsolen zeigten mannigfaltige Formen; schöne Vasen voller Blumen standen überall, feiner Wohlgeruch entstieg alabasternen Schalen und der Fuß versank in der dichten Wolle der Teppiche, welche den Boden der Halle bedeckten.
Ueber der scheinbar ordnungslosen Aufstellung dieses reichen Geräths schwebte ein besonderer Reiz, ein unbeschreiblich anmuthiges Etwas.
Auf einem Ruhebette lag lang ausgestreckt, mit einer seidenhaarigen weißen Katze spielend, die schöne Nefert, welche sich von einem Negermädchen Kühlung zufächeln ließ, während ihre Mutter Katuti ihrer Schwester Setchem und deren Sohn Paaker Abschiedsgrüße nachwinkte.
Beide hatten zum ersten Male seit vier Jahren, das heißt seit Mena's Vermählung mit der schönen Nefert, diese Schwelle betreten und die alte Feindschaft schien nun einem neuen herzlichen Einvernehmen und Zusammenleben Platz machen zu wollen.
Nachdem der Wegeführer und seine Mutter hinter den Granatensträuchern am Eingange des Gartens verschwunden waren, wandte sich Katuti ihrer Tochter zu und sagte:
»Wer hätte das gestern gedacht? Ich glaube, Paaker liebt Dich noch immer!«
Nefert erröthete und rief leise und, indem sie ihr Kätzchen sanft mit dem Fächer schlug. »Mutter!«
Katuti lächelte.
Sie war eine hochgewachsene Frau von edler Haltung, die mit ihren scharf, aber fein geschnittenen Zügen und lebhaften Augen noch immer Anspruch auf weibliche Schönheit erheben durfte. Sie trug ein langes, bis über die Knöchel reichendes Gewand von kostbarem Stoff, aber gesuchter Einfachheit und dunkler Farbe, an Stelle des Schmuckes an Arm und Knöchel, Ohr und Fingerringen, an Halsketten und Spangen, dessen sich die ägyptischen Frauen und auch ihre Schwester und Tochter reichlich zu bedienen pflegten, frische Blumen, an denen es in dem Garten ihres Schwiegersohnes niemals fehlte. Nur ein schlichtes, goldenes Diadem, das Zeichen ihrer königlichen Abkunft, pflegte vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihre für eine schöne Frau überhohe, aber edel geformte Stirn zu bedecken und die langen, blauschwarzen Haare zusammen zu halten, welche ungeflochten, als ob ihre Trägerin das eitle Werk ihrer künstlichen Anordnung verachte, auf ihren Rücken herniederhingen. Aber nichts an ihrem Aeußeren war unberechnet und die schmucklose Diademträgerin in schlichten Kleidern und mit der königlichen Gestalt überall sicher, bemerkt zu werden und Nachahmerinnen ihrer Tracht, ja sogar ihrer Bewegungen zu finden.
Und doch hatte Katuti lange Zeit in Dürftigkeit gelebt; ja auch zu der Stunde, in welcher wir sie kennen lernen, war wenig ihr eigen. Sie lebte jetzt auf dem Erbe ihres Schwiegersohnes als sein Gast und als Verwalterin seiner Güter, während sie vor der Vermählung ihrer Tochter mit ihren Kindern in einem ihrer Schwester Setchem gehörenden Hause gewohnt hatte.
Sie war die Gattin ihres eigenen, früh verdorbenen Bruders gewesen, 74 der in verschwenderischer Prachtliebe den größten Theil der Besitztümer, welche ihm von der neuen Pharaonenfamilie gelassen worden waren, vergeudet hatte.
Als Wittwe war sie von Paaker's Vater, ihrem Schwager, mit ihren Kindern wie eine Schwester aufgenommen worden. Sie bewohnte ein eigenes Haus, genoß die Einkünfte eines ihr von dem ältern Mohar zugewiesenen Landgutes und überließ ihrem Schwager die Sorge für die Erziehung ihres mit allen Ansprüchen eines vornehmen Jünglings aufwachsenden schönen und übermüthigen Sohnes.
So große Wohlthaten würden die stolze Katuti bedrückt und beschämt haben, wenn sie mit ihnen und der Art und Weise der Geber einverstanden und zufrieden gewesen wäre. Dieß war aber keineswegs der Fall; vielmehr glaubte sie, eine glänzendere äußere Lage beanspruchen zu dürfen, fühlte sie sich gekränkt, wenn man ihren leichtfertigen Sohn, während er die Schule besuchte, ermahnte, sich ernsterer Arbeit hinzugeben, weil er sich später auf sein eigenes Können und seine eigene Kraft zu verlassen haben werde. Auch hatte es sie verletzt, wenn ihr Schwager sie gelegentlich zur Sparsamkeit anhielt und sie in seiner offenen Art an ihre bescheidenen Mittel und die unsichere Zukunft ihrer Kinder erinnerte.
Dabei fühlte sie sich gern gekränkt, denn nun glaubte sie sich sagen zu dürfen, daß ihre Angehörigen mit all' ihren Gaben die Beleidigungen, die sie ihr zufügten, doch nicht gut machen könnten. Auch bewährte sich an ihr die Erfahrung, daß wir Niemand leichter grollen, als einem Wohlthäter, dem wir das, was er uns Gutes erweist, nicht zu vergelten vermögen.
Als ihr Schwager für seinen Sohn um ihre Tochter warb, gab sie dennoch gern ihre Einwilligung.
Nefert und Paaker waren miteinander aufgewachsen und durch diese Verbindung sah sie ihre eigene und ihrer Kinder Zukunft sicher gestellt.
Kurz nach dem Tode des Mohar begehrte der Rosselenker Mena Nefert's Hand, aber sie würde ihn abgewiesen haben, wenn nicht der König selbst die Werbung seines jungen Schlachtgenossen und Lieblings unterstützt hätte.
Nach der Hochzeit zog sie mit Nefert in Mena's Haus und übernahm, als er in den Krieg zog, die Verwaltung seiner großen, aber schon durch seinen Vater mit einigen Schulden belasteten Güter.
Das Schicksal gab ihr die Mittel an die Hand, sich und ihre Kinder für lange Entbehrungen schadlos zu halten, und sie benützte dieselben, um dem ihr angeborenen Trieb, beachtet und bewundert zu werden, nachzugeben, ihren Sohn, glänzend ausgerüstet, in die Schaar der vornehmsten jungen Wagenkämpfer eintreten zu lassen und ihre Tochter mit fürstlicher Pracht zu umgeben.
Als der Statthalter, der ein Freund ihres verstorbenen Gatten gewesen war, den Pharaonenpalast in Theben bezog, näherte er sich ihr und die geschickte und entschiedene Frau wußte sich dem unentschlossenen Manne erst angenehm, und endlich unentbehrlich zu machen.
Sie benützte den Umstand, daß sie wie auch er dem alten Königshause entstammte, um seinen Ehrgeiz anzustacheln und ihm Aussichten zu eröffnen, an die nur zu denken er sich, eh' er mit ihr vertraut gewesen war, als verbrecherisch untersagt hatte.
Ani's Werbung um die Hand der Prinzessin Bent-Anat war Katuti's Werk. Sie hoffte, daß der Pharao den Statthalter abweisen, persönlich verletzen und dadurch geneigter machen werde, die gefährliche Bahn, die sie für ihn ebnete, zu betreten.
Der Zwerg Nemu war ihr gefügiges Werkzeug.
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