Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.mit jenem Lächeln zu, durch welches der Erfahrene seine Ueberlegenheit über den Schwärmer anzudeuten liebt, und sagte:
»Die Vorzeit mag solchen Mann gezeugt haben, doch wolltest Du in unseren Tagen auf ihn warten, so müßtest Du die Jugendlocke 76 tragen, bis sie grau wird. Unsere Denker sind keine Helden und unsere Helden keine Weisen. Da kommt Dein Bruder mit meiner Nefert.«
»Willst Du Ani von seiner Werbung abzulassen bewegen?« fragte die Prinzessin dringend.
»Ich kann es versuchen, Dir zu Liebe,« gab Katuti zurück. Dann wandte sie sich halb dem jungen Rameri, halb seiner Schwester zu und sagte.
»Der Leiter des Setihauses, Ameni, war in seiner Jugend ein Mann, wie Du ihn schilderst, Bent-Anat. – Sage uns, Du Sohn des Ramses, der unter den jungen Sykomoren aufwächst, welche dieses Land dereinst beschatten sollen, wen schätzest Du am höchsten unter Deinen Genossen? Ist einer unter ihnen, der alle anderen weit überragt an hohem Sinn und Geisteskraft?«
Der junge Rameri schaute die Fragerin lebhaft an und antwortete lachend: »Wir sind Alle wie wir eben sind, und thun mehr oder weniger gern, was wir müssen, und am liebsten Alles, was wir nicht sollen.«
»Einen gewaltigen Geist, einen Jüngling, welcher ein zweiter Snefru, 77 ein Thutmes, oder auch nur ein Ameni zu werden verspräche, kennst Du nicht im Setihause?« fragte die Wittwe weiter.
»Doch!« rief Rameri mit lebhafter Entschiedenheit.
»Und der wäre?« fragte Katuti.
»Pentaur, der Dichter!« rief der Jüngling.
Bent-Anat's Antlitz färbte sich mit glühendem Roth, während ihr Bruder erklärend fortfuhr: »Er ist edel und von hohem Geiste und alle Götter wohnen in ihm, wenn er redet. Sonst schlafen wir gern in den Schulhöfen, aber seine Worte reißen uns mit sich fort, und wenn wir die Fülle seiner Gedanken auch nicht immer fassen, so wissen wir doch, daß sie groß sind und echt.«
Bent-Anat athmete schneller bei diesen Worten und ihre Augen hingen an ihres Bruders Lippen.
»Du kennst ihn, Bent-Anat,« fuhr Rameri fort.. »Er war mit Dir bei dem Paraschiten und im Tempelhofe, als Ameni die Unreinheit über Dich verhängte. Er ist schön und stattlich wie der Gott Menth, und ich meine, daß er zu Denen gehört, die man nicht vergessen kann, wenn man sie einmal gesehen. Gestern, nachdem Du den Tempel verlassen, sprach er wie nie vorher. Er goß Feuer in unsere Seelen. Lächle nicht, Katuti, ich fühle es noch fortbrennen. Heute Morgen theilte man uns mit, er sei aus dem Tempel verwiesen worden, wer weiß wohin, und lasse uns Lebewohl sagen. Man hält es niemals für nöthig, uns Gründe mitzutheilen; wir wissen aber mehr, als die Herren denken. Er soll Dir nicht streng genug entgegengetreten sein, Bent-Anat, und nun verstoßen sie ihn dafür aus dem Setihause. – Wir haben aber beschlossen, zusammenzutreten und um seine Zurückberufung zu bitten. Der junge Auana setzt einen Brief an den Oberpriester auf, den wir Alle unterschreiben. Einem Einzelnen würde das schlecht bekommen; aber Allen auf einmal können sie nichts anhaben. Vielleicht sind sie auch verständig und rufen ihn zurück. Wo nicht, so beklagen wir uns Alle bei unseren Vätern, und die sind nicht die Letzten in diesem Lande!«
»Das ist ja ein völliger Aufstand,« rief Katuti. »Nehmt euch in Acht, ihr Herrchen! Ameni und die anderen Propheten lassen nicht mit sich spaßen.«
»Wir auch nicht,« lachte Rameri. »Halten sie Pentaur verbannt, so bitt' ich den Vater, mich in die Schule von Heliopolis oder Chennu zu versetzen, und die Anderen folgen mir nach. Komm, Bent-Anat! Ich muß vor Sonnenuntergang wieder in der Falle sein; verzeih', Katuti, so nennen wir die Schule. Da kommt ja auch euer kleiner Nemu!«
Die Geschwister verließen den Garten.
Sobald die Frauen, welche ihnen das Geleit gaben, ihnen den Rücken gekehrt hatten, drückte Bent-Anat die Hand ihres Bruders mit ungewöhnlicher Wärme und sagte: »Hütet euch vor Unvorsichtigkeiten, aber eure Forderung ist gerecht und wenn es in meiner Macht steht, so will ich euch helfen.«
Elftes Kapitel
Der Zwerg Nemu trat, sobald Bent-Anat das Erbe des Mena verlassen hatte, mit einem Brief in den Garten und erzählte kurz, aber in so komischer Form von seinen Erlebnissen, daß beide Frauen lachten und Katuti mit einer ihr sonst fremden lebhaften Heiterkeit, indem sie ihn warnte, dennoch seine Geschicklichkeit lobte und mit den Worten: »Das war ein vollkommener Tag, der Großes brachte und Größeres für die Zukunft in Aussicht stellt,« das Siegel des Briefes betrachtete.
Nefert drängte sich nah an sie heran und bat: »Oeffne doch den Brief und sieh, ob nichts von Ihm darin steht.«
Katuti löste das Wachs, überflog das Schreiben mit einem flüchtigen Blicke, streichelte die Wange ihres Kindes und sagte tröstend: »Vielleicht hat Dein Bruder für ihn geschrieben; ich sehe keine Zeile von seiner Hand.«
Nefert blickte nun ihrerseits in den Brief, aber nicht um zu lesen, sondern nur, um nach der ihr wohlbekannten Handschrift ihres Gatten zu suchen.
Wie alle Aegypterinnen aus gutem Hause, so verstand auch sie zu lesen und sie hatte in den ersten beiden Jahren ihrer Ehe oft, sehr oft Gelegenheit gehabt, sich über die schwächlichen Buchstaben zu wundern und doch zu freuen, welche die eiserne Hand des Rosselenkers für sie, die mit ihren zarten Fingern fest und sicher das Schreiberohr zu führen verstand, auf den Papyrus gekritzelt hatte. Aufmerksam schaute sie in den Brief hinein und sagte endlich mit Thränen in beiden Augen. »Nichts! Ich gehe in mein Zimmer, Mutter.«
Katuti küßte sie und sagte: »Höre doch erst, was Dein Bruder schreibt.«
Aber Nefert schüttelte den Kopf, wandte sich schweigend ab und verschwand in dem Hause.
Katuti war ihrem Schwiegersohne nicht hold, aber ihr Herz hing an ihrem schönen und leichtsinnigen Sohne, dem Ebenbild ihres verstorbenen Gatten, dem Liebling der Frauen, dem muntersten Jüngling unter den jungen Edlen, welche die Wagenkämpfergarde des Königs bildeten.
Wie ausführlich hatte er, der das Schreiberohr nur mühsam führte, heute geschrieben!
Das war ein Brief, während er sonst nur in kurzen Worten um neue Mittel zur Befriedigung seiner verschwenderischen Neigungen zu bitten pflegte.
Dießmal durfte sie Danksagungen erwarten, denn vor Kurzem mußte er einen beträchtlichen Zuschuß empfangen haben, den sie wiederum den Einkünften der ihr anvertrauten Güter ihres Schwiegersohnes entnommen hatte.
Sie begann zu lesen.
Die Heiterkeit, mit der sie den Zwerg empfangen hatte, war unecht gewesen und hatte den glänzenden Regenbogenfarben geglichen, welche die dunklen Flächen eines Sumpfwassers bedecken. Ein Stein stürzt in die Lache, der Schimmer schwindet, trübe Wolken wirbeln auf und unreines Dunkel erfüllt sie.
Wie schwere Felsblöcke stürzten die Nachrichten, welche der Brief ihres Sohnes enthielt, in Katuti's Seele.
Das tiefste Leid fließt uns immer aus derselben Quelle zu, die uns mit Wonne zu sättigen vermöchte, und am heißesten brennen die Wunden, die eine geliebte Hand uns schlägt.
Je tiefer Katuti sich in die jämmerlich fehlerhaften und nur mühsam zu entziffernden Sätze vertiefte, die ihr Liebling ihr geschrieben hatte, je bleicher wurde ihr Antlitz, welches sie mehrmals mit den zitternden Händen, denen das Blatt entsunken war, bedeckte.
Nemu kauerte ihr gegenüber am Boden und folgte jeder ihrer Bewegungen.
Als sie mit einem markerschütternden Schrei aufsprang und ihre Stirn an einen rauhen Palmenstamm preßte, schlich er zu ihr heran, küßte ihre Füße und rief mit einer Innigkeit, die selbst Katuti überraschte, welche nur muntere oder beißende Worte von den Lippen ihres Schalksnarren zu hören gewohnt war:
»Herrin, Herrin! was ist geschehen?«
Katuti raffte sich zusammen, wandte sich um