Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.ich Dir erzählt habe, so sei unbesorgt. Träume sind Trugbilder; doch, wenn sie auch wirklich von den Göttern gesandt werden, so sind doch Diejenigen, welche sie deuten, menschlichen Irrthümern unterworfen. Deine Hand zittert noch immer und Deine Wangen sind bleicher wie Dein leinenes Gewand. Ich war hart gegen Dich, härter als ein Vater . . .«
»Härter als ein Fremder gegen den Fremden sein darf,« unterbrach der Thronfolger den König. »Du hast mich gebrochen und zerknickt, und wenn bis dahin mein Antlitz wenig lächelte, so wird es von heute an ein Spiegel des Elends sein.«
»Nicht also,« sagte Amasis und legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes. »Wenn ich Wunden schlage, so besitze ich auch die Macht, sie zu heilen. Nenne mir den wärmsten Wunsch Deines Herzens; er sei Dir gewährt!«
Psamtik’s Augen blitzten auf, ein röthlicher Schimmer flog über seine fahlen Wangen und er erwiederte ohne sich zu besinnen, aber mit einer Stimme, in der die Erschütterung, welche sein Herz in den letzten Augenblicken erfahren hatte, nachzitterte. »Ueberlaß mir Phanes, meinen Feind.«
Der König blieb einige Augenblicke in Nachdenken versunken, dann sagte er. »Ich werde Deine Forderung erfüllen müssen; aber ich wollte lieber, Du hättest die Hälfte meines Schatzes verlangt, als dies. Tausend Stimmen in meinem Innern sagen mir, daß ich etwas zu thun im Begriff bin, das meiner unwürdig ist, das verderblich sein wird für mich, für Dich, für das Reich und für uns Alle. Ueberlege noch einmal, ehe Du handelst, und das sage ich Dir, was Du auch mit Phanes vorhast, der Rhodopis darf kein Haar gekrümmt werden; auch hast Du Sorge zu tragen, daß die Verfolgung meines armen Freundes besonders den Griechen ein Geheimniß bleibe. Wo werde ich einen Feldherrn, einen Berather und Tischgenossen wiederfinden wie ihn!? Ich seh’ ihn auch noch nicht in Deiner Gewalt, und gebe Dir zu bedenken, daß, wenn Du auch klug als Aegypter sein magst, Phanes als Hellene klug ist! Besonders erinnere Dich auch an Deinen Eid, jedem Gedanken an die Enkelin der Rhodopis zu entsagen. Der Ersatz, welchen ich Dir biete, ist, meine ich, annehmbar; denn, kenne ich Dich recht, so erscheint Dir die Rache schätzbarer wie die Liebe! Was endlich Aegypten anbelangt, so wiederhole ich Dir, daß es niemals glücklicher war, als jetzt. Das Gegentheil zu behaupten fällt Niemandem ein, außer den unzufriedenen Priestern und Denen, welche ihnen nachplappern. Du möchtest auch die Geschichte von der Herkunft der Nitetis erfahren? So höre denn; Dein eigenes Interesse gebietet Dir zu schweigen!«
Psamtik lauschte gespannten Ohres der Mittheilung seines Vaters und dankte diesem, als er geendet hatte, durch einen starken Händedruck.
»Jetzt lebe wohl!« schloß Amasis die Unterredung mit seinem Sohne. »Vergiß nichts von dem, was ich Dir gesagt habe, und, darum bitte ich Dich besonders, vergieße kein Blut! Geschehe mit Phanes, was da wolle, ich mag nichts davon wissen, denn ich hasse die Grausamkeit und möchte Dich, meinen Sohn, nicht verabscheuen müssen. Wie fröhlich Du aussiehst! Armer Athener, Dir wäre besser, Du hättest niemals dieses Land betreten!«
Als Psamtik die Halle seines Vaters verlassen hatte, ging dieser noch lange sinnend in derselben auf und ab. Seine Nachgiebigkeit that ihm leid, und es war ihm schon jetzt, als sähe er den blutenden Phanes neben dem Schatten des von ihm gestürmten Hophra vor sich stehen. »Aber er konnte uns in der That zu Grunde richten,« entschuldigte er sich vor dem Richter in seiner eigenen Brust; dann schüttelte er sich, richtete sich hoch empor, rief den Dienern und verließ lachenden Mundes seine Gemächer.
Hatte der leichtblütige Mann, das Glückskind, seine mahnende Seele so schnell beruhigt, oder war er stark genug, um die Pein, welche er ausstand, mit dem Mantel eines Lächelns zu verbergen?
Siebentes Kapitel
Nachdem Psamtik das Zimmer seines Vaters verlassen hatte, begab er sich ohne Aufenthalt in den Tempel der Göttin Neith. Am Eingange desselben fragte er nach dem Oberpriester. Die Tempeldiener baten ihn zu warten, denn der große Neithotep befinde sich soeben betend im Allerheiligsten175 der erhabenen Herrin des Himmels.
Ein junger Priester erschien nach kurzer Zeit und meldete, sein Gebieter erwarte den Prinzen.
Psamtik verließ sofort den kühlen Platz, welchen er im Schatten der Silberpappeln des Götterhains, am Ufer des der großen Neith geheiligten Teiches176, eingenommen hatte. Er überschritt das mit Asphalt überzogene Steinpflaster des ersten Vorhofes, welches von blendenden Sonnenstrahlen, wie von glühenden Pfeilen, getroffen wurde, und hielt sich dabei in einer der langen Sphinxalleen, die zu den frei stehenden Pylonen177 des riesigen Hauses der Göttin führten. Dann schritt er durch das ungeheure Hauptthor, welches, wie alle ägyptischen Tempelpforten, mit der breitbeschwingten Sonnenscheibe178 geschmückt war. Die weitgeöffneten Thorflügel wurden zu beiden Seiten von thurmartigen Bauten, schlanken Obelisken und flatternden Fahnen überragt. Nun nahm ihn der zur Rechten und Linken von einem Säulengange begrenzte Hof auf, in dessen Mitte der Gottheit die Opfer dargebracht wurden Die ganze Vorderfront des eigentlichen Tempelgebäudes, die sich festungsartig in einem stumpfen Winkel von den Fliesen des weiten peristylen Hofes erhob, war mit bunten Bildern und Inschriften bedeckt. Durch den Porticus kam er in einen hohen Vorsaal, dann in die große Halle, deren blaue, mit tausend goldenen Sternen übersäte Decke von vier Reihen riesiger Säulen getragen wurde. Die Schäfte und lotusförmigen Kapitäle derselben, die Seitenwände und Nischen dieses Riesensaales, kurz Alles, was dem Auge begegnete, war mit bunten Farben und Hieroglyphenbildern bedeckt. In riesiger Größe erhoben sich die Säulen, unermeßlich hoch und großartig weit dehnte sich die Halle, die Luft, welche der Beter athmete, war ganz erfüllt von Weihrauch und Kyphiduft, sowie den Dämpfen, die aus dem zu den Räumen des Tempels gehörenden Laboratorium drangen. Eine leise Musik, von unsichtbaren Künstlern ausgeführt, schien nie zu schweigen, wurde aber dann und wann von dem tiefen Gebrülle der heiligen Kühe der Isis oder dem krächzenden Rufe der Sperber des Horus unterbrochen, deren Behausung sich in einem Nebensaale befand. Sobald der feierlich gedehnte Ruf einer Kuh wie ferner Donner oder der nervenerschütternde schrille Schrei eines Sperbers wie ein von der Erde zum Himmel aufzuckender Blitz erscholl, neigten sich die hockenden Andächtigen und berührten mit der Stirn die Steinfliese des mit Säulengängen umgebenen Vorhofs. Sie schauten mit zager Ehrfurcht in das ihnen verschlossene Innere des Tempels, in dessen aus einem Stück gearbeiteten kapellenartigen Allerheiligsten zahlreiche Priester standen, von denen einige Straußenfedern an den glänzend kahlen Köpfen, andere Pantherfelle an den weiß bekleideten Schultern trugen. Murmelnd und singend neigten und erhoben sie sich, schwangen Rauchgefäße und gossen aus goldenen Libationsgefäßen für die Götter reines Wasser aus. In dieser nur den Bevorzugtesten unter den Aegyptern geöffneten gigantischen Halle mußte sich der Mensch zwergenhaft klein erscheinen. Sein Auge, sein Ohr, ja selbst seine Athmungswerkzeuge wurden hier nur von solchen Einwirkungen der Außenwelt in Anspruch genommen, die weit ab lagen von Allem, was das Alltagsdasein bot, die die Brust beengten und die Nerven erzittern ließen. Taumelnd und entrückt dem eigentlichen Leben mußte der Andächtige hier nach einer Stütze außer sich suchen. Die Stimme des Priesters zeigte sie ihm, und die geheimnißvolle Musik und der Ruf der heiligen Thiere galten für Aeußerungen der Nähe der Gottheit.
Nachdem Psamtik, ohne beten zu können, auf der für ihn bestimmten goldenen und gepolsterten niedrigen Ruhebank die Stellung eines Beters eingenommen hatte, kam er zu dem erwähnten kleineren und niedrigeren Nebensaale, in dem die heiligen Kühe der Isis-Neith und die Sperber des Horus gepflegt wurden. Ein mit Goldstickereien bedeckter Vorhang vom kostbarsten Stoffe verbarg sie den Augen der Tempelbesucher, denn der Anblick dieser vergötterten Geschöpfe war dem Volke nur selten und von ferne gestattet. Als Psamtik vorbeikam, wurden gerade in Milch erweichte Kuchen, Salz und Kleeblüthen in die goldenen Krippen der Kühe und kleine Vögel mit buntem Gefieder in das zierlich gearbeitete Häuschen des Sperbers gelegt. Der Thronerbe hatte in seiner heutigen