Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.»So ist auch meine Ladice! Lebt wohl!«
»Noch nicht!« rief Bartja. »Ich muß erst unser armes Persien rechtfertigen, um meiner zukünftigen Schwägerin neuen Muth einzuflößen. Aber nein! Darius, rede Du für mich, denn Du verstehst die Kunst der Rede so gut als das Rechnen und die Wissenschaft des Schwertes!«
»Du stellst mich ja wie einen Schwätzer und Krämer188 dar,« erwiederte der Sohn des Hystaspes. »Doch sei es; ich brenne schon lange darauf, die Sitten unserer Heimath zu vertheidigen. Wisse denn, Ladice, daß Deine Tochter keineswegs die Sklavin, sondern die Freundin unseres Königs werden wird, wenn Auramazda189 sein Herz zum Guten lenkt; wisse, daß auch in Persien, freilich nur bei hohen Festen, die Weiber des Königs an der Tafel der Männer weilen, und daß wir gewohnt sind, den Frauen und Müttern die höchste Ehrfurcht zu erweisen. Hört nur, ob ihr Aegypter euren Gattinnen eine schönere Gabe schenken könntet, wie jener König von Babylon, der eine Perserin zum Weibe nahm. Diese, an die Berge ihrer Heimath gewöhnt, fühlte sich in den weiten Ebenen des Euphrat unglücklich und erkrankte am Heimweh. Was that der König? Er ließ einen riesengroßen Bau aus hohen Brückenbogen aufführen und seinen Gipfel mit einem Berge von fruchtbarer Erde bestreuen. Auf diesem pflanzte er die schönsten Blumen und Bäume, welche durch ein künstliches Pumpwerk bewässert wurden. Als Alles fertig war, führte er seine persische Gattin dorthin und machte ihr den künstlichen Berg, von dem sie, wie von der Höhe des Rachmed, in die Ebene schauen konnte, zum Geschenke190.«
»Und ward die Perserin gesund?« fragte Nitetis mit niedergeschlagenen Augen.
»Sie genas und wurde fröhlich; wie auch Du in kurzer Zeit Dich wohl und glücklich in unserem Lande fühlen wirst.«
Ladice lächelte freundlich und fragte: »Was hat wohl mehr zur Genesung der jungen Königin beigetragen: der künstliche Berg oder die Liebe des Gatten, der solches Werk zu ihrer Freude errichtete?«
»Die Liebe des Gatten!« riefen die Mädchen.
»Aber Nitetis wird auch den Berg nicht verachten,« versicherte Bartja. »Ich werde es zu bewerkstelligen suchen, daß sie auf den hängenden Gärten wohne, so oft sich der Hof nach Babylon begibt.«
»Jetzt aber kommt!« rief Amasis; »sonst werdet ihr euch die Stadt im Dunkeln betrachten müssen. Drüben stehen schon seit einer Stunde zwei Schreiber, welche meiner warten. Heda, Sachons, befiehl dem Hauptmanne der Leibwache, unseren hohen Gästen mit hundert Mann zu folgen!«
»Aber wozu das? Ein Führer, vielleicht ein griechischer Unterbefehlshaber, würde genügen.«
»Es ist besser so, ihr Jünglinge. Als Fremder kann man in Aegypten niemals zu vorsichtig sein. Merkt euch dies; besonders aber hütet euch, der heiligen Thiere zu spotten. Lebt wohl, meine jungen Helden, und auf Wiedersehen heut’ Abend beim fröhlichen Becher!«
Die Perser verließen, von ihrem Dolmetscher, einem Griechen, welcher in Aegypten erzogen worden war, und beide Sprachen191 mit gleicher Fertigkeit redete, geführt, das Königsschloß.
Die Straßen von Sais, welche in der Nähe des Palastes lagen, boten einen freundlichen Anblick. Die Häuser, von denen manche fünf Stockwerke hoch, doch nur aus leichten Nilziegeln erbaut waren, pflegten mit Bildern oder Hieroglyphenzeichen bedeckt zu sein. Altane mit Geländern von geschnitztem, bunt angestrichenem Holzwerke umgaben, von bemalten Säulen gestützt, nach dem Hofe zu die Wände. An den festverschlossenen Eingangsthüren vieler Häuser war der Name und Stand des Besitzers zu lesen192. Auf den platten Dächern standen Blumen und Ziersträucher, unter denen die Aegypter am Abende zu verweilen liebten, wenn sie nicht vorzogen, das Mücken-Thürmchen zu besteigen, welches nur wenigen Häusern fehlte. Diese kleinen Warten wurden erbaut, weil die lästigen Insekten, welche der Nil erzeugt, nur niedrig fliegen, und man sich daher auf der Höhe der Thürmchen vor ihnen retten konnte193.
Die jungen Perser freuten sich an der großen, fast übertriebenen Reinlichkeit, in welcher jedes einzelne Haus und selbst die Straßen glänzten. Die Thür-Schilder und Klopfer blitzten in der Sonne, die Malereien an den Wänden, Altanen und Säulen sahen aus, als seien sie erst eben vollendet worden, und selbst das Pflaster in den Straßen194 ließ vermuthen, daß man es zu scheuern gewohnt sei. Je weiter sich die Perser vom Nil und dem Palast entfernten, je unscheinbarer wurden die Gassen der Stadt. Sie war an den Neigungen eines mäßigen Hügels erbaut und hatte sich, da vor zweieinhalb Jahrhunderten die Residenz der Pharaonen hierher verlegt worden war, in verhältnißmäßig kurzer Zeit aus einem unbedeutenden Orte in eine ansehnlich große Stadt verwandelt.
Auf der dem Nilarme zugewandten Seite von Sais waren die Straßen schön und glänzend; an der andern Berglehne lagen dagegen, nur selten von besseren Häusern unterbrochen, die aus Nilschlamm und Akazienzweigen verfertigten Hütten der Armuth. Im Nordwesten erhob sich die feste Burg des Königs195.
»Laßt uns hier umkehren,« rief Gyges, der Sohn des Krösus, seinen jüngeren Begleitern zu, welche er in Abwesenheit seines Vaters zu leiten und zu hüten hatte, als er sah, daß der Schwarm der Neugierigen, welcher ihnen folgte, von Schritt zu Schritt an Zahl und Größe zunahm.
»Wie Du befiehlst,« gab der Dolmetscher zur Antwort. »Dort unten im Thale, am Fuße jenes Hügels, liegt aber die Todtenstadt der Saiten, und diese ist, meine ich, für Fremde sehenswerth genug.«
»Geh’ nur voran,« rief Bartja; »haben wir doch Prexaspes nur begleitet, um die Merkwürdigkeiten des Auslandes zu sehen!«
Als sie endlich unweit der Todtenstadt zu einem freien, von den Buden der Handwerker196 umgebenen Platze gelangt waren, hörte man wüstes Geschrei unter der nachfolgenden Menge ausbrechen. Kinder jauchzten, Weiber riefen und eine Stimme, welche alle anderen überkreischte, schrie. »Kommt hierher, in den Vorhof des Tempels, um die Werke des großen Zauberers zu sehen, der aus den Oasen im libyschen Westen stammt und von Chunsu, dem Ertheiler guter Rathschläge und der großen Göttin Hekt mit allen Wunderkräften ausgestattet ist197!«
»Folgt mir zu dem kleinen Tempel dort drüben!« sagte der Dolmetscher. »Ihr werdet sogleich ein seltsames Schauspiel erblicken!«
Nun drängte er sich mit den Persern durch die Masse der Aegypter, hier ein nacktes Kind, dort ein gelbliches Weib zurückstoßend, und kam bald mit einem Priester wieder, der die Fremden in den Vorhof des Tempels führte. Hier stand ein priesterlich gekleideter Mann zwischen mehreren Kisten und Kasten. Zwei Mohren knieten neben ihm auf der Erde.
Der Libyer198, ein riesengroßer Mensch mit geschmeidigen Gliedern und stechenden schwarzen Augen, hielt ein Blasinstrument in der Art unserer Clarinetten in der Hand. Um seine Brust und seine Arme wanden sich mehrere in Aegypten als giftig bekannte Schlangen.
Als er den Persern gegenüber stand, verneigte er sich, lud mit einer feierlichen Geberde zum Zuschauen ein, legte sein weißes Gewand ab und begann nun allerlei Kunststücke mit seinen Nattern auszuführen.
Bald ließ er sich von ihnen beißen, so daß lichtes Blut von seiner Wange träufelte, bald zwang er sie mit den seltsamen Tönen seiner Flöte, sich aufzurichten und tanzartige Bewegungen zu machen, bald verwandelte er sie, indem er ihnen in den Rachen spie, zu regungslosen Stäben.