Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.wunderbar schön polirt worden wie das Standbild des Amasis im Hofe des Palastes. Die freie Gestaltung aber, die Prometheus-Arbeit, das Einhauchen der Seele in den Stein, werden die Aegypter nicht eher erlernen, als bis sie vollkommen mit dem alten Formenkrame brechen. Durch Proportionen erreicht man keine Darstellung des geistigen Lebens, – nicht einmal den anmuthigen Wechsel des Körperlichen. Betrachtet jene zahllosen Statuen, welche bei Palästen und Tempeln von Naukratis bis zu den Katarrhakten in langer Reihe seit dreitausend Jahren aufgestellt worden sind. Sie alle stellen freundlich ernste Menschen im mittleren Mannesalter dar, und dennoch ist die eine das Bild eines Greises, die andere soll das Andenken eines königlichen Jünglings verewigen. Kriegshelden, Gesetzgeber, Wüthriche und Menschenfreunde, alle haben so ziemlich das gleiche Ansehen, wenn sie sich nicht durch Größe, wodurch der ägyptische Künstler Macht und Stärke ausdrücken will, und das porträtartig ausgeführte Antlitz von einander unterscheiden. Wie ich mir ein Schwert, so bestellt sich Amasis eine Bildsäule. Bevor der Meister sein Werk begonnen hat, wissen wir Beide im Voraus, sobald wir nur die Länge und Breite sorglich angegeben haben, was wir erhalten werden, wenn die Arbeit fertig ist. – Wie könnte ich einen gebrochenen Greis gleich einem sich aufschwingenden Jünglinge, einen Faustkämpfer gleich einem Läufer, einen Dichter gleich einem Krieger formen? – Stellt den Ibykus neben unsern Freund, den Spartaner, und bedenkt, was ihr sagen würdet, wenn ich den harten Krieger wie den herzumstrickenden Sänger mit süßen Geberden darstellen wollte.«
»Und was sagt Amasis zu Deinen Bemerkungen über diesen Stillstand?«
»Er bedauert ihn; fühlt sich aber nicht stark genug, die alten bindenden Regeln der Priester aufzuheben.«
»Und dennoch,« sagte der Delphier, »hat er für die Ausschmückung unseres neuen Tempels, ›um die hellenische Kunst zu fördern‹, – ich gebrauche seine eigenen Worte, – eine namhafte Summe bewilligt.«
»Das ist schön von ihm,« rief Krösus. »Werden die Alkmäoniden bald jene dreihundert Talente208, deren sie zur Vollendung des Tempels bedürfen, zusammen haben209? Wär’ ich noch in den alten Glücksumständen, so würd’ ich gern die ganzen Kosten übernehmen; wenn mich auch Dein böser Gott, trotz aller Geschenke, die ich ihm darbrachte, gar arg betrogen hat. Als ich ihn nämlich fragen ließ, ob ich den Krieg gegen Cyrus beginnen sollte, gab er mir zur Antwort, daß ich ein großes Reich vernichten würde, wenn ich den Halys-Strom überschritte210. Ich vertraute dem Gotte, gewann nach seinen Befehlen die Freundschaft der Spartaner und zerstörte, den Grenzfluß überschreitend, in der That ein großes Reich; dieses Reich war aber nicht das medisch-persische, sondern mein eigenes armes Lydien, welches jetzt als Satrapie des Kambyses sich nur schwer an die ihm ungewohnte Abhängigkeit gewöhnen kann.«
»Du tadelst den Gott mit Unrecht,« antwortete Phryxus, »denn es ist nicht seine Schuld, daß Du in menschlicher Eitelkeit seinem Ausspruch eine falsche Deutung gegeben hast. Er sagte nicht ›das Reich der Perser‹, sondern ›ein Reich‹ werde durch Deine Kriegslust zerstört werden. Warum fragtest Du nicht, welches Reich er meine? Hat er Dir nicht außerdem das Schicksal Deines Sohnes der Wahrheit gemäß vorhergesagt und Dir zugerufen, daß er am Tage des Unheils die Sprache wieder erlangen würde? Und als Du nach dem Falle von Sardes Cyrus um die Gnade batest, in Delphi anfragen zu dürfen, ob die griechischen Götter sich’s zum Gesetze gemacht hätten, ihren Wohlthätern Undank zu erweisen, da hat Dir Loxias geantwortet, er habe das Beste mit Dir vorgehabt, aber über ihm walte, mächtiger als er, das unerbittliche Geschick, welches schon Deinem gewaltigen Ahnherrn211 vorhersagte, daß der Fünfte nach ihm, und der warst Du, dem Verderben erlesen sei!«
»Deine Worte,« unterbrach Krösus den Redner, »wären mir in der Zeit des Unheils nöthiger gewesen als jetzt. Es gab eine Stunde, in der ich Deinen Gott und seine Sprüche verfluchte, dann aber, als ich mit Macht und Reichthum meine Schmeichler verloren hatte und ich mich meine Thaten nach dem eigenen Urtheile zu messen gewöhnte, da erkannte ich wohl, daß nicht Apollo, sondern meine Eitelkeit mich in’s Verderben stürzte. ›Ein Reich‹, das vernichtet werden sollte, konnte ja doch nicht meines, nicht das mächtige Reich des mächtigen Krösus, des Götterfreundes, des bis dahin unbesiegten Feldherrn bedeuten! Würde mich ein Freund auf diese Seite des zweideutigen Spruches hingewiesen haben, ich hätte ihn verlacht, oder vielleicht, ja wahrscheinlich, gestraft. Wie ein Roß den Arzt, der seine Wunde befühlt, um sie zu heilen, zu schlagen versucht, so der Despot den aufrichtigen Freund, der die Schäden seiner kranken Seele berührt. So hab’ ich, was ich leicht hätte sehen können, nicht gesehen. Die Eitelkeit blendet das Auge, das uns zu unbefangener Prüfung der Dinge gegeben ward, und stärkt die Begehrlichkeit des Herzens, welches ohnehin, den Göttern sei Dank, sich jeder Hoffnung auf Gewinn weit öffnet und sich schnell abwehrend schließt, wenn sich ihm die begründete Besorgniß naht, ein Verlust oder Unheil sei im Anzuge. Wie viel öfter bangt mir jetzt, wo ich klar sehe und doch nichts zu verlieren habe, als damals, wo Niemand mehr verlieren konnte wie ich! Im Vergleiche mit früheren Zeiten bin ich arm, Phryxus, doch Kambyses läßt mich als König meine Tage beschließen und ich vermag für euren Bau noch immer ein Talent212 zu steuern.«
Phryxus dankte; Phanes aber sagte: »Die Alkmäoniden werden ein schönes Werk herstellen, denn sie sind ehrgeizig, reich und wollen sich die Gunst der Amphiktyonen erwerben, um, von ihnen unterstützt, den Tyrannen zu stürzen, mein Geschlecht zu überflügeln und sich der Lenkung des Staats zu bemächtigen.«
»Zu dem Reichthume dieser Familie hast Du, Krösus, wie man erzählt, neben der Agariste213, welche dem Megakles große Schätze mitbrachte, das Meiste beigetragen,« sagte Ibykus.
»Freilich, freilich,« lachte Krösus.
»Erzähle den Hergang der Sache!« bat Rhodopis.
»Alkmäon von Athen kam einst an meinen Hof214. Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir so gut, daß ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte sich einen gemeinen Bettler und malte sich ein glückliches Leben aus, wenn er nur einen einzigen Griff in all’ diese Herrlichkeiten thun dürfte. Da gestattete ich ihm, so viel Gold mitzunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun Alkmäon? Er ließ sich hohe lydische Reiterstiefel anziehen, eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken befestigen. Diesen füllte er mit Schätzen, in die Schürze häufte er so viel Gold, als er zu tragen vermochte, die Stiefel überlastete er mit goldenen Münzen, in Haar und Bart ließ er Goldstaub streuen; ja selbst den Mund füllte er mit Gold, so daß seine Backen aussahen. als sei er im Begriff, an einem großen Rettig zu ersticken. In jede Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüssel, und schleppte sich so, unter seiner Last erliegend, zur Schatzkammer hinaus. Vor der Thür derselben brach er zusammen; ich aber habe niemals wieder so herzlich gelacht, als an jenem Tage.«
»Und Du ließest ihm diese Schätze?« fragte Rhodopis.
»Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Erfahrung, daß Gold selbst einen klugen Mann zum Narren mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben.«
»Du warst der freigebigste aller Fürsten!« rief Phanes.
»Und bin jetzt ein leidlich zufriedener Bettler. Doch sage mir, Phryxus, wie viel hat Amasis zu Deiner Sammlung beigetragen?«
»Er gab tausend Centner Alaun215!«
»Das scheint mir ein fürstliches Geschenk zu sein.«
»Und der Thronerbe?«
»Als ich ihn anging und mich auf die Freigebigkeit