Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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hat, so sehr viel ankommt.«

      Man sah, daß der Beamte mit sich selbst kämpfte. Er fühlte gar wohl den Vorwurf, welcher in diesen Worten lag; aber er war zu pflichtgetreu, um sich von einem falschen Zorne übermannen zu lassen, und er gestand in edler Freimüthigkeit:

      »Ich habe ganz dieselben Worte aus dem Munde des phantasirenden Bertram gehört.«

      »Wirklich? Ah, so ist es höchst wahrscheinlich, daß er es ist, der diesen Ruf ausgestoßen hat. Und in diesem Falle muß ich annehmen, daß meine Combination das Richtige getroffen hat.«

      »Es sollte mich herzlich freuen, wenn sich dies bewahrheitete. Diese Nummer Elf der Wasserstraße ist vom Unglück –«

      »Nummer Elf?« fiel der Fürst ein.

      »Ja, Durchlaucht.«

      »Nummer Elf! Wasserstraße Nummer Elf! Robert Bertram Wasserstraße Nummer Elf! Ah! Wo habe ich diese Adresse doch bereits einmal vernommen?«

      Er blickte nachdenklich vor sich nieder und wiederholte diese Worte noch einige Male; dann aber sprang er plötzlich auf. Ueber sein Gesicht leuchtete es wie eine helle Erinnerung. Er wendete sich an den Assessor:

      »Er declamirt in seinen Phantasien das Gedicht von der Nacht des Südens?«

      »Ja, Durchlaucht.«

      »Er spricht das Wort ›Nacht‹ öfters aus?«

      »Ja, und zwar in einem geradezu anbetenden Tone.«

      »Erinnern Sie sich, in welchem Verlage die Gedichte von Hadschi Omanah erschienen sind?«

      »Bei Zimmermann hier.«

      »Ah! Welch' eine Entdeckung! Welch' eine Entdeckung! Herr Assessor, ich setze eine Million Gulden zum Pfande, daß dieser Robert Bertram unschuldig ist, vollständig unschuldig!«

      Diese Worte brachten einen außerordentlichen Eindruck hervor, zumal der Fürst sich ganz von seiner Idee begeistert zeigte. Seine Augen leuchteten auf Fanny in einem räthselhaften Lichte.

      »Ich möchte das gern beweisen können,« sagte der Beamte. »Aber woher den Beweis nehmen?«

      »Die Psychologie liefert den Beweis, die Psychologie, Herr Assessor!«

      »Darf ich fragen, auf welche Weise?«

      »Jetzt nicht, hier nicht, später, morgen! Aber ich bin vollständig überzeugt, Ihnen den Beweis liefern zu können. Lassen Sie mich lieber auf meinen ersten Punkt zurückkommen, auf die Annahme, daß der ›Hauptmann‹ dem Riesen aus dem Gefängnisse geholfen hat. Wer, Herr Assessor, hat die Anzeige gebracht, daß ein Einbruch stattfinden soll?«

      »Ein Kunstmaler Brenner.«

      »Woher wußte er es?«

      »Vom Fürsten des Elendes.«

      »Das ist es, was ich hören wollte. Dieser räthselhafte Fürst des Elendes scheint besser unterrichtet zu sein, als selbst die Beamten. Ich machte heute eine Spazierfahrt. Unterwegs bat mich ein Herr, welcher sich den Fuß vertreten hatte, ihn mit in mein Coupée zu nehmen, und ich that es. Wir unterhielten uns, unter Anderem auch von den Tagesneuigkeiten und von dem Einbruche. Der Fremde behauptete, daß der ›Hauptmann‹ den Riesen befreit habe, nur für kurze Zeit, nur für die Zeit des Einbruches. Der Riese mußte sich ein Maal auf die Wange machen. Fräulein von Hellenbach mußte dieses Maal sehen, sie mußte es später bei der Anzeige erwähnen. Der Einbrecher nannte sich Bormann; er hatte ein Maal. Der echte Bormann hat kein Maal; daraus konnte der Vertheidiger des Riesen bei einiger Geschicklichkeit den Schluß ziehen, daß es einen Menschen gebe, welcher dem Angeklagten täuschend ähnlich sehe. Ja, bei Raffinerie und falls Daten eintrafen, auf welche man gerechnet hatte, die aber durch die Entdeckung des Einbruches vereitelt wurden, konnte wohl gar bewiesen werden, daß der Riese an dem Verbrechen, wegen dessen er sich in Untersuchungshaft befand, unschuldig sei.«

      »Eine kühne Behauptung,« meinte der Assessor.

      »Das dachte ich auch; aber als ich erfuhr, wer es war, der diese Behauptung aufstellte, warf ich allen Zweifel bei Seite.« Nämlich als der Fremde ausstieg, wo ein Seitenweg von der Straße abzweigte, bedankte er sich und sagte:

      »Mein Herr, Sie werden manches meiner Worte wunderbar gefunden haben. Ich bin Der, den man den Fürsten des Elendes nennt!«

      »Der Fürst des Elendes?« rief der Assessor.

      »Der Fürst des Elendes?« fielen die Anderen ein.

      »Ja,« antwortete der Gefragte. »Ich war mit dem Fürsten des Elendes gefahren, und nun glaubte ich Alles, was er behauptet hatte.«

      »Wie sah er aus? Wie trug er sich?« fragte Fanny.

      Der Fürst gab eine beliebige Beschreibung und wendete sich dann an den Assessor:

      »Ich konnte ihm natürlich nicht folgen, auch verzichtete ich darauf, ihn zurück zu rufen, da dies jedenfalls vergeblich gewesen wäre; aber ich glaube annehmen zu dürfen, daß Sie meinem Berichte einen kleinen Fingerzeig entnehmen können.«

      »Gewiß! Ueberhaupt bin ich ebenso erstaunt wie erfreut darüber, daß ich hier Aufklärungen finde, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Der Gang der Untersuchung wird von jetzt an ein ganz anderer werden, wenn auch der Grund bestehen bleibt, welcher mich zu Ihnen geführt hat. Da nämlich der Angeklagte nicht bei sich ist, so hat der Gerichtsrath beschlossen, ihn morgen mit zum Begräbnisse seines Vaters zu ziehen. Er hofft, daß die Feier einen wohlthätigen Eindruck auf den gestörten Geist Bertram's äußern werde.«

      »Hm!« meinte der Fürst. »Bertram soll wieder zu sich kommen? Erwartet man das?«

      »Ja.«

      »Die Möglichkeit ist allerdings vorhanden; aber bedenklich ist es doch, einen geistig gestörten Untersuchungsgefangenen bei einer solchen Gelegenheit zu zeigen.«

      »Man muß es riskiren.«

      »Es wird ein außerordentliches Publikum vorhanden sein!«

      »Das steht freilich zu erwarten; doch sieht der Herr Gerichtsrath darin keinen Grund, seinen Entschluß zu ändern.«

      Der Fürst nickte leise vor sich hin. Er warf einen verstohlen prüfenden Blick auf Fanny und sagte dann:

      »Hm! Vielleicht gäbe es ein einfacheres und untrüglicheres Mittel, den irren Geist wieder recht zu leiten!«

      »Welches?«

      »Sprechen wir auch darüber morgen, Herr Assessor! Ich bin für diesen Fall ganz außerordentlich interessirt und werde Sie, falls Sie es mir gestatten, am Nachmittage zu sprechen suchen.«

      Der Assessor verbeugte sich höflichst und antwortete:

      »Ich stehe natürlich zu Diensten, Durchlaucht. Wenn ich annehmen dürfte, daß der gnädige Herr Oberst sich in eben derselben Weise für Bertram interessirten, so –«

      »Natürlich, natürlich!« fiel der Oberst ein. »In ganz genau derselben Weise! In hohem Grade! Seit Durchlauchts Vertheidigungsrede glaube ich, daß Bertram unschuldig ist!«

      »Das giebt mir Muth, mich meines Auftrages zu entledigen. Es wird sich, wie bereits bemerkt, ein außerordentlich zahlreiches Publikum einfinden. Nicht nur die untern Stände werden vertreten sein, sondern ich bin überzeugt, daß auch höhere Herrschaften aus Theilnahme sich herbeigezogen fühlen werden.«

      »Das läßt sich denken.«

      »Werden der Herr Oberst vielleicht auch –«

      Hellenbach machte ein so erstauntes Gesicht, daß der Assessor unwillkürlich inne hielt.

      »Ich auch?« fragte er. »Wieso ich auch?«

      »Aus Interesse.«

      »Ach so! Hm!«

      »Nebst Frau Gemahlin vielleicht?«

      »Meine Frau auch? Wohl nicht!«

      »Oder


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