Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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      »Und Du hast ihn gelassen fort?«

      »Was soll ich machen? Er kam heraus und riß zurück den Riegel und machte auf die Thür, ohne daß ich sagen konnte ein Wort, oder ihn fassen bei der Hand.«

      »Nun ist auch fort der Stein!« wehklagte Salomon.

      »Was für ein Stein?«

      »Ein Demantstein.«

      »Gott Jakob's! Ein Demantstein! War er groß und schön?«

      »Er war werth eine halbe Million, und ich habe geboten dreißigtausend. Ich hätte ihn bekommen für sechzig- oder achtzigtausend! Rebeccchen, warum hast Du lassen fortgehen den Mann?«

      Während diese Beiden nun jammerten und klagten, kehrte die Baronin nach ihrer Wohnung zurück. Sie brauchte das Geld nicht zur Noth und sah sich also nicht gezwungen, den Stein zu verschleudern. Sie konnte warten bis später.

      Der Fürst hatte auf der anderen Straßenseite an einer dunklen Thür gestanden. Er begriff die Baronin vollständig. Sie wußte, daß er heute bestohlen werden solle, und hatte die Steine für sich genommen, um hinter dem Rücken ihres Mannes auch Besitz zu haben. Der Diamantendiebstahl mußte natürlich den Einbrechern zugeschoben werden.

      Da sah er, daß die Baronin wieder aus dem Hause trat und sich eilig entfernte. Er mußte wissen, wo der Stein blieb, ob sie nach Hause ging oder einen anderen Hehler aufsuchte. Er folgte ihr also bis zum Pförtchen, hinter dem sie verschwand. Dann suchte er Anton auf, der noch immer auf seinem Posten stand.

      »Ist Jemand passirt?« fragte er.

      »Niemand.«

      »Der Baron also noch nicht zurückgekehrt?«

      »Nein.«

      »Man sollte wissen, wo er sich befindet!«

      »O, das weiß ich genau, Durchlaucht!«

      »Wirklich?«

      »Ja, ich weiß es von der Zofe, die es vom Kammerdiener erfahren hat. Er ist in sein Casino und hat zurückgelassen, daß er wohl sehr spät wiederkommen werde.«

      Dies hatte der Baron, der sonst nie sagte, wohin er gehe, mit Absicht gethan. Er setzte sich den Fall, daß er ein Alibi zu beweisen haben werde. Dann war es gut, wenn seine Leute als Zeugen zu seinem Gunsten auszusagen vermochten.

      »Kennst Du das casino?« fragte der Fürst.

      »Sehr gut.«

      »Ich würde hingehen, aber ich bin zu Hause unentbehrlich. Hier ist nichts zu erreichen. Begieb Dich also nach dem Casino. Du gehst in das allgemeine Gastzimmer und wirst wohl scharfsinnig genug sein, zu erfahren, wann der Baron fortgeht.«

      »Soll ich ihm folgen?«

      »Nein. Er könnte das bemerken. Ich hätte nur Schaden davon. Auf alle Fälle aber mußt Du halb drei Uhr daheim sein. Man weiß nicht, wie Du mir nothwendig werden kannst.«

      Anton ging, und der Fürst kehrte nun in die Wasserstraße zurück, um zu erfahren, ob der Diamant dort verkauft worden sei. Er klopfte an die Thür, und Rebecca öffnete halb.

      »Wer ist da?« fragte sie.

      Er hatte keine Lust, hier auf der Straße eine lange Vorverhandlung anzuknüpfen; darum stieß er die Thür auf, so daß die Alte zurück und gegen die Mauer flog.

      »Herr Sabaot!« schrie sie auf. »Salomonleben, komm heraus, zu retten Dein Weib Rebecca aus den Händen dieses Sohnes der Hethiter und Jebusiter.«

      »Schweig, dummes Weib!« herrschte sie der Fürst an. »Ich thue Dir nichts; aber es kann mir gar nicht einfallen, mich da draußen von Dir verhören zu lassen!«

      Da wurde die Thür zur Stube geöffnet; Salomon streckte die Nase vor und fragte:

      »Was ist's, Rebeccchen? Warum hast Du geschrien?«

      »Dieser Mann ist hereingekommen, ohne zu warten, bis ich es ihm erlaube, und hat mich geworfen gegen die Mauer, daß mir gesprungen ist das Feuer aus den Augen, gerade als ob ich wäre der Zunder und die Mauer der Feuerstein!«

      Der Jude hatte den Fürsten noch gar nicht bemerkt. Jetzt trat er weiter heraus, betrachtete ihn und fragte dann:

      »Herr, warum werfen Sie mein Weib an die Wand?«

      »Nur nicht grob, Jude, sonst fliegst Du auch daran! Kommt einmal herein mit einander!«

      Er schob die Beiden in die Stube. Sie blickten ihn ganz erschrocken an. Er aber betrachtete sie sich lächelnd und sagte dann:

      »Ich komme, um mich nach Etwas zu erkundigen, und ich hoffe, daß Ihr mir die Wahrheit sagt.«

      »Salomon Levi sagt niemals eine Lüge, Herr! Und Rebecca, sein Weib, ist die Wahrheit selbst, die Wahrheit personificirt, so daß sie könnt werden gemalt auf die Leinwand als junge Göttin der Wahrheit und gehängt an die Wände, eingerahmt in Gold und mit einer Glastafel für einen Gulden.«

      »Werden sehen, ob es stimmt! Habt Ihr vor Kurzem Besuch gehabt, Salomon Levi?«

      »Besuch? Ja, den haben wir vor Kurzem gehabt.«

      »Wer war es?«

      »Der Herr Rabbiner Ben Johaba, welcher ist bei uns geblieben fast eine ganze Woche lang.«

      »So meint ich es nicht. Ich spreche von heute Abend. Wer war die letzte Person, welche bei Euch war?«

      »Das war Fräulein Sarah Rubinenstein, welche ist die letzte und einzige Freundin meiner Tochter Judithleben.«

      »Wann ging sie fort?«

      »Sie ist gegangen, als die Glocke schlug die zehnte Stunde.«

      »Später war Niemand da?«

      »Kein Mensch.«

      »Jude, Du lügst!«

      »Rebecca, Weib, sage, ob ich lüge!«

      »Herr, er hat die reine Wahrheit gesprochen!« betheuerte sie.

      »Du lügst ebenso, Alte! Du kannst allerdings an die Wand gehängt werden, aber ohne Glas und Rahmen, einfach mit einem Strick an den Nagel und zwar als Göttin der Lüge!«

      Das war dem alten Salomon denn doch zuviel. Er stellte sich in Positur, stemmte die Hände in die Seiten und rief:

      »Herr! Wissen Sie, daß ich habe das Recht meines Hauses!«

      »Ihr Hausrecht meinen Sie, Verehrtester? Ja!«

      »Und daß ich kann Sie werfen hinaus?«

      »Ja, bitte, versuchen wir es!«

      »Nein, ich werde nicht eher legen meine Hand an Sie, als bis ich Sie habe aufgefordert drei Mal, sofort zu verlassen, meine Wohnung. Gehen Sie dann noch nicht, so werde ich nicht nur legen eine Hand an Sie, sondern alle beide Hände!«

      »Schön! Also beginnen wir!«

      »Verlassen Sie mein Haus!«

      »Das ist einmal!«

      »Verlassen Sie mein Haus augenblicklich!«

      »Zweimal!«

      »Verlassen Sie sofort mein Haus!«

      »Dreimal!«

      »Sie gehen nicht?«

      »Nein.«

      »So werde ich legen meine Hand an Sie und Sie werfen hinaus auf die Straße, wo da ist der Schnee am Tiefsten und das Eis am Kältesten!«

      »Thun Sie es! Ich warte darauf, Werthester!«

      Salomon blickte seine Frau an und sie ihn; beide waren wortlos. Der gute Hehler und Handelsmann war niemals ein Held gewesen. Jetzt fühlte er sogar Furcht.

      »Ich werde Sie verklagen wegen Friedensbruch des Hauses!« drohte er, indem er sich ein fürchterliches Aussehen zu geben versuchte.


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