Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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wohin er geht, wenn er den Apotheker verläßt.«

      »Ich werde ihm folgen.«

      »Ich auch. Und da mehrere Augen hier besser sind als nur zwei oder vier, so soll auch Anton mitgehen. Ich werde ihn instruiren. Der Hauptmann erwartet Dich jedenfalls im Keller. Das giebt vielleicht eine Gelegenheit, ihn zu belauschen.«

      »Wohl schwerlich, gnädiger Herr!«

      »O doch! Der Apotheker wird sich sofort zu ihm in den Keller begeben. Beide unterhalten sich. Du sagst, daß Du nicht sogleich kommen kannst, gehst aber dennoch sofort. Sie fühlen sich sicher, und Du horchst.«

      »Hm! Möglich ist das allerdings. Es kommt darauf an, wie man es anfängt.«

      »Nun, ich bin überzeugt, daß Du nicht ungeschickt sein wirst!«

      »Hoffentlich nicht!«

      »So laß den Alten nicht länger warten. Ich komme nach und postire mich mit Anton so, daß wir das Haus im Auge haben, ohne selbst bemerkt zu werden.«

      Adolf kehrte also nach dem Dienerzimmer zurück.

      »Sapperlot!« sagte er. »Der gnädige Herr war fuchsteufelswild, daß ich schon so früh ausgehen will. Er hat mir zwar doch noch die Erlaubniß gegeben; aber eine halbe Stunde kann vergehen, ehe ich komme. Ich muß erst das Frühstück serviren. Hoffentlich wird es mit unserem Jettchen nicht so schnell schlimmer werden!«

      Der Apotheker entfernte sich, sehr froh, sich seines Auftrages so glanzvoll entledigt zu haben. Zu Hause angekommen, instruirte er die Tochter und stieg dann in den Keller hinab, dessen Thür er nicht verschloß. Er zog sich mit dem Hauptmanne in die bekannte hintere Abtheilung zurück, wohin sie auch das Licht mitnahmen.

      Kaum war das geschehen, so kam Adolf die Gasse herab. Er fand die Hausthür, wie so oft, verschlossen, und klopfte an das Fenster. Die »schöne« Jette sah ihn durch die Scheiben und kam heraus, um ihm selbst zu öffnen.

      »Alle guten Geister!« sagte er, ein großes, freudiges Erstaunen heuchelnd. »Ich denke, Du bist krank!«

      »O nein! Das war nur ein Scherz.«

      »Nun, was giebt es denn sonst so Nothwendiges?«

      »Es ist ein Herr da, der mit Dir sprechen will.«

      »Ein Fremder?«

      »Nein, sondern derselbe, welcher gestern mit unten im Keller war.«

      »Ach so! Ist er auch jetzt unten?«

      »Ja.«

      »Der Vater mit?«

      »Der ist bei ihm. Aber Vater sagte, daß Du erst später kommen könntest!«

      »Ich habe mich davon geschlichen, weil ich Angst um Dich hatte. Ein Kamerad verrichtet unterdessen meine Arbeit. Wie gut, daß Du nicht wirklich krank bist! Aber ich will den Herrn nicht warten lassen.«

      »Ich werde Dich führen!«

      »Danke! Es giebt vielleicht etwas zu besprechen, was nur für uns Männer ist. Wenn Ihr uns nicht stört, so werde ich nachher einige Maaß zum Besten geben.«

      Das wirkte. Sie drückte ihm die Hand und verschwand hinter der Stubenthür. Nun schlich er sich leise die Kellertreppe hinab und lauschte, als er unten angekommen war. In der vorderen Abtheilung war es dunkel, aber weiter hinten war es, als ob er sprechen höre.

      Er kannte den Keller sehr genau und war also sicher, kein Geräusch zu verursachen. Er schritt auf den Fußspitzen weiter bis an die Thür, hinter welcher sich die Beiden befanden. Als er das Ohr an dieselbe legte, konnte er verstehen, was hinter ihr gesprochen wurde.

      »Also, Du hast nicht gehört, daß heute Nacht irgend etwas Ungewöhnliches in der Palaststraße passirt ist?« fragte der Hauptmann.

      Er schien die Eigenthümlichkeit zu haben, seine Leute einmal Du und das andere Mal Sie zu nennen.

      »Nein, gar nicht« antwortete der Alte.

      »So wurde mir falsch berichtet.«

      »Ist meine Tinctur bereits an den Mann gekommen?«

      »Ja; kurz nachdem ich sie geholt habe. Du garantirst natürlich, daß sie wirken wird!«

      »Mit meinem Leben!«

      »Und mit der Bezahlung bist Du zufrieden?«

      »Ja, Herr.«

      »Ich denke, daß Du für dasselbe Geld gern wieder so etwas zusammenbrauen würdest?«

      »Warum nicht? Ein jeder Mann sucht das, was er gelernt hat, möglichst zu verwerthen. Brauchen Sie mehr von dieser Sorte?«

      »Von derselben Sorte nicht. Dieses Mittel macht nur zeitweilig irrsinnig. Das genügt mir heute nicht mehr.«

      »Also für immer?«

      »Ja. Giebt es so etwas?«

      »Ja. Unsereiner versteht sich auf dergleichen. Nur fragt es sich, ob man nicht etwa Gefahr dabei läuft.«

      »Mensch!«

      »Gut, gut, Herr! Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ist's für einen Mann oder für ein Frauenzimmer?«

      »Mußt Du das wissen?«

      »Natürlich!«

      »Für eine Frau.«

      »Und welcher Art soll der Wahnsinn sein?«

      »Es soll alles Phantasiren vermieden werden.«

      »Ich verstehe! Beim Phantasiren werden Dinge ausgeplaudert, welche besser unausgesprochen bleiben. Wie wäre es mit einer künstlichen Apathie?«

      »Unempfindlichkeit? Kann die hervorgebracht werden?«

      »Warum nicht?«

      »Wird aber in diesem Falle nicht genügen.«

      »Also stärker: Lethargie?«

      »Was Lethargie ist, weiß ich natürlich; aber was verstehst denn Du darunter?«

      »Geistige Erschlaffung, welche in eine hochgradige Schlafsucht übergeht, welche endlich zum Todesschlafe führt.«

      »Wie lange dauert es, bis der Letztere eintritt?«

      »Je nach der Stärke des Mittels.«

      »Ist die Erschlaffung, also die Anfangswirkung des Mittels so, daß der Kranke noch zusammenhängend denkt und spricht?«

      »Das kann man nach Belieben einrichten.«

      »So ist mir dieses Mittel recht. Es giebt eine Person, welche binnen dreimal vierundzwanzig Stunden nicht mehr denken soll.«

      »Das ist nicht schwer zu bewerkstelligen. Diese Person wird in einen beinahe ununterbrochenen Schlaf verfallen.«

      »Aber in den Zwischenräumen, wenn sie wach ist – –?«

      »Da wird sie dumpf vor sich hinbrüten, ohne ein Wort über die Lippen zu bringen.«

      »So wird der Tod dann eine Erlösung für sie sein.«

      »Natürlich!«

      »Nur fragt es sich, ob die Ärzte im Stande sind, zu vermuthen, daß der Kranke ein solches Mittel empfangen hat.«

      »Keineswegs. Man wird im Gegentheile annehmen, daß ein Blutaustritt in's Gehirn stattgefunden hat. Die Frau hat einen Schlag auf den Kopf erhalten, ist gestürzt, oder es ist ihr etwas auf den Kopf gefallen. Man hat hier Alles so bequem wie möglich.«

      »Und wann tritt der Tod ein?«

      »Auch das geht einzurichten. Doch ist zu rathen, diesen Zeitpunkt so weit wie möglich hinauszuschieben, da sonst das Mittel in der Leiche nachgewiesen werden kann.«

      »Wie weit ungefähr?«

      »Fünf bis sechs Monate. Der Körper wird während dieser Zeit fast gar nicht


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