Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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ihr und bete sie an da, wo ich sie nur immer finde. Komm, Du prächtiges Kind! Ich will Dir zeigen, wie ich Dich bewundere und anbete.«

      Er ließ sich auf einen Sessel nieder, zog sie auf seinen Schooß, legte die Arme fest um sie und küßte sie, ohne daß sie sich Mühe gab, ihm einen ernsten Widerstand zu leisten. Er war wie berauscht von dem Anblicke so vieler Reize; sie aber duldete seine feurigen Umarmungen mehr aus Berechnung als aus einem anderen Grunde.

      »Nicht so ungestüm, Herr Baron! Solche Liebkosungen darf ich nur von Dem entgegennehmen, welcher einst mein Mann sein wird.«

      »Dein Mann? O, das wäre herrlich! Ich wollte, daß Du mein Weibchen sein könntest. Dann könnten wir Liebe schlürfen und trinken, ohne befürchten zu müssen, überrascht zu werden.«

      »Das ist wahr,« antwortete sie, indem sie eine Bewegung machte, von ihm loszukommen. »Das gnädige Fräulein kann aller Augenblicke zurückkehren. Bitte, lassen Sie mich!«

      »Nicht so schnell! Ich muß mir vorher erst ein Dutzend Küsse nehmen!«

      »So machen Sie schnell,« antwortete sie, indem sie ihm den Mund entgegenhielt.

      »O, das genügt noch nicht! Ich will zu den Küssen auch noch das Versprechen, Dich heute Abend ungestört wiedersehen zu dürfen.«

      »Das ist unbescheiden, Herr Baron.«

      »Die Liebe ist niemals bescheiden! Wäre sie es, so wäre sie ja keine Liebe zu nennen. Also bitte, bitte, liebe Ella!«

      Er zog ihr Gesicht zu sich heran, bohrte seinen flammenden Blick tief in ihre Augen, küßte sie glühend viele, viele Male und sah sie dann erwartungsvoll an.

      Sie that, als ob sie dieser Zärtlichkeit nachgeben müsse.

      »Wo?« fragte sie.

      »Im Garten.«

      »Und wann?«

      »Wenn Alles zur Ruhe ist! Das wird ungefähr um Mitternacht sein. Wirst Du kommen, mein liebes, reizendes Mädchen?«

      Sie schüttelte zögernd den Kopf und antwortete:

      »Ich möchte wohl, denn mein Herz treibt mich dazu; aber –«

      »Dein Herz treibt Dich dazu?« fiel er ihr schnell in die Rede. »Ist das wahr? Du liebst mich also, Ella?«

      Es gelang ihr, wie in mädchenhafter Scham zu erröthen. Dann antwortete sie, die Hand unter einem tiefen Seufzer an ihr Herz legend:

      »Fast glaube ich es, Herr Baron. Und das ist schlimm, denn diese Liebe wird ja auf alle Fälle eine unglückliche sein.«

      Da drückte er sie mit aller Kraft, so daß ihr fast der Athem verging, an sich und sagte:

      »Sie wird ganz im Gegentheile eine sehr glückliche sein. Die Liebe ist da, um genossen zu werden, und wer sie genießt, dem bringt sie Glück. Wirst Du kommen, mein Leben?«

      »Ich will versuchen, ob ich es kann.«

      »Das genügt nicht. Ich brauche ein festes Wort: Ja oder Nein?«

      »Nun gut, ja.«

      Sie erhob sich von seinem Schooße. Auch er stand von dem Sessel auf, richtete noch einen verzehrenden Blick auf sie und fragte:

      »Du läßt mich aber nicht vergebens warten? Wo ist die Cousine?«

      »Nach dem Tannensteine.«

      »Ganz allein?«

      »Ja.«

      »Welche Unvorsichtigkeit! Jetzt, wo die Pascher und Wilderer hier in so verwegener Weise ihr Wesen treiben, sollte eine Dame selbst am hellen Tage sich nicht nach einem so abgelegenen Orte wagen.«

      Sie warf den Mund auf und bemerkte:

      »Herr Baron scheinen sehr besorgt um das gnädige Fräulein zu sein!«

      »Pah!« antwortete er nachlässig. »Sie ist ja meine Cousine! Oder meinst Du etwa gar, daß ich verliebt in sie bin?«

      »Das wohl weniger; aber eine gute Parthie ist sie jedenfalls, und der Herr Baron verstehen ja, zu berechnen.«

      Er fühlte sich betroffen. Es war nun heute bereits das zweite Mal, daß sie ein Verständniß für seine innersten Gedanken und Pläne zeigte.

      »Du irrst!« sagte er. »Hier hast Du Dich verrechnet!«

      »Desto besser für Sie, gnädiger Herr!«

      »Wieso?«

      »Weil Sie niemals auf Erhörung rechnen können. Das gnädige Fräulein liebt bereits, und zwar mit großer Innigkeit.«

      »Ah! Wen?«

      »Diesen da.«

      Sie zeigte auf das noch immer offen liegende Album. Der Baron warf einen Blick auf das Bild und sagte im Tone unangenehmster Ueberraschung:

      »Brandt? Ihn liebt sie?«

      »Ja. Sie küßt sogar seine Briefe.«

      »Alle Teufel! Das sollte ihr Vater wissen!«

      »Jetzt würde der wohl nur darüber lächeln. Er hat seine Vorkehrungen sehr gut getroffen. Die Baronesse ist verlobt.«

      Bei diesem Worte wich der Baron zurück, als ob er ein unheimliches Wunder vor sich erblickt hätte.

      »Verlobt?« rief er aus.

      »Ja. Ich war Zeuge der Verhandlung.«

      »Mit wem denn?«

      »Mit dem Hauptmanne von Hellenbach.«

      Da wurde der Baron leichenblaß. Man hörte seine Zähne knirschend auf einander treffen, und dann stieß er hervor:

      »Dieser! Der! Der Hellenbach! Ah! Der mag sich sehr in Acht nehmen.«

      »Ja, es ist nicht um die Baronesse, sondern um die Baronie zu thun!«

      Sie sagte das, als ob es sich um etwas ganz und gar Gewöhnliches und Unverfängliches handele, und doch sah er ihr ganz erschrocken in das Gesicht.

      »Wie meinst Du das?« fragte er. »Was willst Du damit sagen?«

      »O nichts, als daß Sie gerade jetzt recht Unangenehmes erfahren. Erst die Geburt dieses kleinen Stammhalters und nun die Verlobung Ihrer Cousine mit diesem Hellenbach, der übrigens noch heute hier eintreffen wird.«

      Ueber diese letztere Bemerkung vergaß er ganz den ersten Theil ihrer Rede.

      »Donnerwetter! Heute noch?« rief er.

      »Der gnädige Herr sagte es zum Fräulein.«

      »Hole der Teufel diesen verdammten Hellenbach! Doch, fort mit ihm! Also Du kommst heute um Mitternacht in den Garten?«

      »Gewiß, gnädiger Herr.«

      »So lebe wohl bis dahin!«

      Er umarmte und küßte sie; dann entfernte er sich. Eben als er draußen an der Freitreppe vorüber wollte, kam ein Herr dieselbe heraufgestiegen. Dieser war älter als Helfenstein. Er ging in einfachem Civil, doch war ihm der Offizier leicht anzusehen. Dieser neue Ankömmling blieb, als er den Baron erblickte, stehen. Sein Gesicht war eisig kalt, und nur in seinem Auge flackerte es eigenthümlich auf, als er fragte:

      »Franz von Helfenstein? Ah! Was thun Sie hier?«

      Der Cousin des Schloßbesitzers konnte nicht verbergen, daß er sich verlegen fühlte.

      »Vergessen Sie vielleicht, Herr Hauptmann, daß ich hier bei Verwandten bin?« antwortete er.

      »Nein, das vergesse ich nicht. Aber, haben Sie denn keine Ahnung davon, daß ich eingeladen bin?«

      »Nein.«

      »Gut! So lassen Sie uns sofort unser Arrangement treffen. Sie ahnen wohl, an welche Angelegenheit ich jetzt denke?«

      »Ich glaube,


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