Döner für zwei. Susann Teoman

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Döner für zwei - Susann Teoman


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riesigen Pfannen mit delikaten Soßen und Döner und Fleischbergen, so weit das Auge reicht. Fleischstückchen braten hier täglich auf langen Metallspießen, mit Pistazien und Auberginen, mit Tomaten und Zwiebeln oder in einer deftigen Knoblauchsoße.

      Das »Mevlana«, das bekannteste türkische Dönerund Kebaprestaurant der Stadt, liegt in der Weidengasse, dem türkischen Viertel von Köln, in dem jeder Türkisch spricht, weil das hier nun mal so ist, wobei es gleichgültig ist, ob es sich beispielsweise um Frau Müller von der Bäckerei Kamps um die Ecke handelt oder um Hasan Özak, den hiesigen Metzger.

      Alle, auch nicht-türkische Anwohner und Angestellte, sprechen hier Türkisch und sind demzufolge auch voll in die türkische Kommune integriert. Frau Müller kann ebenso gut beim Metzger um Fleisch feilschen wie meine Mutter, die darin wirklich nicht zu übertreffen ist. Und Gina und Giovanni vom italienischen Feinkostladen zwei Geschäfte weiter können auf Türkisch in unserem Restaurant Essen bestellen und sogar über das Wetter plaudern. Wir sind eine kleine, glückliche, außerordentlich temperamentvolle und bunte Gemeinschaft.

      Obwohl es schon spät ist, wir haben schon acht Uhr, ist es draußen noch immer heiß und hell. Ein warmer Sommernachtswind fegt durch die Straßen im Bereich der Weidengasse, als ich mich auf mein Fahrrad schwinge und nach Lindenthal fahre, wo Tanja wohnt.

      Ich genieße den Duft nach Blumen und frisch gemähtem Gras, der sich mit Autoabgasen und heißem Asphalt vermischt, mit dem Geruch von Fast-Food-Büdchen und den frischen Sommerparfums der Passanten, die lachend Arm in Arm spazieren gehen, und hier und da strömt mir das herbe Aroma der Biergärten entgegen, an denen ich vorbeifahre. So riecht nur ein Sommer in Köln.

      Ich steige ab und schiebe mein Rad in die Einfahrt, in der ein Jeep und ein Austin Mini stehen. Die Autos gehören Tanja und ihrer Mutter. Herr Dr. Miezke, Tanjas Vater, arbeitet in der Uniklinik und kommt selten vor zehn Uhr abends nach Hause.

      Ich klingele. Tanjas Mutter öffnet mir. Sie trägt eine Laufhose und ein passendes Top. »Hallo Aleyna! Tanja hängt oben in ihrem Zimmer rum, geh einfach hoch«, begrüßt sie mich.

      »Aleyna? Bin ooooooben!«, ertönt es fast zeitgleich, während Tanjas Mutter mir freundlich zuzwinkert, sich die Hörer ihres iPods in die Ohren steckt und davontrabt.

      Ich steige die alten Holztreppen der Villa hinauf. Tanjas Eltern lieben es klassisch. Alte Schwarz-Weiß-Fotos vergangener Generationen zieren die Treppenwand, Urgroßmütter und -tanten, Cousins und Cousinen ersten, zweiten und dritten Grades, Kinder und Kindeskinder entfernter Verwandten. Ich bezweifle, dass selbst Tanja alle ihre Familienmitglieder kennt, zumal sie sie doch nur auf Bildern gesehen hat.

      Wir Türken sind da anders. Ich kenne alle acht Geschwister meiner Mutter, ihre Neffen und Nichten und deren Kinder mit Namen. Und auch die Familie meines Vaters kenne ich in- und auswendig. So ist das eben bei uns. Aber ich habe mir schon oft gewünscht, es wäre alles anders, nicht so kompliziert.

      »Wo bleibst du denn, du lahme Ente?«, ruft Tanja.

      »Ja ja, ich bin ja schon da!« Ich öffne die Tür zu Tanjas Zimmer und reiße erschrocken meinen Mund auf. Tanja hängt mit dem Kopf nach unten von der Decke herab.

      Ironisch verschränke ich meine Arme vor der Brust. »Gratuliere!«, rufe ich herzlich.

      Tanja sieht mich fragend an.

      »Sieht ganz so aus, als wüsstest du endlich, was du nach dem Abi tun willst! Du strebst eine Karriere als Fledermaus an!«

      Tanja schnaubt empört. »Das ist gut für meinen Teint. Habe gelesen, dass eine ordentliche Gesichtdurchblutung gegen Pickel hilft. Deshalb probiere ich das jetzt einfach mal für ein paar Wochen aus.«

      »Aha. Na ja, Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Oh, hier, bevor ichʼs vergesse, meine Eltern haben euch Helva geschickt.« Ich setze die volle Schüssel auf ihrem Schreibtisch ab.

      »Klasse!« Tanja vollführt einen halben Salto und landet sicher auf den Füßen, bevor sie sich wie ein neugieriges Hündchen der türkischen Süßigkeit nähert, die Zellophanfolie abnimmt und genüsslich daran schnuppert.

      »Ich lieeeeebe dieses Zeugs!«, sagt sie entzückt, schnappt sich den Löffel, der aus einem halb leer gegessenen Joghurtbecher herausragt, leckt ihn gleichmütig ab und beginnt, das Helva zu verspeisen. »Weschen Todeschtag ischt denn?«, fragt sie schmatzend.

      »Helva macht man nicht nur, wenn jemand gestorben ist. Heute ist Miharc Kandili, die Nacht, in der alle Gebete erhört und alle Sünden vergeben werden«, erkläre ich wichtigtuerisch.

      »Ach, Maus, du klugscheißerst ja wieder mal mächtig herum!« Tanja, die sich mit der Schüssel auf ihr Bett gesetzt hat, steht auf und zerwuschelt mir mit einer Hand lachend die Haare.

      Tanja ist so ziemlich das genaue Gegenteil von mir. Sie ist eine typische Deutsche, groß, sehr schlank und athletisch, mit langen blonden Haaren und großen blauen Kulleraugen, wohingegen ich klein und zart bin, mit großen, immer ein wenig erschrocken dreinblickenden Augen, die mehr grün als braun sind und deren Farbton man im Türkischen als »Ela« bezeichnet. Ich habe kinnlange, dunkelbraune Locken und finde eher selten Schuhe in der Erwachsenenabteilung, was ich natürlich nie zugeben würde. Meine übergroßen Augen und meine zierliche Figur finden viele irgendwie süß oder ich wecke den Beschützerinstinkt in den Menschen, was in der Schule wirklich vorteilhaft ist, da viele Lehrer mich aufgrund meines interessierten Blickes besser benoten als andere. In der Grundschule hat mich unsere Klassenlehrerin immer »Mäuschen« genannt, ein Spitzname, den ich eher ärgerlich fand und mit dem mich Tanja noch immer gerne aufzieht.

      »Wie immer musst du die Streberin raushängen lassen. Du kannst es einfach nicht lassen, oder?«, neckt sie mich.

      Verärgert plumpse ich auf die Bettkante. »Ich kann doch nichts dafür, wenn ich gute Noten bekomme. Ich kann mir Dinge eben gut merken, das ist alles. Das weißt du doch selbst«, verteidige ich mich verdrossen.

      »Ja ja, schon gut! Aber trotzdem kann ich manchmal der Versuchung nicht widerstehen, dich ein bisschen zu ärgern!« Sie stupst mich lachend an und lässt sich neben mich fallen.

      Ich lange nach einem Brocken Helva und schließe die Augen, während ich darauf herumkaue. »Ich will doch nur Anwältin werden. Ist denn das zu viel verlangt?«

      »Gott hilft denen, die sich selber helfen!«, belehrt Tanja mich ihrerseits.

      »Mir kann aber niemand helfen.« Missmutig schlucke ich das Helva herunter.

      »Außer dir selbst.«

      »Unsinn! Du weißt doch genau, dass meine Eltern mir nicht erlauben zu studieren!« Verärgert stehe ich auf und trete ans Fenster.

      »Dann studierst du eben ohne ihre Erlaubnis.« Tanja streckt sich faul auf ihrem Bett aus.

      »Aber das Jurastudium erfordert viel Zeit, Zeit, die ich mit Lernen verbringen müsste und nicht mit Arbeiten. Außerdem würde mir das Geld fehlen. Meine Eltern müssten mich selbst dann noch finanziell unterstützen, wenn ich in meiner Freizeit arbeite, erst recht, wenn ich außerhalb von Köln, hoffentlich in Heidelberg, studiere.«

      »Was du nur immer mit Heidelberg hast!«, wundert sie sich.

      »Ich weiß auch nicht. Als Kind war ich mal mit meinen Eltern dort, irgendeine Freundin meiner Mutter hat da gewohnt, und ich weiß noch ganz genau, dass ich dort und nirgendwo anders leben wollte. So eine kleine und doch lebendige Stadt, voll von jungen Menschen, überall sind Studenten, auf den Straßen, in den Cafés und selbst die Führer oben im Schloss waren fast alle Studenten.« Ich blicke verträumt in die Ferne. »Da will ich hin!«

      Tanja schmunzelt. »Jedem das Seine, wennʼs dich glücklich macht, dann studierst du eben in Heidelberg, obwohl ich noch immer hoffe, dass du es dir wieder anders überlegst und dich für Köln oder Bonn entscheidest. Ich kann mir ein Leben ohne dich überhaupt nicht vorstellen.«

      »Ich werde dich auch vermissen, aber das ist doch alles nur Träumerei. Wie gesagt, wenn meine Eltern mich nicht unterstützen, dann bleibt es auch beim Träumen.«

      »Aleyna,


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