Döner für zwei. Susann Teoman

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Döner für zwei - Susann Teoman


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      »Das habe ich dir doch eben erzählt. Ich habe ihn mit meinem Fahrrad gerammt und da wollte er mich auf ein Bier einladen und ...«

      »Eeeecht?« Tanjas Wut ist im Nu verraucht.

      »Ja, aber ich habe gesagt ...«

      »Du bist die Erste, von der ich höre, dass er sie eingeladen hat«, stellt sie überrascht fest.

      »Was denn, ist er geizig oder so?«

      »Nein, genau genommen ist er nett und großzügig, nach allem, was man so hört. Aber er hat eigentlich keine Freundin oder geht mit einem Mädchen aus. Außer Anni natürlich.«

      Ich runzele angestrengt die Stirn. »Anni, die Cheerleaderin?« Oh ja, die kenne ich, wie wohl jeder. Wenn man hüftlanges, weizenblondes Haar, grüne Katzenaugen und Beine bis an die Zähne hat, dann fällt man eben auf.

      Tanja nickt bestätigend. »Anni ist total verschossen in ihn und er geht ab und zu mit ihr aus. Bin mir allerdings nicht sicher, ob sie zusammen sind.«

      »Warum nicht?«, erkundige ich mich neugierig.

      »Weil er manchmal einen etwas genervten Eindruck macht, wenn sie um ihn herumhoppelt. Aber ist ja auch egal. Jedenfalls kannst du dich wirklich geehrt fühlen.«

      »Quatsch! Erstens hat er mich angefahren und wollte bloß sichergehen, dass ich ihm keine Anzeige wegen Körperverletzung anhänge, allein aus diesem Grund wollte er mich einladen. Und zweitens habe ich es dir schon einmal gesagt: Lukas interessiert mich nicht und damit basta!«

      Ich kann nicht schlafen.

      Ich liege auf Tanjas geräumiger Schlafcouch und höre, wie sie sich gegenüber in ihrem Bett herumdreht. Die hatʼs gut! Sie muss sich keine Gedanken um einen Kerl machen, der sie überhaupt nicht interessiert. Sie hat ja ihren Jonas. Den netten Jonas, mit dem sie schon seit drei Jahren zusammen ist.

      Die beiden sind zusammengekommen, als unsere Jahrgangsstufe eine Studienfahrt in die Bretagne unternommen hat. Warum solche Klassenfahrten »Studienfahrt« heißen, weiß ich bis heute nicht. Im Grunde haben wir nicht viel mehr getan, als die Nächte durchzumachen und heimlich Cidre zu trinken, den wir nach den Surf- oder Kanustunden in den kleinen Läden des bretonischen Küstenörtchens von den Paukern unbemerkt gekauft haben. Nach zwei schlaflosen Nächten ist es dann passiert. Jonas hat Tanja buchstäblich das Leben gerettet. Tanja hat eine Windböe zu ihren Gunsten ausgenutzt und ist auf ihrem Surfbrett weit hinausgetrieben. Da drehte sich mit einem Mal der Wind und die übernächtigte Tanja konnte nicht schnell genug reagieren. Sie fiel vom Brett und tauchte nicht wieder auf.

      Jonas, der ein hervorragender Schwimmer ist, ist sofort ins Wasser gehechtet und in einem Rekordtempo zu ihr geschwommen. Er hat Tanja aus dem Wasser gefischt. Tanja kann natürlich schwimmen, aber das große Segel des Surf brettes war ihr auf den Kopf geknallt und sie war bewusstlos, als Jonas sie aus dem Wasser gezogen hat. So haben sie sich ineinander verguckt.

      Die beiden sind wie zwei Seiten einer Münze, sie sind grundverschieden, Tanja ist spontan und flippig, Jonas ausgeglichen und ruhig und man kann sich den einen ohne den anderen nicht vorstellen, so sehr gehören sie in meinen Augen zueinander.

      In meinem Kopf spukt indes dieser blöde Typ herum, Lukas. Seine Augen, seine Haare, sein Lachen. Herrliche Zähne hat er übrigens. Blödmann! Warum war er nur so nett? Wollte sicher wieder nur einen weiteren Fan hinzugewinnen, Männer sind so! Je mehr, desto besser! Ich meine, das kenne ich doch bereits, das habe ich alles schon durchgekaut. Pah! Ich werde jedenfalls nicht wieder auf ein hübsches Gesicht reinfallen. Nein, diesmal nicht! Ich brauche solche Dinge nicht! Im Grunde sind Gefühle nur Karrierebremsen, habe ich recht? Guckt euch mal uns Frauen an: Wir alle haben Ziele, die wir verwirklichen wollen. Kommt aber Mr. Right vorbei, sind wir auch dem nicht abgeneigt. Und was passiert? Entweder wir vergucken uns und der Typ entpuppt sich als Vollidiot, wie bei mir. In diesem Fall sind wir im weiteren Vorankommen gelähmt, wir fühlen uns mies und verlieren zumindest vorübergehend das Ziel aus den Augen, was dazu führt, dass es auf unserem Weg zur Zielgeraden nur schleppend weitergeht. Oder Mr. Right ist DER Volltreffer. Wir heiraten, werden glücklich, bekommen ein Baby oder auch mehrere. Und? Was ist mit dem Ziel? Ja, ja, da gab es einmal etwas, fällt uns nach zwanzig Jahren auf, stimmt ja, ich wollte auch mal arbeiten, mich selbstständig machen oder mir eine Karriere aufbauen. Aber das kann man sich nach so langer Zeit in den allermeisten Fällen abschminken. Null Vorankommen zum Ziel.

      Da geht es mir im Grunde ausgezeichnet. Ich habe mein Ziel, Staranwältin zu werden und die schwachen und unterdrückten Frauen dieser Welt zu befreien, fest im Visier. Und niemand kann mich davon abbringen oder mich auf meinem Weg dorthin bremsen.

      Es ist seltsam, aber mit diesen Gedanken kann ich leichter einschlafen.

      »Wach auf, du Schlafmütze!«

      »Hä?«

      Tanja steht aufgeregt vor meinem Bett. Sieht ganz so aus, als müsse sie mal Pipi, so, wie sie da herumzappelt.

      »Was is ʼn los?« Bevor ich Kaffee getrunken habe, ist mit mir absolut nichts anzufangen.

      »Gestern Nacht habe ich mir darüber das Hirn zermartert, wie wir einen lukrativen Nebenverdienst für dich ausgraben können, damit du Startkapital fürs Studium hast. Und als ich heute früh aufgewacht bin, hatte ich die zündende Idee!«

      »Was?« Ich bin soooo müde!

      »Ich bin darauf gekommen, als ich an Lukas dachte.«

      »Lukas?« Mit einem Schlag bin ich hellwach.

      »Hm. Sieht so aus, als würde er das Abi nicht schaffen, weißt du. Und Leute wie ihn gibt es doch haufenweise! Maggie beispielsweise hat nur zwei Punkte in Mathe bekommen, obwohl sie für die Klausur fünf Stunden gepaukt hat, Thomas aus der Elften hat eine Sechs in Chemie und Annette eine Fünf in Erdkunde. Berthe, die Freundin meiner kleinen Schwester Tamara, hat sich neulich bei ihr ausgeheult, weil sie wegen Geschichte und Deutsch sitzenzubleiben droht. Und es gibt noch mehr solcher Schüler!«

      »Mehr was?« Ich habe Kopfschmerzen. Wir hatten leider mehr als nur ein Kölsch gestern. »Glaubst du, es gibt unten schon Kaffee?«, krächze ich schwach.

      »Jetzt hör mir doch mal zu! Ich habe einen tollen Job für dich gefunden!« Tanja hüpft noch immer wie ein aufgescheuchtes Wildschwein um mein Bett herum.

      »Was denn?«

      »Mensch, so früh morgens biste echt schwer von Begriff. Du gibst Nachhilfe, Dummchen!«

      »Nachhilfe?« Ich setze mich in meinem Bett auf und strecke mich ausgiebig. »Das geht nicht. Mein Vater würde das nie erlauben, weil auch Jungs unter meinen Nachhilfeschülern sein könnten.«

      »Na und? Dann sagst du es ihnen eben nicht!« Tanjas Augen glänzen vor Eifer.

      »Hm.« Eigentlich ist das mit der Nachhilfe gar keine so üble Idee. Wirklich. »Das könnte hinhauen. Aber jetzt will ich zuerst einen Kaffee.«

      Beim Frühstück plappert Tanja aufgeregt auf mich ein und mit zunehmendem Kaffeekonsum begeistert sie mich schließlich immer mehr. »Bei wem fangen wir an?«, fragt sie.

      »Hm?« Ich halte mitten in der Kaubewegung inne.

      »Na, wen wollen wir als deinen ersten Nachhilfeschüler rekrutieren?«

      »Ich hatte bisher noch gar keine Gelegenheit, darüber nachzudenken. Aber warum mache ich nicht einfach einen Aushang ans Schwarze Brett und gebe den Lehrern Bescheid?«

      »Gute Idee! Und ich frage Berthe, die sucht händeringend nach Hilfe beim Lernen, das weiß ich.«

      »Gut, sehen wir uns Montag in der Schule?«

      »Du gehst schon?« Tanja zieht einen Schmollmund.

      »Ich muss. Heute ist Samstag, da beginnt meine Schicht schon um zwölf. Huch, ich sollte mich beeilen, sonst komme ich noch zu spät und mit dem nächsten Kölsch ist es dann Essig.«

      Ich springe auf, greife nach meiner Tasche und umarme Tanja.


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