Döner für zwei. Susann Teoman

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Döner für zwei - Susann Teoman


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      Ich stöhne. Das Gastronomiegewerbe ist nichts für mich. Nicht, dass ich je dem Irrtum verfallen wäre zu glauben, es sei anders. Seit sechs Stunden plage ich mich bei einer Rekordhitze hier herum. Meine Haare hängen in Strähnen herunter, meine Bluse ist durchgeschwitzt, meine Beine sind geschwollen und ich spüre, wie sich ein heftiger Muskelkater in den Armen bemerkbar macht.

      »Aleyna!«, erschallt noch mal Babas Stimme.

      »Bin ja schon unterwegs«, murmele ich verdrossen.

      »Was du hast wieder gemacht mit die ...«

      Ich kann mir schon denken, was er sagen will. »Mit dem Rotwein?«

      »Du sie hast wieder in die Kühlzelle gestellt, ja?«

      »Baba, hier ist es viel zu heiß, wir haben mindestens dreißig Grad und die Gäste wollen keinen Glühwein trinken. Deshalb habe ich ihn in die Kühlzelle gestellt, damit er wieder ein wenig abkühlt. Ich hätte ihn schon noch wieder rausgestellt, keine Sorge!«

      »Du verderben die Geschmack von die Rotwein! Rote Wein man genießt bei Zimmertemperatur und er muss vorher ATMEN! Du nie werden lernen!«

      Ich knirsche mit den Zähnen. Einer der Kellner stürmt herein und wirft mich beinahe zu Boden.

      »Pass gefälligst auf, wo du hintrittst, du Blödmann!« Ich drohe ihm mit der Faust.

      »Heee, ist ja schon gut, war keine Absicht.«

      »Du nix so meckern mit die Kellner. Wie oft ich dir schon gesagt habe, dass wir alle eine große Familie sind?«

      Ich schüttle den Kopf. Ich kann nicht mehr. Ich bin todmüde und wütend.

      »Du nix mehr fummeln an die Wein, verstanden?«, fährt Baba in seinem Monolog fort.

      Ich knüpfe meine Schürze auf und feure sie ihm vor die Füße.

      »Was du tust da?« Baba wedelt mit meiner fleckigen Schürze vor meiner Nase herum, als hätte ich sie ins Klo und nicht auf den Boden fallen lassen.

      »Mir reichtʼs! Andauernd meckerst du mich an, immer mache ich etwas falsch, egal, wie sehr ich mich bemühe, es ist nie richtig! Mich hat keiner von euch gefragt, ob ich diesen Scheißladen überhaupt möchte, ihr zwingt mich einfach, hier zu ackern, und was ich will, ist euch völlig gleich!«

      »Aleyna ...« Babas Stimme klingt verletzt.

      »Nein, nichts mehr mit Aleyna! Ich kann nicht mehr. Ich gehe!«

      »Aleyna!«, ruft er mir noch einmal hinterher, aber ich stürme blind vor Tränen drauflos. Ohne so recht zu wissen wohin, hetze ich durch die Weidengasse. Der italienische Feinkostladen, das Blumengeschäft, der Drogeriemarkt, alles fliegt an mir vorbei. Ich bestehe nur noch aus rennenden Beinen und einem galoppierenden Puls. Weiter, über die Hauptstraße, zum Glück leuchtet die Ampel gerade grün, durch die Menschenmenge hindurch, die dem Dom entgegenpilgert.

      Atemlos halte ich mitten in einer Gruppe Japaner inne, die mit neuesten Apparaten Bilder knipsen. Eine noch immer heiße Sommerbrise streift über mein tränennasses Gesicht. Ich stehe inmitten einer Menschenmenge unmittelbar vor dem Kölner Dom.

      »Achtung, aus dem Weg!«

      Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und sehe nur eine verschwommene Gestalt, die auf mich zurast, dann wird mir schwarz vor Augen.

      Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist harter, kalter Granit, weil ich nämlich der Länge nach darauf liege.

      Eine warme Hand tätschelt meine Wange.

      »Hallo! Alles klar?«

      Benommen richte ich mich auf.

      »Du schon wieder!« Ärger stobt in mir auf wie eine Staubwolke. »Wenn du mich umbringen willst, gibt es dafür auch sanftere Methoden, du musst mich weder überfahren noch sonst irgendwie gewalttätig werden!«, herrsche ich den besorgt aussehenden Lukas an.

      »Oh, Gott sei Dank, es geht dir gut!«, ruft er erleichtert und drückt meinen Kopf gegen seine Brust. Sie ist heiß und sein Herz hämmert kräftig und laut gegen mein Ohr. Er riecht fantastisch. Nach Staub und »One« von Calvin Klein, nach Eiscreme und Waschpulver.

      Benommen löse ich mich von ihm. »Lass mich in Ruhe!«, wehre ich ihn schroff ab.

      »Sag mal, was habe ich dir eigentlich getan?«, fragt er verletzt.

      »Du meinst, außer mein Rad zu rammen und mich mit deinem Skateboard umzufahren, noch dazu vor einer Kirche?«

      »Aleyna, das ist die Domplatte. Sieh dich doch mal um!« Er weist mit dem Finger auf mehrere Grüppchen von Skatern. »Hier fährt jeder mit seinem Board entlang, der weiß, was gut ist. Kennst dich in Köln wohl nicht so gut aus, was?«

      »Ich LEBE in der Innenstadt, damit das klar ist!«, fauche ich ihn an.

      »Dann solltest du eigentlich Bescheid wissen.«

      »Und du solltest wissen, dass man nicht gegen Passanten knallt, die ... die ...«

      »Heulend und unvorsichtig vor dem Dom herumtapsen?«, hilft er mir freundlich weiter.

      »Nein, nicht heulend. Ich habe nicht ...«

      »Deine Augen sind aber ganz nass.«

      »Das ... ist die Hitze.«

      »Du transpirierst aus den Augen? Wenn das mal nicht interessant ist. Warum besprechen wir das nicht im Eiscafé da drüben?«

      »Nein, mit dir habe ich GAR NICHTS zu besprechen. Und das ist mein letztes Wort!«

      Ohne ihn weiter zu beachten, stolziere ich an ihm vorbei. Ich will nur noch nach Hause, duschen, mir eine Schnulze im Fernsehen ansehen und dann ins Bett gehen.

      Am nächsten Morgen sitzen Anne, Baba und ich grimmig um den Frühstückstisch herum. Anne beobachtet Baba und mich, wie wir beide uns über den Rand unserer Teller hinweg anfunkeln.

      »Ihr seid Sturköpfe, alle beide, jawohl! Aman Allah!Mein Gott, womit habe ich euch nur verdient?« Mit einer theatralischen Geste zur Zimmerdecke fährt sie in ihrem Monolog fort. »Wir sind eine Familie, wenn es einmal Streit gibt, dann muss man sich danach auch versöhnen, verstanden?«

      Baba räuspert sich, sagt aber nichts. Er widmet sich seiner Zeitung, während ich mir noch einen Kaffee nachschenke, betont genüsslich in mein Brot beiße und ebenfalls schweige.

      »Ich werde nicht tatenlos hier herumsitzen und mir euer Schweigen anhören. Du!« Anne piekst mir mit dem Zeigefinger schmerzvoll in die Brust. »Du warst gestern unverschämt und respektlos und hast deinen Vater mit deinen Worten sehr verletzt! Was er tut, tut er nur für dein Glück, verstanden?«

      Ich setze zu einer Verteidigungsrede an, aber sie gebietet mir zu schweigen. »Und du! Du Stiernacken! Immer gegen die Wand mit deinem Kopf, was? Du musst auch mal die Klappe halten und zu deinem eigenen Fleisch und Blut freundlich sein, verstanden? Du bist netter zu den Kellnern als zu deiner Tochter!«

      Baba holt tief Luft, aber noch bevor einer von uns etwas sagen kann, brüllt Anne: »Genug! Frieden!«

      Baba und ich senken betreten die Köpfe.

      »Gut. Nun küsst euch und alles ist vergessen.«

      Baba und ich mustern einander misstrauisch.

      »Also gut.« Ich stehe auf. »Es tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe und einfach abgehauen bin.«

      Baba erhebt sich auch. Seine Miene ist noch immer grimmig. »Ich werde versuchen, freundlicher sein zu dir.«

      »Küssen!«, wiederholt Anne streng. In Situationen wie dieser wird mir immer wieder klar, wer bei uns die Hosen anhat. Baba grinst plötzlich und öffnet die Arme. »Komm her, inci tanem, meine kleine Perle!«

      So ist das eben bei uns. Wir sind temperamentvolle Leute, wir streiten laut,


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