Eine Frau von dreißig Jahren. Marie Louise Fischer

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Eine Frau von dreißig Jahren - Marie Louise Fischer


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schön. Um wieviel Uhr?« unterbrach Verena sie.

      »Komm am besten gleich nach Büroschluß, dann sparst du dir den Umweg.«

      »Gut.«

      »Übrigens will ich gleich versuchen, ob ich auch Ellen erwischen kann.«

      »Ellen? Wie geht’s denn der?«

      »Seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«

      »Ob sie immer noch ihren Hans Ludwig hat?«

      »Danach können wir sie ja morgen ausquetschen.«

      »Hoffentlich!«

      »Also dann … bis morgen abend! Halt mir Däumchen wegen Ellen! Und schönen Gruß an Ina!«

      »Grüß … Georg von mir! Und ich habe mich wirklich sehr gefreut, daß du mal angerufen hast!«

      Der Kaffee war kalt geworden, aber Verena merkte es nicht. Georg, dachte sie, diese dumme Geschichte! Werde ich denn nie und nimmer da herauskommen?

      Sie leerte ihr Likörglas mit einem Schluck. – Ob Brigitte etwas gemerkt hatte? Ob sie ahnte, daß zwischen ihr und Georg einmal etwas gewesen war? Aber das war doch ganz und gar unmöglich. Wie sollte sie darauf kommen? Es sei denn, Georg hätte ihr etwas erzählt. Ehemänner waren manchmal indiskret, das wußte Verena. Ehemänner, ja, aber doch nicht Georg. Georg sah es gar nicht ähnlich, so etwas zu erzählen. Wozu auch?

      Jedenfalls brauche ich Brigitte gegenüber kein schlechtes Gewissen zu haben, dachte Verena, ob sie es nun weiß oder nicht. Ich habe ja Brigitte damals noch nicht gekannt … Nein, falsch, ich habe nicht gewußt, daß Brigitte hier lebt, daß ausgerechnet Georg ihr Mann ist. Ich habe überhaupt nicht gewußt, daß er verheiratet ist. Wenn ich nur das geringste geahnt hätte, wäre es niemals passiert.

      Verena zündete sich eine Zigarette an. Merkwürdig, dachte sie, und dabei waren doch alle meine Freunde, als ich sie kennenlernte, in mehr oder weniger festen Händen. Welcher Mann ist heutzutage denn nicht in irgendeiner Form gebunden? Aber das hat mir gar nichts ausgemacht. Bei Brigitte und Ina ist das etwas anderes, auch bei Ellen. Sie sind meine Freundinnen, und Freundinnen betrügt man nicht. Es gibt vieles, über das man sich hinwegsetzen kann, aber darüber nicht. Niemals werde ich versuchen, Brigitte ihren Mann wegzunehmen, niemals! Oder rede ich mir das nur ein, weil ich weiß, daß ich im Wettstreit mit Brigitte immer die Unterlegene bleiben werde?

      Das war vor drei Jahren gewesen, als sie mit Ina zusammengezogen war. Das war der Grund gewesen, warum sie sich ein eigenes Heim aufzubauen versucht hatte, und es war ihr gelungen. Ina war damals gerade von Kurt mit der Leihbücherei abgefunden worden.

      Verena überdachte ihr Leben, und sie war damit zufrieden. Sie hatte mit Georg Schluß gemacht und Schluß mit der Liebe. Sie hatte ihren Beruf, der sie ausfüllte, sie hatte ihr gemütliches Heim und Inas Freundschaft. Das war viel, das war genug, das mußte genug sein …

      Man muß rechtzeitig verzichten können, dachte Verena, ich habe es zum richtigen Zeitpunkt getan!

      Sie drückte ihre Zigarette aus, stand auf und holte sich ein Manuskript aus der Mappe. Sie nahm von sich selbst, ihren persönlichen Sorgen und Wünschen Abstand und richtete alle ihre Gedanken nur auf die Arbeit.

      Unermüdlich tickte die Uhr, aber sie hörte es nicht.

      Verena lag schon im Bett, mit wachen Augen, die Arme unter dem Kopf verschränkt, als sie die Wohnungstür ins Schloß fallen und Ina nach Hause kommen hörte. Sie knipste die Nachttischlampe an.

      »Hallo, Ina«, rief sie und blickte der Freundin entgegen, »wie spät ist es denn?«

      »Noch früh«, sagte Ina, ließ sich auf das andere Bett fallen und schleuderte die Pumps von ihren Füßen. »Verena, war das ein schöner Abend!«

      »Ja?« sagte Verena und tastete nach ihren Zigaretten auf dem Nachttisch.

      »Mir auch eine«, bat Ina, »ich verschmachte fast. Weißt du, Heinrich sagt, er hat es nicht gern, wenn Frauen rauchen!«

      Verena warf ihr eine Zigarette zu und lachte. »Bist du deshalb so früh nach Hause gekommen?«

      »Ach, Blödsinn! Übrigens raucht er selbst nicht.« Sie fing Verenas Feuerzeug auf. »Er ist schrecklich nett und anständig und solide. Ich dachte, so was gibt es heutzutage gar nicht mehr.«

      »Gratuliere … dann paßt ihr ja ausgezeichnet zusammen!«

      »Tun wir auch, daß du es nur weißt!« rief Ina empört. »Natürlich passen wir großartig zusammen! Du siehst mich einfach falsch … alle sehen mich falsch! Du kannst doch nicht sagen, es ist meine Schuld, daß die Sache mit Kurt schiefgelaufen ist … und mit Helmuth … und mit Fritz! Ich bin von Natur aus schrecklich solide und treu, das ist alles. Nur bin ich immer an die falschen Männer geraten. Das war mein Unglück!«

      »Reg dich doch nicht auf, Ina. Ich hab’s ja gar nicht so gemeint!«

      »Das weiß ich schon, aber ich selbst … Sag mal, haben wir eigentlich noch etwas Trinkbares im Haus?«

      »Antialkoholiker ist er also auch? Schau mal ins Wohnzimmer rüber. Da steht irgendwo eine Flasche Klosterlikör, den habe ich heute mitgebracht.«

      »Heute? Ach, natürlich, du hast dein Gehalt bekommen! Und ich hab’ das total vergessen … so was Blödes! Kannst du mir noch einmal verzeihen, Verena?«

      »Ausnahmsweise! Verliebte Leute sind nun mal nicht zurechnungsfähig.«

      »Ich bin nicht verliebt, Verena. Ich muß dir das erklären, ich …«

      »Hol‘ erst mal was zu trinken. Mir, bitte, auch … Gin mit Soda. Es muß noch ein Schluck dasein.«

      Ina erhob sich widerwillig und angelte nach ihren Pantoffeln. Verena hörte sie eine Weile draußen hantieren, dann kam sie mit einem Tablett zurück und stellte ein Glas Gin mit Soda auf Verenas Nachttisch. »Da, schau her, was ich dir mitgebracht habe!« sagte sie stolz und legte eine knisternde Tüte dazu.

      »Kartoffelchips! Du bist ein Engel!« rief Verena erfreut und riß die Tüte auf. »Dein Heinrich scheint ja keine Kosten zu scheuen.«

      »Geizig ist er nicht, das steht fest. Wir waren im ›Madrid‹, und du weißt, dort haben sie gesalzene Preise.«

      Ina schenkte sich ein Glas Likör ein, trank es aus, füllte nach und begann sich zu entkleiden.

      »Er hält auch nichts von Gleichberechtigung … er sagt, die Männer sind dazu da, um die Frauen zu beschützen und für sie zu sorgen. Das ist ein Naturgesetz, sagt er, und deshalb ist die ganze Gleichberechtigung Blödsinn.«

      »Er hat wohl nicht ganz richtig verstanden, um was es dabei geht«, sagte Verena, den Mund voller Chips.

      »Also, weißt du, so klug wie du ist er schon lange!«

      »Aber wie kann er dann …«

      »Verena, bitte, rede mir doch nicht immer dazwischen! Das mit der Gleichberechtigung ist doch gar nicht so wichtig! Laß mich erst mal alles richtig erzählen!«

      »Nur zu!«

      »Also, er hat natürlich ein Auto. Er sagt, daß er schon hin und wieder ein Glas Wein trinkt. Aber nicht, wenn er mit dem Auto unterwegs ist. Er sagt, so was wäre sträflicher Leichtsinn! Und da hat er doch recht, nicht wahr? Wenn ich denke, in was für einem Zustand Kurt oft am Steuer saß!«

      »Hör mal, Ina, schweife nicht ab! Das Thema Kurt sollten wir inzwischen erschöpfend behandelt haben. Wo hast du diesen Heinrich übrigens aufgetan?«

      »Im Geschäft. Im übrigen nenne ich ihn natürlich gar nicht Heinrich, wir sind noch streng per Sie. Gnädiges Fäulein, sagt er, ist das nicht süß? Und ich: Herr Eckert! Nicht mal zum Abschied hat er versucht mich zu küssen!«

      »Trag es mit Fassung!«

      »Rede doch nicht so dumm! Als wenn ich auf so was aus wäre! Ganz im Gegenteil, gerade das gefällt mir ja so gut an


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