Eine Frau von dreißig Jahren. Marie Louise Fischer

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Eine Frau von dreißig Jahren - Marie Louise Fischer


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du? Ich kann dir das nicht richtig erklären, aber …«

      »Wie sieht er denn aus?«

      »Ach, eigentlich gar nicht besonders, ganz normal. Blonde Haare, schon ein bißchen schütter, eine Brille, und wenn er lächelt, hat er zwei kleine Grübchen, stell dir vor!«

      »Und auf die Grübchen bist du sofort reingefallen, was?«

      »Verena! Wirklich, man kann sich mit dir nicht unterhalten!«

      Ina stand jetzt splitternackt da, das schlaffe Fleisch ihres molligen, kleinen Körpers zitterte förmlich vor Empörung, ihre braunen, runden Augen füllten sich mit Tränen.

      Verena empfand Scham und Mitleid. »Verzeih mir, Inalein«, sagte sie, »ich meine es doch nicht so, das ist nur meine dumme Art. An die solltest du dich mittlerweile gewöhnt haben!«

      »Ein Scheusal bist du!« erklärte Ina überzeugt, aber sie lächelte schon wieder. Sie schlüpfte in ihr zartgrünes Nachthemd und begann vor dem Schlafzimmerspiegel ihre Gesichtshaut mit Toilettenwasser zu bearbeiten. Das gefüllte Likörglas hatte sie sich in erreichbare Nähe gestellt.

      »Was hat dir also von Anfang an so gut an ihm gefallen?« forschte Verena.

      »Daß er so anders ist! Ich kann dir das nicht erklären, aber du wirst ihn ja kennenlernen. Er ist wirklich ganz anders als andere Männer.«

      »Na schön«, sagte Verena, »also weiter! Er hat sich ein Buch geliehen, ja?«

      »Öfters … alle paar Tage. Und dabei sind wir natürlich ins Gespräch gekommen. Weißt du, er gehört nicht zu den Leuten, die Wildwestromane lesen, oder Kriminalromane – einfach so – der Reihe nach herunter. Im Gegenteil, er ist sehr wählerisch, er hat sozusagen einen literarischen Geschmack …«

      »Du lieber Himmel!«

      »Nichts vom lieben Himmel! Er versteht was von Literatur! Und da hat es mir natürlich Spaß gemacht, ihn ein bißchen zu beraten. Dabei hat sich herausgestellt, daß wir in jeder Beziehung genau denselben Geschmack haben, ganz komisch … was Literatur betrifft, heißt das natürlich. Privat haben wir kaum ein Wort miteinander gewechselt … bis heute!«

      »Und heute hat er dich dann eingeladen?«

      »Ja. Aber es war gar nicht so einfach, bis ich ihn soweit hatte, er ist nämlich schrecklich schüchtern. Heute abend hat er mir gesagt, daß er sich gar nicht hätte vorstellen können, daß eine Frau wie ich mit ihm ausgehen würde. Stell dir so was vor!«

      »Wirklich?« fragte Verena vorsichtig und nahm einen Schluck Gin.

      »Direkt glücklich war er! Natürlich immer noch schüchtern. Aber trotzdem, man merkte es ihm an … also ich meine, es muß ihm doch etwas an mir gefallen …«

      »Ja, warum auch nicht?«

      Ina hatte ihr Gesicht mit Fettcreme eingerieben und starrte versonnen und augenscheinlich ohne etwas wahrzunehmen ihr Spiegelbild an. »Einmal, heute abend, da hat er meine Hand genommen. Ganz unwillkürlich. Und als er es gemerkt hat, hat er seine ganz rasch zurückgezogen … und er hat mich angesehen, so verlegen, als wenn er erwarten würde, ich wäre böse!«

      »Komm ins Bett, Ina«, mahnte Verena sachte, »du weißt, wir müssen morgen früh raus!«

      Ina schloß einen Augenblick die Lider, dann stand sie auf, knipste das Licht über dem Spiegel aus, ergriff das Likörglas und schlüpfte ins Bett. »Ich glaube, ich kann heute nacht kein Auge zutun«, behauptete sie.

      »Trottel!«

      »Wirklich, Verena, du weißt nicht, wie das ist!« Verena löschte ihre Nachttischlampe und rollte sich auf die Seite. »Und worüber habt ihr sonst noch gesprochen – außer über die Gleichberechtigung?«

      »Über alles mögliche, über Bücher und so. Worüber man eben so redet!«

      »Und kein Wort über Liebe?«

      »Nein!«

      »Hat er denn wenigstens was von sich erzählt?«

      »Auch nicht, ich …« Ina stockte.

      »Was?«

      »Ach, Verena, warum ist alles so verwickelt?«

      »Aber, Ina, was ist denn los? Es ist doch gar nichts verwickelt! Oder ist er verheiratet?«

      »Nein, nein …«

      »Hat er dir das gesagt?«

      »Das weiß ich doch!«

      »Woher?«

      »Weil … er holt doch immer nur Bücher für sich selbst. Und eine Frau Eckert habe ich noch nie bei mir gesehen und …«

      »Vielleicht liest sie nicht«

      »Aber er hätte mir das bestimmt erzählt!«

      »Hoffentlich.«

      »Ganz bestimmt. So wie du denkst, ist er nicht. Er ist ganz anders! Und das macht die Sache für mich so schwer.«

      »Was hat er denn für einen Beruf? Das müßtest du doch wenigstens wissen.«

      »Weiß ich auch! Er ist Vertreter bei einer Schraubenfabrik …«

      »Aha!«

      »Aber nicht so, wie du dir einen Vertreter vorstellst! Gar nicht leichtlebig oder so.«

      »Davon habe ich doch kein Wort gesagt.«

      »Aber gedacht hast du’s!«

      »Unsinn! Nun sag mir bloß … Wenn er nicht verheiratet ist, sehe ich nicht ein, was die Sache dann für dich so kompliziert machen könnte.«

      »Ach, Verena, denk doch mal nach! Schließlich bin ich ja keine achtzehn mehr!«

      »Du kannst doch nicht erwarten, daß du mit jeder Liebe wieder achtzehn Jahre jung wirst!«

      »Natürlich nicht, nur … ich glaube, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht …«

      Verena wartete schweigend ab.

      »… aber er war so interessiert, und ich dachte, er muß es doch schließlich wissen. Er muß sich doch denken können, daß eine Frau von achtundzwanzig Jahren … also …«

      »Von wem redest du denn jetzt?« unterbrach Verena sie. »Welche Frau von achtundzwanzig?«

      »Verena, bitte, sei nicht so! Mach’s mir nicht noch schwerer! Natürlich habe ich nicht zugegeben, wie alt ich wirklich bin. Wozu denn auch? Schließlich sehe ich noch nicht aus wie dreiunddreißig. Kein Mensch würde mich für so alt halten, ganz ausgeschlossen. Und deshalb habe ich ihm gesagt …«

      »Gut, daß ich das weiß. Könnte ja sein, daß ich ihn auch mal kennenlerne. So was muß man doch wissen.«

      »Willst du mich jetzt ausreden lassen, oder?«

      »Ich lausche.«

      »Es war wahrscheinlich dumm von mir, ich könnte mich ohrfeigen … Ich habe ihm von Kurt erzählt!«

      »Alles?«

      »So ungefähr. Daß er mir versprochen hatte, mich zu heiraten und daß ich ihm geglaubt habe …«

      »Auch, daß er schon verheiratet war?«

      »Ja, natürlich! Aber er wollte sich doch scheiden lassen. Er hat es mir immer gesagt, wieder und wieder. Bloß, dann ging es ja nicht mehr.«

      »Weil seine Frau wieder ein Kind erwartete! Hast du das auch erzählt!?«

      »Ich habe ihm gesagt, daß nachher eben doch nichts draus geworden ist und daß er mir die Leihbücherei geschenkt hat zum Abschied. Findest du das so schlimm?«

      »Inalein! Auf meine Meinung kommt es doch nicht an! Was hat er dazu gesagt?«

      »Das ist es ja! Er hat nicht viel gesagt. Gar nichts


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