Hagakure. Jocho Yamamoto
Читать онлайн книгу.damit sie auch späteren Generationen überliefert würden; und wenn man den jungen Männern bei der Übergabe des Hauses dieses Buch überreichte, würden sie es hoffentlich durchsehen und sich die alten Zeiten in Erinnerung rufen.«
So beliebte er sich auszudrücken, umgab sich in seinen letzten Lebensjahren mit Büchern und brachte seine Gedanken so zu Papier.
Die geheimen Überlieferungen des Hauses sind mir unbekannt, aber nach einer Erzählung alter Veteranen geruhte unser ehrenwerter Fürst hochselbst zur Zeit der Titelübergabe an seinen Nachfolger eine Militärstrategie des sicheren Triumphs namens Kachikuchi84 in mündlicher Form zu übermitteln. Weiterhin befinden sich solche Werke wie das Shichōkaku chishō und Senkō san’iki85 unter den Büchern seines Besitzes, die er auch so gnädig war, bei der Übergabe des Klan-Vorstands seinem Nachfolger zu überreichen.
Darüber hinaus hielt er die Strafregeln innerhalb des Klans, die vielen verschiedenen Organisationsstrukturen innerhalb der Domäne, die Dienstpflichten gegenüber dem bakufu86 sowie die politischen Angelegenheiten des Klans vollständig im Tori-no-ko Gochō87 fest und führte detailliert die Statuten für die einzelnen Ämter in Denkschriften aus. Diesen Mühen ist es zu verdanken, dass der Klan über viele Jahre hinweg gedieh, was im höchsten Maße zu beglückwünschen ist.
Wenn es mir auch nicht zusteht, das zu sagen, so möchte ich unserem gegenwärtigen Fürsten doch sehr ans Herz legen, über die Mühseligkeiten seiner ehrenwerten Vorfahren Nippō und Taisei’in nachzudenken und zumindest die ihm anvertrauten Bücher sorgfältig zu studieren und sie fest in seinem Herzen88 zu bewahren. Weil ihn die Gefolgsleute des Klans seit seiner Geburt als »junger Fürst, junger Fürst« verhätschelten, musste er sich nie Mühe geben, kennt sich mit der Landeskunde nicht aus, ist ausgesprochen eigensinnig und macht nur das, was er will. Darunter beliebt seine Arbeit als Landesfürst zu leiden, und weil es in den letzten Jahren auch viele neuzeitliche Exzentrizitäten gibt, hat auch die Klan-Politik angefangen, an Kraft zu verlieren.89
Zu solchen Zeiten treten pfiffige Leutchen in Erscheinung, die von dem tiefgründigen Sinn der Welt keine Ahnung haben, aber trotzdem mit ihrem seichten Wissen angeben, Männer, die sich immer neue Sachen ausdenken und dadurch beim Fürsten Anklang finden, die sich wichtig machen und tun und lassen, was sie wollen, und dadurch alles ins Chaos stürzen. Um ein paar Beispiele anzuführen: Die Zwietracht unter den drei Zweigfamilien, die das Fürstenhaus unterstützen; die Einführung des neuen Rangs chakuza in der Klan-Hierarchie; die Indienststellung von »Ausländern«, d. h. Männern aus anderen Domänen; die Ernennung des Rangs der teakiyari zu monogashira, also zu Truppführern von Fußsoldaten, und die daraus folgende Störung und Unordnung der Hierarchie sowie der militärischen Struktur; der Umzug in ein neues fürstliches Anwesen; die Einsetzung eines karō, eines Klan-Ältesten, aus den Rängen der shinrui dōkaku;90 der Abbruch des konfuzianischen Tempels Kōyōken; die Revision der Klan-Statuten; die Rangeinteilung der buddhistischen Tempel; die Errichtung der westlichen Fürstenvilla und ihr späterer Abbruch; die Umstrukturierung der ashigaru-Truppen91; die Veräußerung des fürstlichen Hausrats; usw., usw. Dabei handelt es sich bei allem um Fehler, die man zur Übergabe des Fürstentitels beging, nur weil man etwas Neumodisches verfolgte. Nur deshalb, weil die Verfahren und Prozeduren der fürstlichen Vorfahren solide und zuverlässig sind, kommt die Basis der Domäne kein bisschen in Aufruhr, so dass es, auch dann, wenn die Politik ein wenig fehlgeleitet ist, im Klan zu keinen Störungen und alles zuverlässig zur Ruhe kommt, solange Hoch und Niedrig nur den Weisungen der ehrenwerten Fürsten Nippō und Taisei’in folgen.
Davon einmal abgesehen: Die Tatsache, dass es unter den Generationen unserer ehrenwerten Fürsten keinen Herrn gab, von dem gesagt wird, dass er gewalttätig oder töricht war, und dass es auch nicht einen gab, der selbst im Vergleich zu allen Fürsten Japans weiter als an zweiter oder dritter Stelle hintanstehen würde, zeigt, dass es sich um ein wirklich vortreffliches Haus handelt. Und das ist ohne Zweifel der tiefen Frömmigkeit der ehrenwerten fürstlichen Vorfahren zu verdanken. Auch kommt es nicht vor, dass Bewohner dieses Landes in andere Herrschaftsgebiete vertrieben werden,92 und es kommt nur selten vor, dass Leute aus anderen Domänen in Dienst gestellt werden. Und sowohl den Kriegern, denen der Befehl gegeben wurde, ihren Dienst zu quittieren und rōnin zu werden, als sogar auch den Kindern und Kindeskindern der Krieger, denen befohlen wurde, seppuku zu begehen, ist es gnädigerweise gestattet, in unserer Domäne wohnen zu bleiben. Und gerade eben dieses glückliche Schicksal, das uns so unverhofft in einem solch gnädigen Haus von derart tiefem Treuebündnis hat zur Welt kommen lassen, und das Ausmaß, wie tief wir alle, von den Gefolgsleuten bis zu den Bauern und Bürgern, über viele Generationen hinweg für all die fürstlichen Segnungen und Wohltaten in dessen Schuld stehen, lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Über diese Umstände gut nachzudenken und seinen Entschluss zu festigen, diese Gnade unbedingt zu vergelten; und, wenn man in unmittelbarem Dienst zum Fürsten steht, sich natürlich vollkommen uneigennützig seinem Dienst zu widmen; oder, wenn man den Befehl erhalten hat, rōnin zu werden bzw. seppuku zu begehen, das auch als einen Dienst am Fürsten zu betrachten; wenn man versteckt irgendwo tief in den Bergen wohnt, oder selbst, nachdem man schon gestorben ist, fortwährend den Wunsch nach dem Frieden des Hauses im Herzen zu bewahren: gerade das ist das ursprüngliche Anliegen eines Nabeshima-Samurai und das Mark seiner Knochen.
Mir, Jōchō, als buddhistischem Mönch mag es nicht anstehen, das zu sagen, aber ich hatte nie das Verlangen, als Buddha in den ewigen Frieden einzugehen, sondern habe mir in die Tiefen meines Herzens die Entschlossenheit eingraviert, bis zu sieben Mal als Nabeshima-Samurai wiedergeboren zu werden und dem Land Frieden zu bringen.
Man braucht weder Genie noch Talent. Um es in einem Wort auszudrücken, reicht die feste Entschlossenheit völlig aus, das Haus ganz allein auf dem Rücken tragen zu wollen. Wer sollte einem schon überlegen und wem sollte man unterlegen sein, solange es sich nur um einen Menschen handelt?
Im Grunde genommen kann man die persönliche Schulung zu einem ausgereiften Menschen auch nicht ohne große Anmaßung und Arroganz durchführen. Solange man nicht lauthals mit der Absicht antritt, den Klan ganz allein in Bewegung zu bringen, wird man es auch nicht zuwege bringen. Das ist dann allerdings wie ein Wasserkessel, der schnell heiß wird, aber sich genauso schnell wieder abkühlt. Aber da gibt es eine Methode, nicht abzukühlen, nämlich ein Gelübde nach eigenem Stil.
1. Was Bushidō, den Weg des Kriegers, angeht, niemandem nachzustehen.
2. Dem Lehnsfürsten zu Diensten zu stehen.
3. Den Eltern gehorsam zu sein.
4. Ein Herz von großer Barmherzigkeit und Anteilnahme zu fassen und zum Wohle der Menschen zu wirken.
Wenn man diese vier Gelübde jeden Morgen vor den Göttern und Buddhas intoniert, verdoppelt sich die eigene Kraft und Entschlossenheit und geht nicht mehr zurück. Mit der Geschwindigkeit einer Spannerraupe wird das schrittweise, langsam aber sicher ins Herz eindringen. Auch den Göttern und den Buddhas gegenüber bedarf es erst einmal eines solchen Gelöbnisses.
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