Frostsklave. Regina Mars

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Frostsklave - Regina Mars


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jetzt bin ich es.« Ein Sonnenstrahl brach durch die dicke Wolkendecke und brachte das helle Haar zum Leuchten. Lukacs Andon. Selbst die Sonne liebte ihn.

      Gal beschloss, dass er nicht weichen würde. Egal, was Lukacs ihm an den Kopf warf. Egal, wie ängstlich das Mädel ihn ansah. Das hier war sein Platz. Sein Rückzugsort. Lukacs brauchte keinen Rückzugsort. Der wurde überall geliebt, geachtet und angeschmachtet. He, das reimte sich.

      »Andon.« Gal richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich sag’s dir nicht noch mal. Verpiss dich oder ich reiß dir den Arsch auf.«

      Lukacs grinste. Das Mädel zog an seinem Arm und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. So hatte sie sich den Nachmittag bestimmt nicht vorgestellt. Garantiert hatten die beiden sich hierher verzogen, um Ferkeleien zu treiben. Lukacs Andon hatte keinen Mangel an willigen Frauen, selbst Gals kleine Schwestern schwärmten für ihn. Sie und all ihre Freundinnen.

      »Biest.« Das Grinsen wurde breiter. »Verpiss du dich oder ich schlag deine hässliche Fresse zu Brei und trete dich in die Plörre da.« Er deutete auf den Bach.

      Gal ließ die Knöchel knacken. »Versuch’s doch.« Einen Moment lang überlegte er, ob er sich verschätzte. Lukacs Andon war ein Bürgermeistersöhnchen, aber, nun, seine Arme waren fast so muskulös wie Gals eigene. Sie waren beinahe gleich groß, und Lukacs wirkte sehr sicher, dass er gewinnen würde.

      Dann dachte Gal: Scheiß drauf. Und trat auf Lukacs zu.

      »Versuch du’s doch.« Der Mistkerl schnaubte.

      »Mach ich«, knurrte Gal. »Heul nicht, wenn dich danach keine mehr anguckt. Du wirst eine noch üblere Hackfresse haben als ich, wenn ich mit dir fertig bin.«

      »Ich behaupte mal, dass das unmöglich ist.« Lukacs schüttelte das Mädel ab und machte einen Schritt vor, wie ein lauernder Wolf.

      Vorsichtig, dachte Gal. Unterschätz ihn nicht. In all den Schlägereien, in die er verwickelt gewesen war, hatte er eins gelernt: einen echten Kämpfer zu erkennen. Und seltsamerweise wirkte das verzogene Söhnchen wie einer.

      »Ich hol Hilfe«, wimmerte das Mädel und flüchtete. Sie waren allein.

      Lukacs leckte sich die Lippen. »Komm her, Gal Oshin. Ich zeig dir was Schönes.« Weiße Zähne erschienen. »Ich brech dir die Hörner ab und ramm sie dir in dein stinkendes Maul.«

      »Ich ramm meine Hörner in dein Maul, du Lackaffe. Ich brech dir alle Zähne raus.«

      »Das kannst du gern versuchen, Biest.« Etwas war seltsam. Lukacs' Lächeln war schmutziger als das jedes Mannes, mit dem Gal sich je geprügelt hatte. Der Blonde freute sich auf den Kampf, auf eine Art, die Gal unbekannt war. Egal.

      Er machte drei Schritte und packte Lukacs am Kragen. »Verarsch mich noch mal und du blutest, Schönling.«

      Goldbraune Augen blitzten. Verdammt, was war das? Die blöden Bilder in seinem Kopf wollten nicht weichen. Die Männer, die sich in den Straßen liebten. Einer von denen sah aus wie Lukacs Andon.

      Geh weg, dachte Gal und schrie vor Schmerz.

      Lukacs' Knie bohrte sich in seine Weichteile. Das charmante Lächeln blieb, als der Dreckskerl ihn packte und zu Boden rang.

      Gal krachte ins Gras. Einen Augenblick lang war Lukacs über ihm, dann hatte Gal sich berappelt. Er packte Lukacs, hebelte ein Bein unter seinen Schenkel und riss ihn herum. Keuchend drückte er ihn nieder, aber der Schönling war stark. Sie rollten über das Gras, ringend, stöhnend und fluchend. Mal hatte Gal die Oberhand, dann Lukacs.

      Das feine Söhnchen konnte kämpfen. Eine Faust traf Gal am Jochbein und er sah weiße Lichter. Er riss das Knie hoch und erwischte Lukacs' Bauch. Hörte ihn brüllen. Aber der Kerl gab nicht auf.

      Irgendwann, mitten in der Schlägerei, blitzte wieder ein Bild auf. Wie ein Riss in Papier, plötzlich und schmerzhaft. Er selbst, wie er den Schönling zu Boden drückte, wie er dessen Hände hinter dem Rücken verdrehte, so, wie er es gerade versuchte. Nur waren sie beide nackt. Auf allen vieren.

      Es verschwand, gerade rechtzeitig, dass Lukacs den Moment ausnutzen konnte, um ihm den Ellenbogen ins Gesicht zu rammen. Harter Knochen traf seine Haut und Gal spürte, wie seine Augenbraue platzte. Es machte ihn nur noch wütender.

      »Lackaffe«, knurrte er und packte Lukacs' Unterarm. Rang ihn endlich nieder. So, dass der Mistkerl sich nicht mehr bewegen konnte.

      »Biest!« Die geröteten Wangen des Schönlings erinnerten ihn an die kranken Bilder in seinem Kopf. Die Art, wie der sich unter ihm wand, mit dem Rücken zu ihm. Mit dem Arsch zu ihm. Er spürte die Backen unter seinem Knie, fest und doch nachgiebig.

      »So«, sagte Gal. »Wollen mal sehen, wer von uns im Fluss landet.«

      »Das traust du dich nicht, du Hornochse.«

      »Wetten wir?«

      Dann hörte er den Schrei. Zuerst dachte er, das Mädel sei zurückgekehrt und hätte Verstärkung mitgebracht. Gal sah sich um, und roch Rauch.

      Der Schrei erklang wieder. »Feuer!«

      »Kacke«, sagte er und Lukacs stimmte ihm zu, indem er das Zappeln einstellte.

      »Lass mich los«, sagte der Schönling. »Schauen wir nach.«

      Gal zögerte einen Moment lang, dann sprang er auf. Er hatte wenige Feuer erlebt, aber er kannte die Angst, die sie verbreiteten. Wenn man sie nicht rechtzeitig eindämmte, konnten sie ganze Stadtteile niedermachen. Oder die ganze Stadt.

      Er quetschte sich durch die Zaunlatten und der Rauchgestank wurde intensiver. Zwei Mädchen wankten vorbei, nach links, und er folgte ihnen. Zwischen sich trugen sie einen gigantischen Holzbottich voll dreckigem Wasser. Es schwappte auf den Boden und über die Kleider der beiden.

      »Gebt her«, raunzte er. Sie hätten den Bottich beinahe fallen gelassen, als sie ihn sahen. Dann ließen sie das Ding zwischen sich auf den Boden plumpsen und er wuchtete es in die Höhe.

      »Hölle«, murmelte er. Wie hatten die beiden es überhaupt geschafft, ihn zu heben? Das Teil war schwer wie ein Ochse.

      »Hör auf zu heulen. Ich helfe dir.« Goldene Haare blitzten neben ihm auf. Wieder wollte er sich weigern. Aber ein Feuer war wichtiger als sein Zwist mit dem feinen Söhnchen.

      Den Bottich zwischen sich rannten Lukacs und Gal den Rauchschwaden entgegen, die sich am Ende der Gasse ballten.

      »Scheiße!« Sie bogen um die Ecke und sahen das ganze Ausmaß der Katastrophe. Ein vierstöckiges Fachwerkhaus brannte. Aus geborstenen Fenstern quoll schwarzer Rauch, schoss gegen Dachbalken. Das Strohdach stand bereits in Flammen.

      »Ich stimme dir zu.« Lukacs zerrte sein Halstuch über die Nase und lief weiter. Dahin, wo sich eine Eimerkette bildete, am Fuß des lodernden Fachwerkhauses.

      Seite an Seite rannten sie durch die Haustür, leerten den Bottich über die glühenden Dielen. Sie sahen kaum etwas, so dicht war der Rauch. Er kroch in Gals Lungen, brachte ihn zum Husten, schnitt in seine Augen. Tränen liefen über seine Wangen, als sie den leeren Bottich über die Schwelle nach draußen schleppten. Nach ihnen rannte ein Junge hinein, einen vollen Pisspott in den Händen. Als er das Haus verließ, griff das Feuer auf das nächste Dach über.

      Dann stand die Eimerkette. Eine Schlange Menschen, die vom Fluss her volle Kübel von Hand zu Hand reichte. Kinder nahmen die leeren Gefäße und brachten sie zurück, damit sie neu befüllt wurden. Lukacs und Gal waren mittendrin, Seite an Seite, als wären sie alte Freunde. Wortlos reichten sie sich Eimer um Eimer, sahen, wie die Männer vorne in das Haus rannten. Er sah den Trunkenbold von vorhin in der Kette, und Lukacs' feine Freunde. Die Frau hinter Gal war totenbleich, aber ausnahmsweise nicht wegen ihm. Wegen des Feuers.

      »Es reicht nicht«, brummte Lukacs hinter seinem Halstuch hervor. »Es wird von Dach zu Dach kriechen.«

      »Kann's nicht regnen?«, brüllte jemand. »Ewiger, schick Regen!«

      Gemurmel


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