Florentiner Novellen. Isolde Kurz

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Florentiner Novellen - Isolde Kurz


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standen teils müßig auf der Brandstätte, teils wühlten sie in dem Trümmerhaufen des Waldhäuschens, aus dem sie den Leuchter und die geschmolzenen Becher und Kannen zum Vorschein brachten.

      Kopfschüttelnd betrachteten sie die mächtige alte Zypresse, die gar nicht so nah bei dem Häuschen stand, wie es dem Junker gestern geschienen hatte, und die von oben bis unten zerspalten war. Also hatte der Blitz doch nicht in das Waldhaus geschlagen, und wie der Funke dorthin überspringen konnte, das war und blieb den guten Landleuten ein Rätsel.

      Um diese Stunde trat Herr Bernardo bleich und übernächtig, aber ernst wie ein Totenrichter in das Gemach, wo Marcantonio noch zu Bette lag, von Frost geschüttelt, mit einem nassen Tuch um die Stirn und mit klappernden Zähnen, denn von der wilden Energie der vergangenen Stunden war nichts übriggeblieben als eine jämmerliche Angst. Der Schuldige hatte, als er den Lärm vernahm, nicht mehr gewagt, an die Stätte seiner Tat zurückzukehren, und wußte, obwohl er schlaflos auf jedes Geräusch hörte, wenig von den Vorgängen der Nacht. Er hatte nicht einmal den Mut, seine Leute auszufragen, und entschuldigte sich der Umgebung gegenüber mit einem Fieberanfall infolge der Aufregung.

      Dies nahm die Dienerschaft nicht wunder, denn man war gewohnt, den Herrn bei allen außerordentlichen Anlässen sehr schonungsbedürftig zu sehen. Aber Bernardo blickte tiefer, er hatte bereits den Kodex gelesen.

      »Ich will nicht fragen, Marcantonio, wie heute nacht der Brand auskam«, begann er, und nur an einem leisen Zittern der Stimme war seine tiefe Erregung zu erkennen. »Es ist ein Glück, daß der Blitz dich vor Verdacht sicherstellt; ich aber habe das Feuer schon gesehen, ehe das Gewitter begann.«

      Marcantonio richtete sich im Bette auf und sah ihn höhnisch an.

      »Dein junger Barbar war betrunken wie ein echter Deutscher und ließ sein Licht brennen.«

      »Gut«, entgegnete Barnardo ruhig. »Was heute nacht geschah, ist Nebensache. Aber ein Mord ist begangen worden, der schwerer in die Schale fällt als ein geopfertes Menschenleben.«

      »Ich verstehe dich nicht«, sagte Marcantonio mit finsterem Trotz.

      »Du verstehst mich wohl. Wer einen Blick in diese Schrift wirft« – er zog den Kodex aus dem Busen – »der muß mich verstehen. Dies ist ein Cicero.«

      Marcantonio sagte kein Wort und vermied den Blick seines Richters. Erst nach langer Pause murmelte er: »Bedenke, ich bin auch ein Rucellai.«

      »Ich habe es bedacht«, antwortete Bernardo. »Stundenlang bin ich mit mir zu Rate gegangen und habe mich gefragt, was ein Römer an meiner Stelle getan hätte. Brutus ließ seine Söhne schlachten, aber er hätte sie nicht entehrt. Geh, ich hasse dich mehr als den Judas Ischariot. Meine Augen sollen dich nie wiedersehen. Marcantonio, Mörder des großen Cicero, lebe, und wenn du kannst, so trage noch fernerhin deinen ehrlosen Ruhm. Ich aber bringe mit blutendem Herzen der Ehre meines Hauses und der Würde des Gelehrtenstandes, den dein Schandfleck nicht mit besudeln soll, das schwerste Opfer meines Lebens.«

      Er trat an die Türe und ließ sich von Lucius, der außen wartete, ein glimmendes Kohlenbecken reichen, das er zu Marcantonios herzlicher Erleichterung auf den Tisch stellte. Nun löste er langsam die durch den Märtyrertod seines Bruders geheiligten Blätter und übergab sie Stück für Stück der Flamme.

      »Fahr wohl, liber jocularis«, rief er mit ausbrechendem Schmerz. »Fahrt wohl, ihr goldenen Scherze, die dieser Stümper nicht einmal richtig auszunützen verstand. Ja, die Barbaren vom Schwarzwald hatten recht, dies ist ein Zauberbuch gewesen. O Marcantonio, hättest du es doch besser abgeschrieben, so wäre es uns wenigstens nicht ganz geraubt.«

      Endlich verglomm der letzte Funke, und das Becken war hoch angefüllt mit verkohlten Papierresten. Da wandte sich Bernardo ab, und mit der Haltung eines Mannes, der größer ist als sein Schicksal, schritt er aus der Türe. – –

      Unter den Strahlen einer milden Septembersonne zog Lucrezias Brautgeleite durch das nördliche Tor von Florenz die Bologneser Straße hinauf. Die Hochzeit war mit einem auch den prunkliebenden Florentinern ungewohnten Pompe gefeiert worden, denn der große Mediceer hatte selbst die Ordnung des Festes übernommen und sein Patenkind zur Kirche geleitet, um zugleich in dem fremden Ritter seinen neuen Freund Eberhard zu ehren. Kein Mißton trübte das Fest, wenn auch Bernardos gelehrte Freunde den Untergang der kostbaren Handschrift bei dem Brand des Waldhäuschens schmerzlich beklagten. Lucius Rufus hatte sein Gedicht doch noch fertig gebracht und es mit etwas veränderten Reimen den veränderten Umständen angepaßt. Bis Bologna ging der festliche Zug; dort nahm die Braut unter reichlichen Tränen, die aber über ein von Glück strahlendes Gesicht flossen, auf ewig von ihren Landsleuten Abschied. In einfachem Reisegewand ritt das schöne Paar, nur von wenigen Knechten begleitet, seine Straße weiter. Junker Veit hatte sein junges Weib auf dem Glauben gelassen, daß sie mit ihm in ein finsteres Barbarenland ziehe, und freute sich ihrer froh enttäuschten Miene, wenn er ihr die segensreichen Fluren seiner Heimat mit den gewaltigen Lärchen- und Fichtenwäldern zeigen würde, nicht so schön zwar wie die Pinien und Zypressen ihres Sonnenlandes, aber noch schön genug für ein Auge, das liebt.

      Der Abend versammelte inzwischen die Florentiner Freunde noch zu einer kleinen Nachfeier in den mediceischen Gärten. Man gedachte mit Wehmut des hochherzigen Donato, der als Opfer der Wissenschaft im wilden Lande gefallen war, und der greise Marsilio Ficino pries in einer schönen Rede die Großmut seines Freundes Bernardo, der mit antiker Treue sein Wort gehalten, nachdem der Neid der Götter den bedungenen Preis zerstört hatte.

      »Es mag dir nun wohl ein wenig schwer ums Herz sein in deinem einsamen Hause, alter Freund«, sagte der große Lorenzo, indem er Herrn Bernardo teilnehmend die Hand reichte.

      Bernardo blinzelte mit den Augen, sei es, daß er eine Träne zerdrückte, oder daß die untergehende Sonne ihn belästigte. »Meine Tochter ist nur ein flüchtiges Scheingebilde«, antwortete er fest. »Sprechen wir von einem Ding der Wesenheit. Was sagt Eure Magnifizenz von der Phädra des Seneca?«

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