Mit den Augen der Liebe. Marie Louise Fischer

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Mit den Augen der Liebe - Marie Louise Fischer


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      Marie Louise Fischer

      Mit den Augen der Liebe

      Roman

      Saga Egmont

      Mit den Augen der Liebe

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)

      represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

      Originally published 1967 by F. Schneider, Germany

      All rights reserved

      ISBN: 9788711719060

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1

      „Wigand“, sagte das junge Mädchen ungeduldig und sah auf das weiße Häubchen der Schwester herab, die aus der obersten Schublade ihres kleinen Schreibtisches eine blanke Karteikarte gezogen und sie jetzt zum Ausfüllen vor sich hingelegt hatte, „Wigand mit einfachem i!“

      „Danke“, sagte Schwester Karla, „und der Vorname?“

      „Gunhild.“

      „Alter?“

      „Neunzehn.“

      „Beruf?“

      „Studentin.“

      „Und was hatten Sie bisher für Krankheiten?“

      „Wenn Sie meinen, ob ich schon mal mit den Augen zu tun gehabt habe … ja. Als Kind hatte ich häufig Bindehautentzündungen. Das können Sie schreiben, wenn Sie wollen. Ich sehe nur nicht ein, warum. Schließlich will ich ja nichts weiter als eine Brille verschrieben haben.“

      Jetzt hob Schwester Karla den Kopf und sah Gunhild Wigand an. „Ich verstehe, daß Ihnen das sehr …“ Sie suchte nach dem passenden Wort, „bürokratisch Vorkommen muß“, sagte sie lächelnd, „aber Professor Bergmeister hat es so angeordnet. Übrigens interessieren mich nicht nur Beschwerden, die Sie mit den Augen gehabt haben, sondern überhaupt. Was haben Sie bisher für Krankheiten hinter sich gebracht?“

      Gunhild Wigand warf einen raschen Blick auf ihre schmale, sportliche Armbanduhr, sagte, während sie sich mit einem Ruck die braunen Locken aus der Stirn warf: „Muß das sein?“

      Schwester Karlas ruhiger Blick verriet keinen Ärger, eher Bewunderung und leisen Neid. – Noch einmal so jung sein, dachte sie, so unbekümmert, so fordernd! – „Wir verlieren keine Zeit damit“, sagte sie lächelnd, „es sind sowieso noch zwei Patientinnen vor Ihnen an der Reihe, Fräulein Wigand.“

      „Was!? Aber ich bin doch … meine Mutter hat mich angemeldet! Schon vor fünf Tagen! Und ich habe mich höchstens um ein paar Minuten verspätet.“

      „Ich weiß. Aber in einer Augenklinik muß man schon Geduld haben. Wir bemühen uns, die Patienten so wenig wie möglich warten zu lassen. Aber es läßt sich unmöglich immer voraussehen, ob eine Untersuchung zwanzig Minuten oder eine ganze Stunde in Anspruch nehmen wird.“

      „Eine Stunde? Ist das Ihr Ernst? Dann ist es ja möglich, daß ich erst um sechs Uhr fertig werde. Aber ich bin verabredet und …“

      „Vielleicht klappt es doch noch“, unterbrach Schwester Karla. „Vielleicht haben Sie Glück, und es geht wesentlich schneller.“ Gunhild Wigand seufzte. „Ihr Wort in Gottes Ohr, Schwester. Also was war’s noch, was Sie wissen wollten? Ach ja, wenn Sie’s zufriedenstellt: Ich hatte Masern, Windpocken, öfters mal Angina, im Vorjahr bekam ich die Mandeln heraus genommen.“

      Schwester Karla schrieb, fragte, ohne aufzublicken: „Sonst nichts?“

      „Tut mir leid. Mit mehr kann ich Ihnen nicht dienen.“

      Als Dr. Norman Hilpert die Tür zum Wartezimmer öffnete – er hatte kurz zuvor einen Blick auf Gunhild Wigands Karteikarte getan –, entdeckte er sie sofort.

      Sie saß zwischen einer alten Dame, die einen weißen Blindenstock zwischen ihre Beine gestellt hatte, und einem unrasierten Mann mit einem dicken Kopfverband. Sie wirkte keineswegs mehr so keß, wie Schwester Karla sie erlebt hatte, sondern eher ein bißchen eingeschüchtert.

      Noch ehe Dr. Hilpert sie aufgefordert hatte, sprang sie auf und kam auf ihn zu. Sie hatte einen elastischen, anmutigen Gang, und Dr. Hilpert betrachtete sie mit Wohlgefallen: ein schlankes, gutgewachsenes junges Mädchen in hellblauen Keilhosen und losem Pulli, das kurzgeschnittene dunkle Haar kunstvoll verstrubbelt, die sehr hellen Augen weit aufgerissen, in der Art, wie es kurzsichtige Frauen tun, die sich mit Energie das unwillkürliche Liderzusammenkneifen abgewöhnt haben.

      Er reichte ihr die Hand, und sie folgte ihm in den Untersuchungsraum, durch dessen sehr breites Fenster das kalte Licht des frühen Winternachmittags fiel.

      „Na endlich, Herr Professor“, sagte sie, und ihre Munterkeit klang nicht ganz echt, „ich dachte schon …“

      Dr. Hilpert ließ sie nicht aussprechen. „Ich bin nicht der Professor“, sagte er, „sondern sein Assistent … Doktor Hilpert!“

      Sie sah ihn aus ihren weit geöffneten Augen an. „Das hätte ich mir denken können“, sagte sie. „Sie wirken gar nicht wie ein Professor.“

      Er lächelte. „Das können Sie also noch erkennen?“

      „Natürlich! Schließlich bin ich ja nicht blind!“

      „Aber Sie brauchen eine Brille.“

      „Genau. Deshalb bin ich hier.“

      „Na, dann wollen wir mal sehen.“ Er führte sie in die Brillenecke, sagte, mit einer Handbewegung zum Untersuchungsstuhl hin: „Bitte, setzen Sie sich … machen Sie es sich ruhig bequem.“ Er ging zum Brillenkasten. „Haben Sie früher schon mal Augengläser getragen?“

      „Ja“, sagte Gunhild Wigand unbehaglich.

      „Wann?“

      „Mit zwölf Jahren. Ich konnte damals nicht mehr richtig erkennen, was vorne auf die große Tafel geschrieben wurde. Mit den Landkarten ging es mir noch schlimmer. Daraufhin schleppte meine Mutter mich zum Augenarzt.“ Sie schwieg.

      „Aber Sie haben die Brille nicht getragen?“ half er ihr weiter.

      „Doch. Anfangs schon. Aber ich konnte mich nicht dran gewöhnen. Ich war heilfroh, als sie endlich kaputt war.“

      „Aha. Ich verstehe.“ Dr. Hilpert schraubte die Bügel der Meßbrille kürzer, setzte sie ihr behutsam auf die Nase. „Und wie sind Sie dann in der Schule zurechtgekommen?“

      „Ich habe mich in die erste Reihe setzen lassen. Dann ging’s.“

      Dr. Hilpert schmunzelte. „Na, immerhin gratuliere ich Ihnen, daß Sie sich nun doch mal zu einem Besuch beim Augenarzt aufgerafft haben.“

      „Ganz ehrlich … wenn mich meine Mutter nicht geschickt hätte! Aber in der letzten Zeit wurde es mir fast selber zu blöd. In die Ferne habe ich ja nie gut gucken können. Aber seit ein paar Monaten kommen noch so komische Schatten dazu.“

      „Schatten? Über beiden Augen?“

      „Nur über dem linken. Glauben Sie, daß ich das Auge überanstrengt habe? Ich habe ziemlich viel lernen müssen fürs Abi.“

      „Nein. Das ist kaum anzunehmen.“ Dr. Hilpert steckte in die Meßbrille vor das linke Auge eine dunkle Scheibe,


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