Die Sex-Schlange. Max Nortic
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Die Sex-Schlange
Roman
Saga
Die Sex-SchlangeCopyright © 1985, 2019 Max Nortic All rights reserved ISBN: 9788711717479
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Absprache mit dem Verlag gestattet.
1
Am zehnten eines jeden Monats erhielt sie mit der Post einen Scheck über 2500 Dollar, als Absender eine Postfachnummer in Baltimore, Maryland. Steuerfrei!
Als es an diesem Morgen gegen neun Uhr an der Türklingel läutete, dachte sie, der Scheck sei zu früh gekommen. Aber als sie aus tiefem Schlaf aufschreckte, wußte sie gleich, daß dies unmöglich war. Sie stieg aus dem Bett und tappte zum Kleiderschrank nach ihrem Morgenrock. Sie schlief immer nackt und in ihrem hübschen Appartement war sie oft auch beim Essen, Lesen und Fernsehen in strahlender Nacktheit. Rasch begab sie sich zur Wohnungstür, wobei sie schwungvoll ihre langen, schwarzen Haare zurückwarf. Ihre glatten, gebräunten Beine, ihre hochsitzenden, üppigen Brüste und ihre runden Hüften füllten den Morgenrock auf das Ansehnlichste. Sie erweckte den Eindruck, als wäre sie die Geliebte eines reichen Mannes.
Sie öffnete die Tür. Der Postbote bemühte sich, nicht auf die üppigen Körperformen zu starren, die der Morgenrock offenbarte.
„Miss Wilson? Miss Erica Wilson?“
„Ja.“
„Ein Einschreibbrief.“
Sie unterschrieb die Empfangsbestätigung und nahm den Brief. Eine schwache Erregung rührte sich in ihrem Blut und rüttelte sie wach.
„Danke.“
Sie schloß die Tür vor seinem gierigen Blick. Langsam ging sie durch das riesige Wohnzimmer in die Küche, wobei sie für einen kurzen Augenblick ihre aufkeimende Neugier zu unterdrücken versuchte. Sie setzte sich frischen Kaffee auf und zündete eine Zigarette an. Der Brief lag ungeöffnet vor ihr, während sie am Küchentisch saß und darauf wartete, bis der Kaffee fertig war. Auf ihrem Gesicht lag ein ruhiger, heiterer Ausdruck.
Mit ihren vierundzwanzig Jahren hatte Erica Wilson eine bemerkenswerte Kontrolle über ihre Gefühle und ihr Schicksal. Sie hatte eine Barschaft von 85 000 Dollar gespart, die sie in drei verschiedenen Safes deponiert hatte. Sie verfügte über eine Garderobe, die ihren hübschen Körper hervorragend zur Geltung brachte, aber mit so viel Geschmack und Sorgfalt ausgewählt war, daß sie in zwei Schränken untergebracht werden konnte. Für ihre Wohnung in Chicago’s Marina City zahlte sie monatlich dreihundert Dollar und doch verbrachte sie dort weniger als sechs Monate im Jahr. Sie ignorierte ihre Nachbarn, die sicher zu sein glaubten, sie wäre ein Luxux-Callgirl. Mit ruhigem Gewissen hatte sie drei Männer sterben sehen, aber sie besaß keine Pistole und hatte auch niemals eine abgefeuert, außer beim Scheibenschießen. Zwei dieser Männer waren Exliebhaber, aber sie hegte danach keinerlei Emotionen für sie.
Ihre ruhige Gelassenheit verließ sie jede Woche nur einmal, wenn sie jeden Freitag, meist in einer Bar, einen Fremden auflas und in ihre Wohnung abschleppte. Dann aber gab sie mit animalischen Bissen und heftig schwingenden Hüften ihrem aufgestauten Drängen nach. Immer blendete sie ihren Partner mit ihrer bemerkenswerten Geschicklichkeit und vaginalen Kontrolle. Niemals schließ sie mit einer solchen Freitagabend-Bekanntschaften zweimal. Niemals küsste sie einen Mann auf den Mund, aber ihre Leidenschaft für oralen Sex war unersättlich. Sie konnte einen Mann so geschickt erregen, daß er innerhalb weniger Stunden fünf bis sechs Mal zum Höhepunkt kam. Danach beendete sie kalt und abrupt die Affäre und warf den Mann aus ihrer Wohnung.
Sie hegte eine große Leidenschaft, für phallische Symbole, welche auf seltsamen Gemälden und Büchern, die sie sammelte, abgebildet waren. Sie besaß zahlreiche Bücher über Philosophie, Pharmakologie, Psychiatrie und eine seltene Sammlung von illustrierten Erotika, mit denen sie sich immer Freitagnachmittag beschäftigte.
Sie war, nach ihren eigenen Worten, regelrecht besessen von gewaltigen Schwänzen.
Sie wußte, daß ihre Wohnung elektronisch verwanzt war, hatte sie doch schon vor einiger Zeit den winzigen Sender entdeckt. Aber sie ignorierte das alles. Sie hatte keine Freunde, keinen ständigen Liebhaber, keine Haustiere und keine Familie. Sie war ein Bastard, die Tochter eines polnischen Hausmeisters und eines schwedischen Dienstmädchens und der Gedanke daran amüsierte sie.
Wenn die 85 000 Dollar, die sie erspart hatte, auf 200 000 Dollar angewachsen sein sollten, dann wollte sie sich eine kleine Villa an der Küste Portugals kaufen und sich von den Zufälligkeiten dieses Berufes zurückziehen. Sie ersehnte ein Leben in ruhigem Luxus und einem ständigen Strom von Liebhabern. Sie wünschte keine Heirat, und das sie ihre latente Nymphomanie erkannt hatte, wollte sie Zeit und Freiheit, diese Lebensweise als Karriere zu betreiben.
Der Kaffee war heiß geworden und Erica goß sich eine Tasse ein. Als sie die Hälfte ausgetrunken hatte, öffnete sie den Brief.
Darin war ein reserviertes Ticket für einen Jet-Flug nach Baltimore und eine Geschäftskarte. Auf dieser Karte stand zu lesen:
John Butterfield
Vereinigte Historische Gesellschaft
67, Waverlay Place
Baltimore, Maryland
Ein winziges Firmenzeichen war am Fuße der Karte eingedruckt. Sie lächelte kühl, wurde aber sofort ernst, als sie aus dem Ticket ersah, daß ihr Flug vom O’Hare Airport in weniger als zwei Stunden abgehen sollte.
Zehn Minuten später stand sie unter der Dusche und seifte ihre vollen Brüste ab. Sie schauerte zusammen, als sie fühlte, wie die Warzen unter ihren eigenen Fingern hart wurden und ein schwaches Ziehen in ihren Lenden zu pochen begann.
Erst jetzt merkte sie, daß heute Freitag war.
Sie befand sich inmitten der Menschenmenge um an Bord ihrer Maschine zu gehen, als es geschah. Ihre Aufmerksamkeit wurde auf zwei Männer gelenkt, die neben dem Mann standen, der die Flugtickets kontrollierte. Ihre Gesichter wirkten beiläufig, ihre Augen aber waren wachsam. Sie wußte, das war Bundespolizei bei der Beobachtung auf Hinweise möglicher Flugzeugentführer.
Jemand berührte ihren Arm und sie fuhr herum. Der Mann hatte graue Haare und ein unbedeutendes Gesicht.
„Sie haben das fallen lassen, Miss.“
Ihre Lippen begannen das Wort ‘nein‘ zu formen, da fielen ihre Augen auf den Manila-Umschlag, den er ihr reichte. In der unteren Ecke war ein kleines rotes Sternchen. Lächelnd nahm sie den Umschlag.
„Danke...“
Der Mann verschwand, so wie er gekommen war. Grauer Mantel, graues Haar, verloren im endlosen Strom der Menschen. Der Umschlag war sehr leicht in ihrer Hand. Sie wußte, daß diese Leute der Post nicht trauten und daher übergab man ihr solche Dinge persönlich und in letzter Minute. Die Leichtigkeit des Umschlages bedeutete, daß sie ein Papier aus Zwiebelhaut verwendeten – ideal für schnelle Vernichtung.
Im Jet geleitete die Stewardeß sie zu der letzten Sitzreihe auf der rechten Seite. Sie setzte sich auf den Platz direkt am Fenster. Wie sie wußte, würde sich niemand auf die zwei angrenzenden Sitze niederlassen – sie waren reserviert, damit sie ungestört lesen konnte. Auch über die Schulter konnte ihr niemand schauen.
Sie schnallte sich im Sitz an. Die Maschine rollte ans Ende der Startbahn und mit einem ungeheuren Aufbrüllen der Motoren begann das Abheben von der Zementbahn. Ein gigantischer Metallvogel erhob sich über den Dreck und das Glitzern von Chicago. Als der Jet durch den Dunst in den strahlenden Sonnenschein durchstieß, schlitzte Erica den Umschlag mit einem Fingernagel auf. Sie entnahm ihm vier Schreibmaschinenseiten, getippt auf Zwiebelhaut.
Auf dem obersten Ende stand:
Büro des Direktors
Intelligence