Die Sex-Schlange. Max Nortic

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Die Sex-Schlange - Max Nortic


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GEHEIM

      ... Nach dem Lesen vernichten.

      VERTRAULICHE INSTRUKTION G-712

      Vollmacht: I.S.C. 12/12/70

      Ausgabe:

      ... NUR FÜR GYPSY VIRGIN

      Erica lehnte ihren Kopf an den Sitz zurück. Diese vertrauliche Instruktion bedeutete, daß sie sich nun jede Einzelheit genau einprägen mußte. Sie mußte immer lächeln, wenn sie ihren Code-Namen gedruckt sah. Ihr Lächeln verschwand, als sie begann die Papiere zu studieren und die Einzelheiten sich einzuprägen. Dabei richtete sie ihre Augen auf eine Metallniete an der Rückseite des Sitzes vor ihr, konzentrierte sich auf das glänzende Zentrum der Niete. Aber schließlich merkte sie, daß die Kanten der Niete vor ihren Augen verschwammen und endlich existierte nur noch ein glitzender Kern.

      Minuten später biß sie sich aus Enttäuschung auf die Unterlippe und begann nochmal sich die Instruktionen einzuprägen. Es war Freitag – verdammt nochmal. Ihr Körper war freitags immer das Ritual der langsamen Erregung gewohnt; die Vorbereitung auf eine Nacht mit wildem, erschöpfendem Sex. Sie konnte sich nicht konzentrieren... Gewöhnlich hatte sie um diese Zeit ihre Sammlung von Erotika-Büchern und Illustrationen auf dem Tisch in ihrem Wohnzimmer ausgebreitet und verbrachte einen Nachmittag mit höchst anregender Lektüre.

      Wieder richtete sie ihren Blick auf den schimmernden Kern der Niete und versuchte alles andere aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen. Eine Minute später begann sie den Text auf den Seiten aus Zwiebelhaut zu lesen:

      SUBJEKT: Vivian Marchand; Decknamen auf anhängendem Blatt.

      GEBURTSTAG: 22. Januar 1943

      GEBURTSORT: Shanghai, China

      STAATSANGEHÖRIGKEIT: Amerikanisch, Französisch, Chinesisch – je nach gegebenen Umständen. Amerikanische und Französische Identität unbekannt.

      KÖRPERLICHE MERKMALE: 1,72 m groß, 61 kg, grüne Augen, Haarfarbe häufig wechselnd

      FOTOS: Keine vorhanden

      CODE NAME: Nitro Five

      EINSCHÄTZUNG: Unberechenbar

      Erica blickte auf, ihre Konzentration war unterbrochen. Unberechenbar! Diese Einschätzung war die eines Vollstreckers. Solche Klassifizierungen wurden nur an jene ausländischen Agenten vergeben, die gleich beim ersten Auftrag getötet hatten. Erica selber hatte noch nie einen solchen Tötungsauftrag ausgeführt. Sie hatte immer nur getötet, wenn sich die Notwendigkeit ergab und um ihre Identität zu schützen.

      Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Dann setzte sie ihre Lektüre fort:

      SPRACHEN: Chinesisch (Cantonese und Mandarin), Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch und Englisch. Kein bemerkenswerter Akzent. AUSBILDUNG: Universität Peking, Sorbonne, Chinese Special Corps.

      Wieder stockte Erica. Das ‘Chinese Special Corps’, wie es höflich genannt wurde, war errichtet worden nach Art des sowjetischen KGB, nur arbeitete es weitaus wirkungsvoller und gnadenloser. Es war nur eine Elite, die in das CSC aufgenommen wurde und diese Leute kamen von überall her, selbst aus den USA. Es gab Gerüchte über Treuebuch in ihrer eigenen Vereinigung...

      Sie las weiter:

      ZUSAMMENFASSUNG: Vivian Marchand wurde geboren als Tochter eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter. Der Vater war ein gedungener Agent, der verschiedentlich für das KGB (vor dem Zweiten Weltkrieg) und die SS (während des Zweiten Weltkriegs) und dann für das CSC tätig war, nachdem in China Mao-Tse-tung zur Macht gelangt war. Vivian’s Vater war etwa sieben Jahre lang Kommando-Ausbilder für das CSC, bis er dann liquidiert wurde, weil er in Verdacht geraten war, ein Doppelagent für das KGB zu sein. Die Mutter von Vivian Marchand war nach unseren bisherigen Erkenntnissen keine offizielle Agentin, pflegte aber mit Zustimmung ihres Mannes ein mehr als liberales Sexverhalten mit zahlreichen Partei-Offiziellen aus dem Mao-Regime. Es bestand der Verdacht, daß sie von diesen Parteigenossen Informationen erfuhr, die sie ihrem Mann weitergab, der sie dann dem KGB übermittelt hatte. Sie verschwand kurz nach der Exekution ihres Mannes, doch ist von ihrem definitiven Tode nichts bekannt. Von weiteren Verwandten außer der Tochter ist nichts bekannt. CODE NAME NITRO FIVE wurde für das CSC angeworben im Alter von zehn Jahren, danach studierte sie dann an den Universitäten von Peking und Sorbonne. Sie wurde sehr gründlich ausgebildet in Elektronik, Psychologie, Sprachen, Exekution und Spionageorganisation. Sie ist überaus geschickt in der Verführung von Männern und auch Frauen. Am 12. März 1970 informierte CODE NAME SALAMANDER den Direktor, er habe Kontakt aufgenommen zu einer Frau, von der vermutet wird, sie sei Vivian Marchand; und zwar in San Franzisko! Am anderen Tage, eine Stunde vor dem geplanten Treffen mit einem anderen Agenten stürzte er aus seinem Hotelzimmerfenster zehn Stockwerke tief zu Tode. Er war zu diesem Zeitpunkt völlig nackt. Die Möglichkeit einer Exekution durch NITRO FIVE scheint gegeben, ist aber nicht sicher, da SALAMANDER zum Zeitpunkt seines Todes allein gewesen sein soll. Dennoch sind in das Büro des Direktors Informationen gelangt, die darauf schließen lassen, daß vom CSC neue Tötungsmethoden entwikkelt wurden. Diese Methode mag auf psychologischer Basis von einer radikalen Art sein, die uns bislang nicht bekannt ist. Die Möglichkeit, daß NITRO FIVE ein Experte in dieser Methode ist und SALAMANDER auf diese Weise zu Tode gekommen ist, scheint denkbar. Da er zum Zeitpunkt seines Todessturzes allein war, scheint es dringend notwendig, die Art und Weise seiner Exekution zu ergründen.

      VON BESONDERER WICHTIGKEIT: Obwohl keine bekannten Fotos von NITRO FIVE existieren, liegt die Bestätigung von einem ausländischen Agenten vor, sie wäre überaus attraktiv, aber von ungewöhnlicher Verwundbarkeit. Obwohl bisexuell in der Praxis, ist sie doch von der Basis her lesbisch veranlagt und hat einen sehr starken Hang zum Akt des Cunnilingus.

      ... Decknamen beigefügt.

      ENDE DER INSTRUKTION

      ACHTUNG: NACH DEM LESEN VERNICTEN!

      Erica prägte sich die aufgeführten Decknamen ein und steckte die Seiten wieder in den Umschlag zurück. Sie stand auf und ging zur Toilette, die sich direkt hinter ihr befand. Nachdem sie die Tür verschlossen hatte, zerriß sie mühsam die Zwiebelhaut-Seiten in kleine Fetzen und spülte sie in der Toilette hinunter. Das gleiche tat sie mit dem Manila-Umschlag.

      An ihren Sitzplatz zurückgekehrt bestellte sie bei der Stewardeß einen Wodka-Martini. Die skizzenhaft aufgeführten Details der Instruktion waren nun fest in ihrem Gedächtnis eingeprägt. Sie glaubte nicht, daß diese Informationen nur für ihre Augen bestimmt waren. Sicher hatten andere Agenten sie auch gelesen und es würde dann in Baltimore noch ein Ausleseprozeß stattfinden.

      Erica wunderte sich über Vivian Marchand’s seltene Neigungen. Sie selber hatte erst drei Jahre zuvor eine Schule in West Virginia besucht, in einem malerischen weißen Haus. Dort hatte man das Thema der weiblichen Homosexualität nur kurz berührt. Der Hauptkurs war die Verführung von Männern und er war von erfreulicher Gründlichkeit mit genauen Zuweisungen und Übungen.

      Sie nippte an ihrem Martini und fragte sich, ob man sie wohl wieder in die Schule schicken wolle. Sie stellte keinerlei Überlegungen darüber an, was dieser Auftrag bedeutete, noch ob sie überhaupt dazu ausersehen war. Man konnte sie ebensogut morgen früh wieder in den Jet setzen und nach Chicago zurückschicken. Natürlich hatte auch sie die Möglichkeit, den Auftrag abzulehnen.

      Erica Wilson, alias Ellen Janowski, Tochter eines polnischen Hausmeisters und eines schwedischen Dienstmädchens, in den Slums von Chicago zur Welt gekommen, hatte noch niemals aus patriotischen Gründen einen Auftrag angenommen. So wie der sorglose Vater von NITRO FIVE – und die meisten ihrer Agentenkameraden – war sie eine Söldnernatur. Es ging ihr nur um das Geld. Sie bekam 36 000 Dollar im Jahr, steuerfrei; und einen sehr großzügigen Bonus für jeden erfolgreich ausgeführten Auftrag. Je größer die Gefahr, desto höher der Bonus.

      Es war eine wohlbekannte Tatsache in ihrem Job, daß Patrioten oft ein Sicherheitsrisiko waren und je fanatischer ein solcher Patriot war, desto größer war das Risiko. Man hatte festgestellt, daß gerade diese Leute in erstaunlicher Weise unter Streß ihre Ideologien änderten und viel zu gefühlsmäßig handelten.


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