Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Читать онлайн книгу.für Flirts und Abenteuer.«
»Ich muß mich auf Ihr Wort verlassen.«
»Das können Sie.«
»Es fällt auf Sie zurück, wenn Sie nicht ganz aufrichtig waren.«
»Ich habe nichts zu verbergen.«
»Also schön.« Dr. Günther strich sich über sein ergrautes Haar.
»Beantragen wir also, die Ehe aus alleinigem Verschulden des Ehemannes aufzulösen.«
»Ja, so nennt man das wohl.«
»Die Kinder wollen Sie behalten?«
»Unbedingt.«
»Das werden Sie auch erreichen. Die Gerichte vertreten gemeinhin die Auffassung, daß Kinder in diesem Alter zur Mutter gehören, und da wir auf Alleinschuld Ihres Gatten klagen . . . «
»Er ist allein schuldig!«
»Was verlangen Sie als Unterhalt? Es wäre gut, wenn wir in diesem Punkt eine außergerichtliche Einigung erreichen könnten.«
»Ich verlange eine Abfindung!«
»Falls Ihr Gatte Ersparnisse hat . . . «
»Hat er nicht. Aber er kann ja einen Kredit aufnehmen. Auf sein Gehalt. Seine Eltern haben sich ein Haus gebaut. Die können auch einspringen.«
»Sie haben das anscheinend alles gut durchdacht«, sagte der Anwalt. »Trotzdem würde ich mit der finanziellen Forderung nicht gleich herauskommen. Wir sollten lieber abwarten, wie Ihr Gatte sich überhaupt zu der Scheidungsklage stellt.«
»Wenn Sie meinen.«
»Ich könnte mir nämlich vorstellen, daß ihm das einen ziemlichen Schlag versetzen wird.«
Martina zog die dunklen Augenbrauen zusammen. »Meinen Sie, es war kein Schlag für mich, ihn mit meiner besten Freundin zu erwischen!?«
»Also doch ein wenig Rachsucht?«
»Denken Sie darüber, wie Sie wollen. Aber was für einen Zweck hat eine Scheidung, wenn man trotzdem abhängig bleibt? Ich mag einfach nicht Monat für Monat auf die Überweisung lauern.«
»Das ist verständlich. Aber Sie sind ja noch jung, und Sie sind dabei, einen Beruf zu erlernen. Da besteht doch Aussicht, daß Sie über kurz oder lang gar nicht mehr auf die Unterstützung Ihres Gatten angewiesen sein werden.«
»Ihr Männer haltet eben immer zusammen.« Martina lächelte ohne Groll und zeigte dabei große, sehr regelmäßige Zähne. »Aber etwas haben Sie bei Ihrer faszinierenden Rechnung vergessen, Herr Doktor: ich habe bald zehn Jahre lang für diesen Mann gearbeitet. Umsonst. Selbst über meine kleinen privaten Ausgaben habe ich Buch führen müssen. Ich will bloß das haben, was mir zusteht.«
»Das ist kein dummer Gedanke«, gab der Rechtsanwalt zu. »Ich fürchte nur, daß Sie sich am. Ende damit ins eigene Fleisch schneiden. Ich an Ihrer Stelle würde mir Unterhalt zahlen lassen, bis ich selbst verdiene und – passen Sie auf, jetzt kommt das Wichtigste.« Er klopfte mit dem stumpfen Ende des Kugelschreibers auf den Tisch. »Und mir die Witwenpension überschreiben lassen!«
»Sehr schlau, Herr Doktor.« Martina betrachtete ihre rund geschnittenen, rot lackierten Fingernägel. »Aber Sie sind nicht in meiner Situation und können sich, scheint es, auch nicht hineinversetzen. Ich pfeife auf die Pension. Wenn ich mir bis dahin nicht selber was geschaffen habe, kann ich mich sowieso begraben lassen.« Sie hob den Kopf und richtete ihre Augen fest auf den Rechtsanwalt. »Wie Sie so richtig bemerkten: Ich habe mir alles gut überlegt.«
Dr. Günther verzog das Gesicht, beeilte sich aber dennoch zu versichern: »Selbstverständlich richte ich mich nach Ihren Wünschen.« »Dann ist es ja gut.« Martina nahm Handschuhe und Tasche an sich, während sie sich erhob. »Bringen Sie die Sache, bitte, so schnell wie möglich über die Bühne. Je schneller ich ihn loswerde, desto besser. Mir wird ganz anders bei dem bloßen Gedanken, daß ich noch monatelang mit ihm zusammen hausen muß.«
»Das ließe sich umgehen.« Dr. Günther war aufgestanden, um sie zur Tür zu begleiten. »Wir können um eine einstweilige Verfügung ersuchen, die ihm den Aufenthalt in der ehelichen Wohnung verbietet. Begründung: unter den gegebenen Umständen ist das Zusammenleben mit ihm für Sie unzumutbar.«
»Sie meinen, das ginge?«
»Unbedingt.«
Martina zog die volle Unterlippe zwischen die Zähne und blieb einige Sekunden nachdenklich, dann erhellte sich ihr Gesicht. »Sehr beruhigend, Herr Doktor . . . Für den Fall, daß er sich schlecht aufführt. Aber vorläufig möchte ich darauf denn doch verzichten. Ihn aus der eigenen Wohnung zu vertreiben, das schiene mir nicht ganz fair, wissen Sie.«
Diese Entscheidung brachte Dr. Günther dahin, sein Urteil über die neue Klientin abermals zu revidieren; sie war doch nicht so rücksichtslos, wie er eine Zeitlang geglaubt hatte.
Martina verließ die Kanzlei mit dem Gefühl, eine schwere Last abgeworfen zu haben. Sie hatte die Scheidung eingeleitet und damit entschlossen den ersten Schritt in ein neues Leben getan.
Mehr als einmal hatte sie in den vergangenen Jahren mit dem Gedanken gespielt, ihre Freiheit wiederzugewinnen. Aber zwischen dem Wunsch, sich scheiden zu lassen, und der Tat hatte ein unüberbrückbarer Abgrund geklafft.
Martina gestand sich, daß sie nicht den Mut gehabt hatte, wirklich etwas für ihre Befreiung zu tun.
Aber das war es nicht allein. Sie hatte keine Waffe gehabt, mit der sie hätte kämpfen können. Sie brauchte sich nur vorzustellen, welches Gesicht Dr. Günther gemacht hätte, wenn sie vor einem Jahr mit dem Wunsch, sich scheiden zu lassen, zu ihm gekommen wäre. Was hätte sie denn schon als Grund angeben können?
»Ja, es stimmt, daß ich alles habe, was man als verheiratete Frau vom Leben erwarten kann, aber das genügt mir einfach nicht. Nein, ich bin nicht unglücklich. Wenn ich richtig unglücklich wäre, dann fühlte ich doch wenigstens etwas. Die Wahrheit ist: ich bin gelangweilt. Ja, ich langweile mich, und wenn ich mir vorstelle, daß mein ganzes Leben so weiter verlaufen soll, in einer genau vorgezeichneten Bahn, dann überfällt mich geradezu Platzangst.«
Während Martina darüber nachdachte, fand sie diese Erklärung selber ganz plausibel; Grund genug, jemanden aus einer Ehe zu entlassen, die längst keinen Inhalt mehr hatte. Aber sie wußte auch, daß weder Dr. Günther noch der Gesetzgeber das geringste Verständnis für eine solche Einstellung gezeigt haben würden – von ihrem Mann, den Verwandten und Bekannten ganz zu schweigen.
Gestern, als sie Helmut mit ihrer besten Freundin im Bett erwischt hatte, war sie noch wütend gewesen – wütend auf sich selber, weil sie, als der nachmittägliche Unterricht überraschend ausgefallen war, ohne zu überlegen, Hals über Kopf zum Bahnhof gerannt war und den nächsten Zug nach Dinslaken genommen hatte. Sie war außer sich gewesen und hätte vieles darum gegeben, wenn sie diesen schmählichen Betrug nicht entdeckt hätte.
Aber inzwischen wußte sie, daß ihr nichts Besseres hatte passieren können. Helmut hatte ihr mit seiner Untreue die Waffe in die Hand gegeben, mit der sie ihre Ketten zertrümmern konnte. Nachträglich wurde ihr ganz schlecht bei dem Gedanken, daß nur ein Zufall ihr die Augen geöffnet hatte. Es hätte ebensogut passieren können, daß Helmut sich mit Susi oder einer anderen – wer wußte denn schon, wie oft das während der vergangenen Jahre der Fall gewesen war – amüsiert hätte, ohne daß sie es je erfuhr. Es war eine Niedertracht – und dennoch, sie mußte dem Schicksal dankbar dafür sein.
Martina eilte, jetzt in ihrem alten Kamelhaarhänger, den sie über das Deux-pièces gezogen hatte, auf die Friedrich-Ebert-Straße zu. Sie hatte ein wollenes Tuch um den Kopf geschlungen, denn es war bitterkalt. Ein scharfer Wind peitschte ihr winzige, harte Schneeflocken entgegen. Es war fünf Uhr nachmittags, und die Geschäfte hatten, obwohl es noch nicht wirklich dunkel war, ihre Auslagen bereits erleuchtet. Auch die Straßenlaternen gingen jetzt an.
Ohne links und rechts zu sehen, den Kopf leicht vorgebeugt, um das Gesicht zu schützen,