Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold

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Ein Kerl wie Samt und Seide - Will Berthold


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hatte ihn einmal während des Frankreich-Feldzugs der Oberkommandierende Dwight D. Eisenhower in seinem Gefechtsstand angerufen.

      »Meine Männer können ihre Koppel und auch ihre Stiefel fressen«, bellte der Draufgänger zurück. »Aber sie können nicht den Treibstoff pissen, den sie brauchen.«

      Colonel Rigby forderte den Ordonnanz-Soldaten auf, die Journalistin vorzulassen. Der Hochkommissar mit dem Stimmungstief nutzte die Pause für einen Schluck Bourbon und goß sich gleich noch einmal nach.

      »Wieviel gesünder würde ich leben, Craig«, stellte er fest, »wenn es diesen verdammten Whisky nicht gäbe.«

      »Der Whisky wird dich nicht schaffen«, versetzte der Freund. »Dich schaffen die Generäle Clay und Eisenhower, oder das War-Departement, oder die Nazis oder die Kommunisten.«

      »Vielleicht schafft mich auch keiner«, erwiderte der General grinsend.

      »Auch das ist möglich, George, ich setze darauf«, entgegnete der Colonel. »Bei einem Mann wie dir stehen alle Möglichkeiten offen.«

      »Hast du Angst um mich, Craig?« fragte Patton.

      »Angst nicht«, erwiderte sein Vertrauter. »Aber manchmal Sorge. Kriegshelden verlaufen sich im Frieden wie Bastarde auf einer Familienfeier.« Er brach ab, um nicht auch noch hinzuzufügen, daß es in der Roosevelt-Administration – der Präsident war tot, aber die Polit-Beamten seiner Wahl saßen noch in Spitzenstellungen – eine stattliche Reihe von Männern gäbe, die George S. Patton nicht ausstehen konnten. Und fürchteten. Lucky Forward hatte eine Menge Freunde, aber auch eine Unzahl Feinde, er zog sie auf sich, wie ein Torwart, an dem bisher keiner vorbeigekommen war, die Bälle.

      Der Colonel sah den GI, der die newsweek-Reporterin in den Garten geleitete. Er stand höflich auf und ging Judy Tyler ein paar Schritte entgegen.

      Die Amerikanerin, eine mittelgroße, hübsche Erscheinung, in der eine Menge Frau steckte, trug eine peinlich saubere olivgrüne Uniform mit dem Aufnäher war-correspondent. In einem Gesicht von pikanter Blässe drängten sich die Sommersprossen in Platznot wie die Orden auf einer russischen Generalsbrust. Die junge Frau stakste selbstsicher auf hohen Stöckeln auf General Patton zu.

      Colonel Rigby stellte die 25jährige dem Hochkommissar vor. Patton griff schnell nach den Haltern seiner Schaukel, zog sich daran hoch.

      »You ’re welcome«, sagte er lächelnd und musterte die Kriegskorrespondentin, nicht ohne Wohlgefallen. »Ich erwarte in ein paar Minuten meine Offiziere. Können wir es schnell hinter uns bringen, Judy?«

      »Nein, General«, erwiderte die Neu-Engländerin. »Ich nehme an, Sie wollen mir nicht Modell für Pfusch stehen.«

      »Ich möchte überhaupt nicht Modell stehen«, entgegnete der Drei-Sterne-General. »Sie wollen das.«

      »Ich muß Sie in Aktion zeigen, Sir«, versetzte die Reporterin. »Ich kann doch nicht den beweglichsten US-General statisch ablichten.«

      Die junge Frau mit dem kastanienroten kurzgeschnittenen Haar, das ihren Kopf umschloß wie eine Kappe, hatte bei dem Rauhbein auf Anhieb den richtigen Ton getroffen.

      »Well«, antwortete der Panzer-General schnell entschlossen, »dann knipsen Sie mich eben während der Besprechung.« Er sah, daß Craig dagegen Einspruch erheben wollte und kam ihm zuvor – obwohl General Patton schon oft auf Journalisten hereingefallen war, die Zusagen nicht eingehalten hatten, fragte er: »Ich kann mich doch darauf verlassen, daß alles off the record ist, was Sie hier hören werden.«

      »Das garantiere ich Ihnen, Sir«, erwiderte Judy Tyler. »Ich werde kein Wort darüber schreiben.« Sie hatte eine angenehme Stimme und sie sprach ein klares, fast britisches Englisch.

      »Alles okay, Craig«, beruhigte der General seinen Intimus. Spott kräuselte seine Lippen: »Du weißt doch, daß ich auf das Wort einer schönen Frau einen hohen Turm baue.«

      »Den Turm zu Babel«, knurrte Colonel Rigby.

      Die Reporterin lachte, offensichtlich hatte sie auch Humor.

      »Would you like a drink, Judy?« fragte Patton.

      »Oh yes, General«, erwiderte Judy. »Icewater.«

      Die ersten Offiziere, die zu dieser Besprechung befohlen worden waren, traten aus der Villa und blieben stehen, als sie sahen, daß der Chef der 3. Armee noch beschäftigt war. »Come in, Gentlemen!« rief ihnen Patton zu.

      »Würden Sie bitte den Helm abnehmen, Sir«, bat die Reporterin.

      »Muß das sein?«

      Als Judy Tyler nickte, trennte sich der General vorübergehend von seinem goldenen Prunkstück. Da er eine Stirnglatze hatte, zog er automatisch den Kopf in den Nacken, um möglichst viel Grauhaar ins Bild zu bringen. Die Reporterin lächelte; Patton war eitel wie ein Pfau, aber ein Mann mit seinen Meriten konnte sich das Radschlagen leisten.

      Das Thema der Besprechung war den Teilnehmern nicht eröffnet worden, aber Captain Freetown, der mittelgroße Theater-Offizier – er galt als Menschenfreund schlechthin – stellte fest, daß alle Befohlenen fließend deutsch sprachen und mittelbar oder unmittelbar oder auch nur am Rande mit der politischen Säuberung befaßt waren, wenn auch nicht so übereifrig wie Captain Wallner vom ›Denazification Policy Board‹. Der Offizier schnitt ein trauriges Dackelgesicht mit tiefen Falten, das sich, als er die Reporterin sah, sofort spannte wie ein Regenschirm, prall und rund vor Erwartung. Er galt als Ladykiller, der bei der Schürzenjagd freilich mehr Eifer aufwies als Erfolg. Aber in Germany fand sich wohl für jeden Officer der Besatzungsmacht ein aufgeschlagenes Bett.

      »Diese Reporterin kenn’ ich doch«, meinte Major Zielinsky, Chef der Münchener ›Criminal Investigation Division‹ (CID). »Sie ist ebenso reizvoll wie unnahbar. Ein Pflänzchen ›Rühr mich nicht an‹. Viel Kraft. Und noch mehr Ehrgeiz.«

      »Dann lebt der General jetzt wohl gefährlich, Jim«, erwiderte der Theater-Offizier lachend.

      »Sie ist seriös, Marc«, entgegnete der Major, der für die Bekämpfung der Kriminalität zuständig war. »Nicht bloß beruflich. Sie ist verheiratet, lebt – hörte ich – aber getrennt. Wohl ziemlich schiefgegangen, die Ehe. Und jetzt müssen alle Männer dafür büßen, daß es einer bei ihr geschafft hatte.«

      »Gentlemen«, begann der General, »ich hoffe, daß es Sie nicht verwirrt, wenn Mrs. Tyler während unserer Besprechung weiter an mir herumhantiert.«

      Seine Offiziere sahen, daß ihn die Gegenwart einer Journalistin bei einer internen Besprechung nicht störte. Es war leichtfertig, aber ein Mann wie er hielt sich einfach für unangreifbar und schlug alle Warnungen in den Wind.

      Die Ressortchefs der Militär-Regierung erwarteten, daß sie einen der gefürchteten Patton-Ausbrüche erleben würden.

      Der Dolmetscher erwartete Maletta schon am Postentor; er wurde in das Wachbuch eingetragen und erhielt einen Passierschein, auf dem Betreten und Verlassen des Alabama-Depots mit Minutenangabe registriert werden mußten. Die polnischen Blauhelme wollten ihn filzen, aber der Mann mit der Aufschrift interpreter pfiff sie zurück und geleitete den ungebetenen Gast zu Lieutenant-Colonel Williams ins Storage-Office.

      »Beim Verlassen des Geländes kann ich Ihnen die Leibesvisitation leider nicht ersparen«, sagte er. »Wir haben hier verdammt strenge Vorschriften.«

      Der Weg ins Hauptgebäude war nicht weit, aber sie liefen Slalom um Berge von Vorrat. Tag und Nacht rollte Zug um Zug in das Nachschub-Camp mit dem eigenen Bahnanschluß. Unvorstellbare Mengen von Gefrierfleich, Mais, Reis, Zucker, Trockenei und Trockenmilch, von gesalzener Butter, von K-Rations, Zigaretten, Seife, Kosmetikas, Nylonstrümpfen, Unterwäsche, Wolldecken und Bettzeug, Uniformen, Schuhen, Pullovern und Mänteln, Haushaltsartikeln, Schokolade, Coca-Cola und Kaugummi, bis hin zu Autoersatzteilen, Werkzeugen, Kraftstoff und Marketenderwaren, wie Feuerzeuge, Füllfederhalter, Zigaretten-Etuis, Armbanduhren, waren hier auf dem Gelände des früheren Heereszeugamts gehortet. Der Überschuß drohte zu bersten. Die Schuppen und Lagerhäuser


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