Captain Future 09: Jenseits der Sterne. Edmond Hamilton

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Captain Future 09: Jenseits der Sterne - Edmond  Hamilton


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sagte das Gehirn mit seiner monotonen, blechernen Kratzstimme. Seine Stielaugen richteten sich auf Curts Gesicht. »Du hast doch sicher irgendeinen Plan im Hinterkopf, Junge.«

      Captain Future zögerte. »Ich habe einen Plan. Ihr haltet ihn aber vielleicht für ein bisschen abenteuerlich …«

      »Lass hören«, dröhnte Grag. Die Stimme des riesigen Roboters ließ überall im Labor kleinere Instrumente erzittern.

      Curts graue Augen waren von großem Ernst erfüllt. Im Grunde seines Herzens war er ein Idealist. Unter seiner Vorliebe für riskante Abenteuer und seinem Humor verbarg sich die tiefe Überzeugung, dass sein Leben einer Bestimmung geweiht war – dass er die Kräfte, die ihm dank der einzigartigen Umstände seiner Geburt und seiner ungewöhnlichen Erziehung zur Verfügung standen, zum Wohl der Bevölkerung des Sol-Systems einsetzen musste.

      »Es geht ja nicht nur um den Merkur. Ja, heute ist es der Merkur, der um sein Überleben kämpft, weil seine Atmosphäre zusammenzubrechen droht. Aber irgendwann werden die Bewohner anderer Planeten den gleichen Schwierigkeiten gegenüberstehen. Und diesem Problem ist durch die Notlösungen, die schon dem Merkur nicht helfen konnten, nicht beizukommen. Der Versuch, durch chemische Umwandlung Sauerstoff aus bestimmten Mineralien zu gewinnen, ist ein Fehlschlag.

      Was wir brauchen …« Mit leuchtenden Augen sah er in die Runde. »Was wir brauchen, ist eine Methode, um unbegrenzte Mengen Sauerstoff und Wasser aus dem Nichts zu gewinnen. Und ich glaube, ich habe eine Idee, wie wir das bewerkstelligen können.«

      Simon Wright lauschte Curts Worten mit einem eigenartigen Stolz. Für das Gehirn und auch die beiden anderen Futuremen war Curt nicht nur Anführer, sondern auch Sohn. Die drei nichtmenschlichen Geschöpfe hatten ihn aufgezogen, hatten miterlebt, wie aus dem hilflosen Baby von einst der außerordentlich bemerkenswerte Mann wurde, der heute vor ihnen stand.

      Vor vielen Jahren war Roger Newton, ein junger Wissenschaftler von der Erde, zum Mond gereist, gemeinsam mit seiner jungen Braut und seinem Kollegen Simon Wright. Gemeinsam hatten sie diese unterirdische Anlage erbaut, die zugleich als geheimes Labor und als Heimstatt diente. Und hier hatten sie ihr großes Experiment in Angriff genommen: Die Erschaffung künstlicher Intelligenz. Hier war Grag erschaffen worden, der intelligente Roboter, und Otho, der synthetische Mensch. Hier war Curt Newton geboren worden.

      Und genau in diesem Labor waren bald darauf Curtis Newtons junge Eltern von Feinden brutal ermordet worden. Gemeinsam hatten das Gehirn, der Roboter und der Androide das Waisenkind aufgezogen, hier in ihrer Festung auf dem kargen, luftlosen Trabanten. Hatten ihm eine Bildung von unvergleichlicher Tiefe und Komplexität zukommen lassen. Diese Bildung und sein ererbter Verstand hatten aus dem jungen Curt Newton den unerschrockenen, brillanten Wissenschaftsabenteurer und Kreuzritter gemacht, den man im ganzen Sonnensystem als Captain Future kannte.

      »Du willst unbegrenzte Mengen Sauerstoff und Wasser aus dem Nichts gewinnen?«, wiederholte Otho ungläubig. »Wie im Namen der Sonne willst du das anstellen?«

      »Materie«, erinnerte ihn Curt, »ist im Wesentlichen Elektrizität. Elektronen sind Teilchen, die zugleich Bestandteil immaterieller Elektrizität sind. Warum also sollte man nicht aus Elektrizität Materie gewinnen können?«

      »Kann ja sein, dass das theoretisch ginge«, brummte Grag, der nicht überzeugt klang. »Aber getan hat das noch nie jemand.«

      »Noch kein Wissenschaftler, das ist richtig«, korrigierte ihn Curt ruhig. »Aber geschehen ist es bereits, und es geschieht jetzt, während wir uns unterhalten, und zwar durch das Wirken der Natur.«

      Er deutete durch das Oberlicht in den Himmel empor. Das Fenster rahmte einen Kreis voller brennender Sterne und leerem Raum ein, in dem groß und blau die Erde schwamm und die hell gleißende Sonne.

      »Inmitten unserer Galaxie mit all ihren Sternen, Tausende Lichtjahre weit fort, wird unablässig Materie aus elektrischer Energie gewonnen, und zwar in gewaltigen Mengen.«

      »Sprichst du von der Wiege aller Materie?«, schnarrte das Gehirn verblüfft. »Dem Ort, wo Materie geboren wird?«

      Curt nickte. »Genau daran habe ich gedacht, Simon. Wenn wir die Geheimnisse dieser Wiege der Materie ergründen könnten …«

      »Was für eine Wiege? Wovon redest du denn da, Chef?«, grollte der riesige Grag ratlos.

      Curt antwortete mit einer Frage: »Kennst du die Theorie, die Millikan damals im 20. Jahrhundert aufgestellt hat und die später bewiesen wurde – die Theorie vom zyklischen Wechsel zwischen Strahlung und Materie?«

      »Na klar, das weiß sogar ein dämlicher Roboter wie Grag«, mischte sich Otho ungeduldig ein. »Die Materie der Sonnen unserer Galaxie schmilzt beständig dahin und verwandelt sich in Strahlung, Hitze und anderweitige elektromagnetische Energieformen. Eine Zeitlang glaubte man, dieser Prozess würde sich fortsetzen, bis sämtliche Materie verschwunden ist. Dann erriet Millikan die Wahrheit. Dass nämlich irgendwo in der Galaxis ein Punkt existiert, an dem Strahlung auf irgendeinem Wege wieder in Materie retransformiert wird und die sogenannte kosmische Strahlung sozusagen der ›Geburtsschrei‹ neugeborener Materie ist.«

      »Das ist korrekt.« Captain Future nickte. »Und später fand man heraus, dass diese Wiege der Materie irgendwo im Zentrum unserer Galaxis liegt, irgendwo in der Region hinter Sagittarius, dort, wo sich Sternhaufen und Nebelflecken zusammenballen. Von diesem Punkt aus strömen regelrechte Wellen kosmischen Staubs in die Galaxis, die aus neugeborener Materie bestehen, und von dort geht auch ihr ›Geburtsschrei‹ aus, die kosmische Strahlung.

      Wir haben keine Ahnung, wie sich dort in dieser Wiege Strahlung in Materie verwandelt«, fuhr Curt fort, so gelassen, als würde er gerade etwas ganz Alltägliches verkünden und nicht etwa den kühnsten Vorschlag, den es in der Geschichte dieses Sonnensystems je gegeben hatte. »Aber wenn wir uns dorthin begeben, können wir es möglicherweise herausfinden. Und wenn wir das Geheimnis erst gelüftet haben, dann können wir aus Strahlung unbegrenzte Mengen Materie gewinnen, was das Problem mit der Merkur-Atmosphäre lösen würde.«

      »Das ist deine Idee?«, japste Otho fassungslos auf. Vor Verblüffung hatte der Androide die schlitzförmigen grünen Augen weit aufgerissen. »Dich muss der Weltraumschlag getroffen haben, Chef. Dieser Punkt in der Galaxis, wo wir die Wiege vermuten, ist Tausende Lichtjahre weit fort!«

      »Wie sollen wir jemals dort hingelangen?«, fiel Grag mit ein. »Unsere Komet mag ja das schnellste Schiff des ganzen Systems sein, aber selbst ihr Antrieb bringt uns niemals all diese Millionen um Millionen Kilometer weit. Selbst mit Höchstgeschwindigkeit wären wir Hunderte Jahre unterwegs!«

      »Nicht mit dem Vibrationsantrieb, an dem wir vergangenes Jahr herumexperimentiert haben«, entgegnete Curt. »Ihr erinnert euch – der Antriebsring für das Heck des Schiffs, den Simon und ich entwickelt haben, um die Komet mittels reaktivem Schub und hochfrequenter elektromagnetischer Vibrationen anzutreiben. Unseren Berechnungen zufolge müssten sich mit seiner Hilfe Geschwindigkeiten erreichen lassen, die das Vielfache der Lichtgeschwindigkeit betragen.«

      »Euren Berechnungen zufolge, ja«, betonte Otho nachdrücklich. »Aber ihr habt es noch nie gewagt, den Vibrationsantrieb zu testen. Weil kein Lebewesen eine solche Beschleunigung überleben könnte.«

      »Otho hat recht, Junge«, schnarrte das Gehirn. »Wir mussten das Projekt aufgeben, weil erste Tests zeigten, dass die Beschleunigung, die zur Erreichung derart hoher Geschwindigkeiten notwendig wäre, zuerst zu Bewusstlosigkeit führt, dann lebenswichtige Organe zerdrückt und am Ende den gesamten Körper zerschmettert.«

      »Ich weiß«, gab Captain Future ungeduldig zu, »aber du wirst dich sicher erinnern, dass ich eine Methode gefunden habe, diesen Effekt zu umgehen. Wir müssen unsere Körper in Stasis versetzen, innerhalb eines Kraftfelds, das uns vollumfänglich vor dem Beschleunigungsdruck schützt. Aber ehe ich einen entsprechenden Stasis-Kraftfeldgenerator fertigbauen und testen konnte, bekamen wir es mit dem Marsmagier zu tun, und seitdem gab es keine Gelegenheit mehr, mich dem Projekt zu widmen. Aber ich bin sicher, dass es funktioniert. Und dann sind wir in der Lage, solche Geschwindigkeiten zu erreichen, dass wir durchs ganze sternerfüllte Universum rasen können, wenn wir nur wollen.«


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