Ende gut, alles gut. Nataly von Eschstruth

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Ende gut, alles gut - Nataly von Eschstruth


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Hintertreppe empor.

      Sonst hatte er meist bei der zweiten Etage eine kurze Ruhepause gemacht. Heute ging sein Atem schnell und leicht. Er rastete nicht, sondern strebte ungeduldig seinem „Nest im Wipfel“ zu.

      Mit knöcherner Hand schlug er gegen die Türe.

      Man schien ihn schon erwartet zu haben. Schnell ward geöffnet, und ein Jungmädchen blickte ihm mit angstvoll forschendem Blick entgegen.

      Wie alt mochte sie sein?

      Das war schwer zu sagen.

      Das blasse, sehr schmale Gesichtchen sah ernst und gereift aus und passte eigentlich nicht zu dem sehr zarten, beinah krüppelhaften Kinderfigürchen, welches einer Achtjährigen anzugehören schien.

      Kraftlose, kleine Hände, eine eingesunkene Brust und breite Schatten um die Augen erzählten, so stumm sie auch waren, eine herzergreifende Leidensgeschichte.

      Die grossen dunklen Augen blickten aber so verständig und freundlich in die Welt, dass jeder überzeugt war, Michaela musste wohl schon ihre zwölf bis vierzehn Jahre zählen, gewiss schon konfirmiert sein.

      „Ach, Vater! — Wie schön, dass du glücklich wieder daheim bist!“ atmete sie tief auf, und der erst sorgenvolle Blick strahlte auf, als sie das heitere Gesicht des Zurückkehrenden schaute: „Man sieht es dir schon an, dass du gute Nachricht bringst!“

      Ebstorf schob die Sprecherin nicht liebevoll, aber auch nicht unfreundlich zur Seite und schritt an ihr vorüber in die Küche hinein.

      „Hattest du Angst, ich könnte unterwegs gefressen werden, Michaela?“

      „Die Eisenbahn ist jetzt so unsicher, Papa! Man hört so viel von allerhand Unglücken!“

      Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Bin mit heiler Haut davongekommen! Wo ist die Mutter?“

      „Sie hängt die Wäsche in der Bodenkammer auf, und Grete und Suse helfen dabei!“

      Ein schneller, etwas düsterer Blick aus des Invaliden Auge streifte die Sprecherin.

      „Du konntest nicht mit? — Kannst du denn immer noch so schlecht die Stiege herauf? — Der Doktor meinte doch, die Schwäche in deinen Beinen werde sich bald geben! Die sei nur nach dem Scharlachfieber zurückgeblieben, ebenso dein verkümmertes Wachstum, — das könne alles bald überwunden sein?!“

      Die Kleine nickte tröstend und griff wie bittend nach der Hand des Sprechers.

      „Die Kost ist noch zu gering!“ sagte die Köchin von Direktors unten, — „und weil ich ihr nun die Kartoffeln schäle und ihre Sachen flicke, da hat sie mir das ganze Essen zugesteckt, welches überblieb, weil das Fräulein in der Garküche austeilt und dort mit verköstigt wird! — Nun merke ich schon, dass es viel besser wird, — ich werde gar nicht mehr so schwach, wenn ich ein Weilchen stehe!“

      „Und ausserdem bekommst du doch noch deine Suppe vom Verein?!“

      „Die hat der Franzel während der Zeit bekommen, weil er so wächst und immer weint, dass er nicht satt würde!“

      Ebstorf fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das Haar und stöhnte auf.

      „Grauenhaft! Wo soll man denn bei den heutigen Preisen das Geld hernehmen, um nur noch das Nötigste zu kaufen!“ und dann warf er plötzlich den Kopf zurück und lachte hart und kurz auf. „Das soll nun anders werden, Kind! Jetzt werden wir Bauern und bauen uns den Roggen selbst!“

      „Vater!“ das klang wie ein Jubelschrei — „bekommst du das Eigenheim?!“

      Er nickte. „Alles abgemacht! Wenn die Mutter herunterkommt, erzähle ich. — Wo sind die Jungens?“

      „Franzel ist mit seinen Schularbeiten fertig und ist nun mit seinem Wichskasten wieder an die Haltestelle von der Elektrischen, um zu warten, ob sich jemand die Stiefeln abbürsten lässt!“

      Ebstorf zuckte die Achseln. „Armer Bengel! Er wartet oft Stunden lang vergeblich! — Und Frieder? Wo steckt der?“

      Michaelas blasses Gesichtchen färbte sich mit jähem Rot. Wie beschwörend verschlang sie die mageren Finger.

      „Väterchen ... er musste wieder nachsitzen und kam so spät und sitzt nun in der Kammer hinten und lernt noch für morgen!“

      „Wieder nachsitzen?!“

      „Ach lieber, guter Vater ... es wird ihm ja so blutsauer zu lernen!“ flehte Michaela mit Tränen in den Augen; es ist ja kein böser Wille: er begreift es nicht ... und weil der Lehrer so schlägt, kann er oft aus lauter Angst das Auswendiggelernte nicht mehr aufsagen!“

      Ebstorf hatte den Hut an den Wandnagel gehängt und trat in das kleine Nebenstübchen, wo neben zwei Betten noch der Überrest des ehemaligen Mobiliars stand. — Ein schönes Sofa, ein runder Tisch, ein Sessel und der feine Schrank. —

      Davon hatten sich die unglücklichen, verarmten Menschen noch nicht trennen können.

      „Das ist’s ja! Er hat keinen Lernverstand!“ sagte er erstaunlich milde; „sonst so ein stämmiger, geschickter Bengel, dem alles Handwerk glatt von den Fingern geht! Na ja, passt ja ganz gut. — Wird grade auf dem Papenburger Moor in seinem Element sein, — da passt er hin und kann uns mehr nützen, wie hier mit all der elenden Magisterweisheit!“

      Michaela atmete auf wie erlöst — der arme Frieder braucht sich nicht mehr, zitternd vor Angst, vor einer zweiten Tracht Prügel zu verstecken.

      „Soll ich dir eine Tasse Kaffee einschenken, Papachen?“

      Er schüttelt den Kopf und wirft sich in die Sofaecke nieder.

      „Wenn die Mutter kommt, essen wir wohl gleich?“

      „Kartoffelsalat! Alles schon fertig! — Und eben höre ich auch den Franzel die Treppe herauf pfeifen!“

      Mit unsicheren Schritten wankte das Jungmädchen abermals zur Küchentür.

      Lang aufgeschossen und dennoch kräftig trappst der Junge herein.

      „Heute hat’s geschafft!“ kreischt er voll freudiger Aufregung, — „Michele! Liebes Michele! Drei Mark!“

      Michaela schlägt die Hände zusammen. „Du liebe Zeit, ist das eine Freude! So viel hast du seit langem nicht gehabt!“

      „Wo sie absprangen an der Elektrischen, stand grade eine recht schmutzige Wasserpfütze ... die hat’s mir eingebracht! Guten Tag, Vater! — Bist wieder zurück!? — Na ... und! ... Ich sah dir’s schon an ... lachst ja ... dann hast du das Häuschen bekommen!“

      Ebstorf fasst den Jungen bei beiden Schultern und schüttelt ihn vergnüglich.

      „Du Schlingel ... Drei Mark verdient? Na, zwar nur ein Tropfen auf einen heissen Stein, aber doch immer besser wie nichts! Scheint ja ein leidlicher Tag heut zu sein! Da kommt ja auch die Gesellschaft vom Boden herunter ... so, und der Frieder äugt auch um die Tür herum ... heda Minchen! — Jetzt gibt’s Neuigkeiten!“

      Frau Ebstorf trat hastig ein.

      Sie stand in mittleren Jahren, von kleiner, gedrungener Figur und einem Gesicht unter leicht ergrautem Haar, in welches alle Entbehrungen, Sorgen und bittere Not ihre Runen gezeichnet.

      „Vater!“ rief sie, streckte ihm beide Hände entgegen und blickte, ebenso wie die Kinder, ängstlich forschend nach seinem Gesicht: „Wie steht’s“

      „Gut, Minchen, gut! — Der Würfel ist gefallen, nun wollen wir nur hoffen und wünschen, dass alles für die Zukunft so klappt, wie ich das jetzt berechnet habe; dann sind wir aus allem Druck heraus!“

      „Hurra! Hurra! Wir gehen aufs Land!“

      „Wir bekommen ein Eigenheim!“

      „Wir siedeln uns an!“

      Die Kinder überschrien sich in jauchzender Freude, Franzel warf stürmisch die Mütze in die Luft und tobte: „So wie Robinson


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