Ende gut, alles gut. Nataly von Eschstruth

Читать онлайн книгу.

Ende gut, alles gut - Nataly von Eschstruth


Скачать книгу
Ulk mit dem Bengel machten!

      Der Holunder war über den Gartenzaun herübergewachsen.

      ‚Das ist doch Fieken, welche just hochlangt und die breiten Knospendolden abschneidet? Natürlich, die gute Rieken!‘

      ‚Sie will man die Holtern tom Mittag in Eierkaukenteig backen!‘ nickte der Bauer und schob die Pfeife von dem rechten Mundwinkel in den linken.

      Da sah sie mich schon.

      Sie unterbrach sich und kam in den derben Lederschuhen näher, wischte die Hand an der Schürze ab und bot sie mir mit kräftigem Druck entgegen:

      ‚Die Wirtschafterin.‘

      ‚Das muss ich sagen, Fieken: Verändert haben Sie sich in all den Jahren aber hier nicht!‘

      ‚Nee,‘ schalt der Bauer, ‚se is man no’ ganz so kwidderig und ramenterig wie sonst! Das gönnt sich keen’ Ruh nich’ bei Tag und Nacht! Selbst an’ Sonntag kann se die Hände nich still halten! Sonst wächst bi den Alten doch mit den Jahren ’n beeten Sitzfleisch an, bei der Rieken mot dat awer in Vergessenheet geraten sin!‘

      So schien’s.

      Behende und wusselig, wie ich sie nie anders gesehen, wirtschaftete die Haushälterin auch heute noch herum, — ohne sonderlich viel Geduld, gutmütig mit den Mägden scheltend und nach dem Tadel freigebig das Wohlverdiente lohnend, abhold jeder Neuerung, abergläubisch wie alle Leute im Moor, und perfekt im Brauen von einem Ingwerschnaps, was der alte Hans als grösste Tugend an ihr schätzte. Ebenso wie im Uthenhof war auch im Dorf alles beim alten geblieben, und da war es denn kein Wunder, wenn ich mir vorkam, wie der Peter aus der Fremde, welcher sich endlich heimgefunden.

      An dem freundschaftlichen Empfang, welcher mir ward, merkte ich erst, welch ein gutes Gedächtnis der Bauer hatte, und wie fest in den Herzen dieser schlichten Landleute die Dankbarkeit wurzelt, selbst für Dinge, welche in unseren Augen eine solche Kleinigkeit bedeuten!

      Einen Ruhetag geopfert, um den Leuten zu helfen, ihr Heu einzufahren!

      Ich hatte so gar nichts daraus gemacht, aber Uthlede belehrte mich jetzt eines Besseren.

      ‚Wissen Sie, Ebstorf!‘ sagte er und sprach Hochdeutsch mit mir, weil er merkte, dass mir das Platt doch allzu ungeläufig war, ‚damals, als Sie mir halfen die Nachmahd einholen, stand viel für mich auf dem Spiel! Die Gluthitze des Sommers hatte viel zu früh eingesetzt und mir fast die ganze Heuernte zunichte gebrannt. Auch die Rübenpflanzen hatten stark gelitten, und was das heisst, Ställe voll Vieh und kein Futter haben, das werden Sie erst mal ermessen können, wenn Sie selbst ein bisschen Eigenes haben!‘

      ‚Aber wir hatten doch noch so viele Wagen voll Grummet eingebracht!‘ warf ich verwundert ein.

      ‚Das war’s ja! Die vielen Wagen voll, unser ganzer Reichtum, von welchem unsere Viehwirtschaft sozusagen abhing! — Nach der heissen Zeit kamen Wochen voll unaufhörlicher Gewitter mit Regen über Regen! — Da wir das Gras schon geschnitten hatten und just diese Wiesen an und für sich etwas sumpfig waren, liefen wir Gefahr, dass uns nun wieder die ganze Mahd verfaulte, wenn sie nicht rechtzeitig geborgen werden konnte. — Gerade an jenem Sonntag hatten wir ein paar sonnige Tage hinter uns, dass wir einfahren konnten, und just da drohte ein neues Gewitter! — Hätten Sie und Ihre Kameraden nicht geholfen, das heisst, hätten Sie die anderen Soldaten nicht so energisch herangenommen, wir hätten tatsächlich auch noch das Grummet verloren und mit ihm viel Vieh; denn was nicht ernährt werden kann, muss als Schlachtvieh abgehn!‘

      ‚Ich weiss! — Auch Ihr Hafer und Roggen standen zum Teil noch auf dem Feld in Hocken, und galt die nächste trockene Zeit dem Einfahren dieser wichtigsten Faktoren, mit welchen der Landwirt zu rechnen hat!‘“

      „Warum das, Arnold?“

      „Weil das Getreide sonst auswächst, Minchen.“

      „Und dann ist das Korn nicht mehr zu gebrauchen?“

      „Es büsst wenigstens sehr viel von seinem Wert ein, — oft ist es auch ganz verloren, weil sich das Korn schon zum Keim entwickelt!“

      „So ist auch viel Risiko und Sorge bei der Landwirtschaft?“ fragte die blasse Frau ängstlich.

      Ebstorf schüttelte zuversichtlich den Kopf.

      „Wo wäre das nicht! — Bei dem kleinen Besitz, wie wir ihn haben, sprechen die nötigen Arbeitskräfte nicht so mit, wie auf weiten Ländereien! — Wir sind ja Leute genug, um unsere Ernte rechtzeitig zu bergen! — Nicht wahr, Jungens? Wir wollen alle tüchtig zugreifen?“

      Ein lebhaftes, aufgeregtes Zustimmen.

      „Wir helfen doch auch mit, Vater!“ bestürmten Suse und Gretel den Sprecher, und der Kriegsinvalide legte wohlgelaunt den Arm um die kleinen Mädels und nickte zustimmend.

      „Das will ich meinen! Ihr habt ja stramme Arme und Beine und könnt uns alle sehr nützlich sein! Wenn ich euch viere nicht hätte, würde ich es nicht riskieren, eine kleine Landwirtschaft anzufangen!“

      „Und Michaela?“ fragte Frieder schnell.

      Ebstorfs Miene verfinsterte sich wieder. Er war kein grausamer oder gar rauher Mann, aber er hatte keinerlei Verständnis für die Seelenqualen, welche ein körperliches Siechtum bei einer so weichen, zärtlichen Kinderseele wie Michaela auslöst. —

      Der Verlust seines Auges genierte ihn wohl, hemmte aber nicht seine Arbeitskraft; im Gegenteil, eine gewisse Bitterkeit hatte in seinem Herzen Wurzel geschlagen, dass er, der schon so schwer von dem Schicksal heimgesucht war, auch noch das Unglück ertragen musste, ein sieches Kind, welches nur kostet und nicht verdient, mit sich herumschleppen zu müssen.

      So sah er mit nicht allzu freundlichem Blick in das wachsfarbene Gesichtchen seiner Ältesten.

      „Michaela? Nein, die kann uns in dem kleinen Eigenheim nichts nützen! Da kommt’s auf Körperkraft an. Aber der Doktor meint ja, mit der Zeit würden die Beine wieder kräftiger werden. Na, hoffen wir das Beste! — Ihr seid ja brave Kinder und werdet schon das Eure tun, die Schwester ernähren zu helfen!“ —

      Flammendes Rot stieg in Wangen und Schläfen des Jungmädchens, um nach wenig Sekunden einer um so fahleren Blässe Platz zu machen.

      Das Köpfchen sank tief und schwer auf die schmale Brust, wie bei einer Blume, welche in der Hitze der Trübsal, ohne einen Tropfen der Labung dahinwelkt. Frau Minna wehrte mit der Hand ab.

      „Nanu! so unnütz ist sie denn doch nicht! Sie braucht ja nicht mal mehr zu liegen, und wenn wir auf dem Felde sind, kann sie das Feuer im Herd warten und nach dem Essen sehn! Das versteht sie ja ganz gut. — Nicht wahr, Michaela?“

      Die Genannte nickte und kämpfte tapfer die Tränen herunter.

      „Es wird ja immer besser! Ich hoffe und glaube es ja so zuversichtlich!“ sagte sie leise, mit flehendem Blick nach dem Vater. „Es gibt ja auch sonst noch Arbeit im Hause ... flicken ... nähen ...“

      „Sie muss alle noch so nebenbei gemacht werden, wie dies auf dem Bauernhof auch Sitte ist!“

      „Ich möchte lieber draussen auf dem Acker arbeiten!“ rief Suse.

      „Und ich im Garten!“ bat Grete stürmisch.

      „Das dacht’ ich mir, dass ihr wilden Hummeln lieber die Muskeln bei der Feldarbeit stählt! Wenn es erst gilt, zu graben, zu hacken, Kartoffeln zu buddeln!“

      „Kannst du eigentlich mähen, Vater?“

      „Ich habe es während der drei Manöver auf dem Lande verversucht, mein Junge! Das ist nicht schwer. Ihr Buben lernt es um die Wette mit mir. Hans Uthlede hat mir versprochen, dass er mich in allen Dingen anleiten und mir mit Rat und Tat zur Seite stehen will!“

      „Das ist ein köstliche Beruhigung!“ atmete die Mutter auf. „Da lernt man alles am schnellsten und gründlichsten und ist nicht so verlassen und verloren! Hast du denn den Kauf schon abgeschlossen, lieber Arnold?“

      „Ja,


Скачать книгу