Prinz Albrecht Straße. Will Berthold

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Prinz Albrecht Straße - Will Berthold


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      Will Berthold

      Prinz Albrecht Straße

      Romam nach tatsachen

      Saga Egmont

      Prinz Albrecht Straße

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      Copyright © 2017 by Will Berthold Nachlass,

      represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de).

      Originally published 1964 by Lichtenberg Verlag, Germany.

      All rights reserved

      ISBN: 9788711740149

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1

      Der Tag war schön und kalt. In der flimmernden Luft tänzelten Schneekristalle, das barometrische Hoch reichte vom Ural bis zum Atlantik. Sein Zentrum stand über Deutschland, das gerade begann, sich in ein einziges Gefängnis zu verwandeln.

      Eine dunkle Mercedes-Limousine fuhr langsam und gleichmäßig über die eisglatte Landstraße. Die Heizung des Wagens kämpfte kraftlos gegen die Kälte. Die beiden Insassen, ein Mann und eine Frau, beide jung, hatten ihre Beine in dicke Wolldecken gewickelt. Die Skier auf dem Wagendach wippten lustig mit ihren gebogenen Köpfen.

      Die junge Frau strich sich die Haare aus der Stirn. Sie war über zwanzig, hübsch und sportlich. Ira Puch, Gymnastiklehrerin aus Berlin, verkörperte mit blauen Augen und blondem Haar und einer Länge von ein Meter siebzig den Idealtyp einer Zeit, deren Auftakt Saalschlachten gewesen waren.

      Ira lehnte sich zurück, sie ließ ihr schmales Gesicht mit den vollen Lippen von der Wintersonne streicheln, räkelte sich wie ein Katze und gähnte faul.

      »In zehn Minuten sind wir an der tschechischen Grenze«, sagte ihr Begleiter.

      Sie nickte.

      »Sie brauchen keine Angst zu haben«, fuhr er fort. »Wir schaffen es schon.«

      Ira betrachtete ihn von der Seite. Sie wußte nicht, wie er hieß, noch wer er war. Sie wußte nicht, was er wollte und was sie sollte. Er hielt das Steuer des Wagens mit beiden Händen fest. Sie wirkten kräftig, geübt und sicher. Hände, brutal und zärtlich, die ebenso sicher in den Haaren einer Frau wühlen, wie sie den Abzug einer Maschinenpistole bedienen können.

      Diese Hände passen zu seinem Gesicht, dachte Ira, wie der Absatz zum Stiefel. Der Mann mit dem ausgeprägten Kinn, der wuchtigen Nase, den schmalen Lippen, der hohen Stirn und den grauen Augen wirkte so männlich wie gefühlsarm. Die schräg zueinanderstehenden Augen mit den dichten, dunklen Brauen ließen das Gesicht kühl wirken. Mut war selbstverständlich bei diesem Mann, einem Vorzugsschüler des sich eben unter dem Hakenkreuz bildenden deutschen Geheimdienstes.

      »Wenn wir den Schlagbaum sehen«, fuhr er fort, »sagen wir ›Du‹ zueinander. Das ist Ihnen klar?«

      Die junge Frau nickte wieder.

      »Wie heißen Sie?« examinierte er sie.

      »Ira Stahmer«, erwiderte sie belustigt. »Geborene Puch.«

      »Verheiratet?« unterbrach er sie.

      »Mit Ihnen.«

      »Gut«, antwortete der Mann. »Und was bin ich von Beruf?«

      »Technischer Direktor.«

      »Und wo haben wir geheiratet?«

      »In Breslau … Standesamt III … Trauzeugen waren …«, versetzte Ira mit deklamierendem Spott.

      »Seit wann?«

      »Seit dem 2. Dezember.«

      »Schon gut«, entgegnete der Fahrer.

      Er zündete sich eine Zigarette an. Der Mann hieß Werner Stahmer, wenigstens auf dieser Fahrt, er wechselte die Namen wie die Hemden. Die Hemden waren weiß, die Namen würden bald in allen Fahndungsbüchern der Welt stehen. Sie waren falsch, aber die Pässe, in denen sie aufgeführt wurden, waren echt. Denn der Fälscher stellte sie auch aus: der Staat unter dem Hakenkreuz. Stahmers Arbeitsplatz war die Hölle, sein Auftraggeber der Teufel. Er hieß Heydrich und war der Chef des erst später offiziell so genannten Reichssicherheitshauptamtes.

      »Denken Sie daran«, sagte er, »daß Sie nichts weiter zu tun haben, als meine Frau zu spielen …« Er lächelte verschwommen. »Hoffentlich fällt es Ihnen nicht zu schwer.«

      Iras Gesicht veränderte sich nicht, sie spürte Neugierde und Angst. Man hatte ihr einen Vorschlag gemacht, und sie war darauf eingegangen. Den Mann an ihrer Seite kannte sie genau zwei Stunden, und sie war schon seine Komplizin. Sie war ihm zugeworfen worden wie einem Rekruten auf der Kleiderkammer die Klamotten.

      »Wir müssen wie ein Pärchen wirken«, sagte Stahmer, »ganz intim.«

      Er betrachtete seine Begleiterin kühl und sachlich. Dann setzte er hinzu: »Kann mir vorstellen, daß es Ihnen peinlich ist … aber die Burschen an der Grenze müssen glauben, daß wir noch in den Flitterwochen leben. Klar?«

      »Ja«, erwiderte sie.

      »Sehr gesprächig sind Sie nicht«, sagte er, und dann wie zu sich selbst, »um so besser.« Er betrachtete sie prüfend und setzte hinzu: »Aber Sie haben sich freiwillig für den Auftrag gemeldet?«

      »Gewiß«, erwiderte sie lächelnd. »Nur weiß ich nicht, um welchen Auftrag es sich dabei handelt.«

      »Seien Sie froh!« sagte er. Er sah wieder stur geradeaus, Richtung Grenze. Je näher er kam, desto mehr straffte sich sein Gesicht. Sein Blick sicherte nach allen Seiten. Er war zwar in dieser Branche noch ein Anfänger, aber er wollte es weit bringen.

      Ira hatte keine Ahnung, in welches Abenteuer sie hineinrollte, es war ihr auch gleichgültig. Irgend jemand hatte ihr beizubringen versucht, daß es zum Wohle Deutschlands geschehe. Auch hier neigte sie nicht zur Überbewertung wie etwa ihr Vater, der schon seit vielen Jahren das Parteiabzeichen trug und nicht mehr vom Volksempfänger wegkam.

      Ira verstand von diesen Dingen nichts und wollte sich auch nicht mit ihnen beschäftigen. Ihre natürliche Abneigung gegen die Braunhemden war mehr weiblich als politisch. Sie trug Stökkelschuhe lieber als flache Absätze, sie zog es vor, im Cocktailkleid zu brillieren, als in BDM-Uniform durch die Straßen zu marschieren. Hinter einem kümmerlichen Wimpel her, der wie eine Dreiecks-Badehose wirkte.

      »Haben Sie Geld bei sich?« fragte Werner Stahmer.

      »Ja«, erwiderte sie, »aber nicht viel.«

      »Geben Sie es mir.«

      »Warum?«

      »Gewöhnen Sie sich daran, daß ab sofort Ihr Ehemann für die Spesen aufkommt.«

      Der Wagen hatte die Ortschaft Bodenbach passiert. Stahmer sah das Zollschild und schaltete den ersten Gang ein.

      Die deutschen Beamten benahmen sich korrekt, aber unfreundlich, als wollten sie hier am Rande des Niemandslandes schon demonstrieren, daß der barsche Kommandoton in Deutschland en vogue sei.

      Stahmer ließ die umständliche Prozedur mit einem fast mitleidigen Ausdruck über sich ergehen. Sein Sonderausweis, der jede Tür geöffnet hätte, war in einem Berliner Safe. Hier ließ er es darauf ankommen, die lächerlichen fünfzig Reichsmark vorzuzeigen, die er ins Ausland mitnehmen durfte.

      Der Schlagbaum hob sich, die schwarze Limousine rollte weiter.

      Die Grenzbeamten


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