Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд

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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд


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Ward wäre nicht die erste Kupplerin oder Kurtisane gewesen, die ihre Tochter der Hausmutter eines Internats in die Obhut gab. Viele vornehme Herren hatten eine Schwäche für heranreifende Jungfern, und so hätte schon die bloße Anwesenheit eines mannbaren Mädchens in den unzüchtigen Verhältnissen eines Bordells zu viele Versuchungen geweckt. Elizabeth Ward wollte ihrer Tochter kostbarstes Gut keineswegs durch eine Vergewaltigung vergeudet sehen oder es den leise gemurmelten Überredungsversuchen eines in Liebe entbrannten, doch mittellosen Werbers opfern. Als eine der lukrativsten geschäftlichen Transaktionen ihrer Mutter wurde das Ende von Charlottes Jungfernschaft vielmehr bis ins letzte Detail vorausgeplant. Über etwa vierzehn Jahre hinweg muss Mrs. Ward die Reize ihrer Tochter gehegt und gepflegt und ihren Bildungsweg finanziert haben; alles, um sie für den wichtigsten Tag ihres Lebens vorzubereiten: ihre Initiation in die Riten der Venus.

      Wie jede Tochter der Gesellschaft wurde sicher auch Charlotte, als die Zeit dafür reif schien – für gewöhnlich wenn das Mädchen zur Frau zu werden begann –, in eine turbulente Welt der Unterhaltung und des gesellschaftlichen Trubels eingeführt. Sobald sie im Theater oder in den Lustgärten als ein neues Gesicht an der Seite von Mrs. Ward auftauchte, war dies ein klares Signal: Charlotte war die heißeste Ware, die ihre Mutter im aktuellen Angebot hatte. Wenngleich ihre öffentlichkeitswirksame Präsentation die Aufmerksamkeit aller möglicher neugieriger Interessenten auf sich gezogen haben muss, hatte doch Mutter Ward zweifellos bereits ihre engere Auswahlliste besonders wohlhabender, hochgestellter Kunden im Kopf, die zur Übernahme der beiden nun anstehenden höchst wichtigen Aufgaben infrage kamen.

      Kein sexuelles Erlebnis war im 18. Jahrhundert begehrter als der Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau. Eine echte Jungfrau war für den Gourmet der Fleischeslust eine Delikatesse, die auch ihren gesalzenen Preis hatte. Da unberührte Mädchen gemeinhin nicht eben mal zufällig in Freudenhäuser hineinzuschneien pflegten, wusste jede Kuppelmutter, dass das Beibringen solcher Schätze einen enormen Aufwand kostete. Der handelsübliche Preis für das Vorrecht, die Nacht mit einem unschuldigen Mädchen zu verbringen, konnte zwischen zwanzig Pfund und fünfzig Guineen – also weit mehr als dem Doppelten – variieren. Ausgesprochen geschickte Kupplerinnen, die besonders schönes junges Frischfleisch zu bieten hatten, konnten diese Preise sogar noch bis zu einer Summe von hundert Pfund in die Höhe treiben. Nicht allein das rein erotische Vergnügen, eine Unschuldige in die Sünde der Unzucht einzuführen, machte die Preise so hoch – der Verkehr mit einer Jungfrau bot zudem auch, was man wohl als die damals einzig verfügbare Möglichkeit einer wirklich sicheren sexuellen Zusammenkunft betrachten kann. Wer immer Charlotte entjungfert hat, wird wahrscheinlich ziemlich wohlhabend gewesen sein, und ganz bestimmt war er kein Mann ihrer eigenen Wahl. Wie der Autor der Nocturnal Revels seine Leserschaft glauben machen will, stand Mrs. Ward, was das Verschachern ihrer Tochter anging, nicht ohne Grund in dem Ruf, krumme Touren zu reiten. Es scheint, dass Charlotte noch mehrere weitere Male »als Jungfrau verkauft« wurde – an Ahnungslose und zweifellos zu ähnlich unverschämten Preisen.

      Nach ihrem Eintritt ins Geschäftsleben wurde Charlotte wie eine Delikatesse herumgereicht, um von den Kunden ihrer Mutter gekostet zu werden. Schon eine einzige Nacht mit der Novizin ihres Bordells dürfte Mrs. Ward einen ordentlichen Batzen Geld eingebracht haben, dazu kamen noch Schmuckstücke und sonstiger Flitterkram. So verlockend diese ersten Beweise ihres Erfolgs waren, ihre Mutter wollte darüber hinaus doch auch noch den höchsten Gewinn herausschlagen, den sie für ihre Tochter erzielen konnte: ihre Aufnahme in den vornehmen Stand der Kurtisanen oder »Femmes entretenues«.

      Im 18. Jahrhundert waren alle Huren keineswegs »gleich erschaffen«. Manche landeten durch Zufall in diesem Gewerbe, andere jedoch trieb ihr entschiedener Wille, die gesellschaftliche Leiter zu erklimmen. Die Schwesternschaft der Buhldirnen umfasste vielerlei Klassen, von der notleidenden und kranken obdachlosen Bettelhure (bunter oder bulkmonger) am untersten Ende bis hin zur ganz oben stehenden kept mistress, der »unterhaltenen Mätresse« (später meist als Kurtisane bezeichnet), die sich mit Seide und Juwelen schmückte und in Saus und Braus lebte. Wie einen Luxusartikel konnte man auch die Gesellschaft einer schönen, charmanten und feinsinnigen Mätresse zu einem exklusiven Preis auf Zeit mieten, doch konnte ihr Courmacher sie, zumindest theoretisch, auch richtiggehend besitzen, wenn er ihr nur ihre Wohn- und Lebenskosten deckte. War er sehr wohlhabend, konnte sich die junge Frau, die das Glück hatte, seine ausgehaltene Mätresse zu werden, alle luxuriösen Extravaganzen leisten, die man mit Geld kaufen konnte. Die Mode verlangte von einem Gentleman von Rang und Einfluss, dass er sich, um seine finanzielle Potenz unter Beweis zu stellen, eine Mätresse hielt, die in ihren Ausgabegewohnheiten genauso verschwenderisch war wie er selbst. Unterhaltene Mätressen hatten bei den Ladeninhabern und Damenschneidern, an den Spieltischen, in den Gasthäusern und Theatern freie Hand; alle Ausgaben konnten sie auf die Rechnung ihres generösen Amants setzen. Zum großen Verdruss der zeitgenössischen Tugendrichter genossen solche Mätressen kein schlechteres Leben als die adeligen Ehefrauen, deren Abbild sie waren. Sie kleideten sich in die gleichen Gewänder, trugen den gleichen Schmuck und fuhren in den gleichen Privatkutschen; und die Straßen, wo sie in Gemächern mit vergoldeten Möbeln und Damastwänden wohnten, gehörten zu den ersten Adressen der Stadt. Viele führten einen kompletten eigenen Haushalt mit Dienstpersonal, das oft eine eigens angefertigte Speziallivree trug. Sie luden zu luxuriösen Abendessen, gaben aufwendige Gesellschaften und präsentierten so eine Alternative zu jener eher spießbürgerlichen Existenz, die tugendhafte Gemahlinnen und rechtschaffene Töchter fristeten. Für ebendieses Leben rüstete Mrs. Ward ihre Tochter – und nicht für den Freierfang auf der Straße oder die Abhängigkeit von einer Kupplerin. Für eine uneheliche Hurentochter von niederer Geburt bot diese Form von Prostitution die einzige Möglichkeit, sich aus der Gosse der Gesellschaft herauszuarbeiten; immerhin konnte es schon einmal vorkommen, dass aus dem treuen Unterhalter einer Mätresse schließlich ihr legaler Ehemann wurde.

      Der größte Nutznießer eines solchen Kurtisanenlebens würde natürlich Charlotte selbst sein, doch konnte auch ihre Mutter erwarten, davon zu profitieren. Die Gepflogenheiten des Bordellwesens verlangten eine akzeptable Abfindung, um eine Hurenwirtin für die Trennung von einer Frau zu entschädigen, die ihrem Haus im Kreise der Wollüstlinge hohes Ansehen verlieh. Diese Abschiedsgeste ließen sich die Kupplerinnen vorzugsweise in Banknoten auszahlen – je größer die Summe desto besser. Dies sollte aber noch keineswegs die letzte Begünstigung sein, die Charlotte ihrer Frau Mama verschaffte. Ein jedes treu ergebene Kind würde seine Mutter selbstredend aus den stets prall gefüllten Taschen seines Liebhabers versorgen, ihr teure Geld- und Essensgeschenke machen und ihre Rechnungen begleichen. Die meisten Femmes entretenues umgab ein ganzes Gefolge aus bedürftigen Familienmitgliedern und Freunden, die sich stets in ihrer Nähe hielten und von dem lebten, was von ihrer üppigen Ausstattung so abfiel. Ein freigebiger Entreteneur billigte solche Aufwendungen bis zu einem gewissen Maß. Trotzdem konnte Charlottes bedenklich nahe Verbindung zur notorischen Mrs. Ward für keinen ihrer Beschützer ein Anlass gewesen sein, sich in entspannter Vertrauensseligkeit zu wiegen; viel eher war sie ein Grund, Charlotte im Auge zu behalten und sich vor etwaigen Kniffen zu hüten, welche die Mutter der Tochter beigebracht haben könnte. Um Charlottes Erfolg in der Arena der Vergnügungssuchenden zu sichern, war daher die Wahl eines »Künstlernamens« ohne jede Verbindung zu dem Kuppelweib, das das Dirnenhaus in Spring Garden regierte, ein notwendiger Schritt.

      Einen Namen abzulegen oder zu ändern war unter den Frauen von Charlottes Profession keineswegs ungewöhnlich. Ein Nachname war wertlos und vernachlässigenswert, wenn er keine direkte Verbindung zu einem bedeutenden Geschlecht oder einer Familie von Rang hatte. Es war viel besser, sich einen passenden Namen beizulegen, den eine verlockende Aura umgab, indem er etwa auf eine illustre Herkunft oder besondere Talente anspielte. Hatte sie das Glück, eine unterhaltene Mätresse zu werden, konnte sie auch den Nachnamen ihres Kurtisans wählen, was gleichzeitig ihr den Status einer Quasi-Ehefrau verleihen und die wohlanständige Gesellschaft in Rage versetzen würde. Warum Charlotte gerade auf den Namen Hayes anstelle von Ward verfiel, ist unbekannt. Vielleicht gibt er uns einen Hinweis darauf, wer ihr erster Buhler gewesen sein könnte, auch wenn die Annalen ihrer Lebensgeschichte keinen Mister, Lord oder Captain Hayes verzeichnen.

      Im Jahr 1740, um die Zeit, als Charlotte Hayes ins öffentliche Leben eintrat, tauchten noch zwei weitere Mädchen »förmlich aus dem Nichts« im Londoner Nachtleben


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