Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn. Edgar Rice Burroughs
Читать онлайн книгу.Affe. In etwa zweihundert Meter Entfernung berührte ein schmaler Ausläufer des Dschungels die Siedlung mit ihren verstreut liegenden Häusern, und dorthin lenkte der junge Engländer seine Schritte. Niemand mochte die beiden sehen, wie sie hinüberschlichen; im nächsten Augenblick schon tauchten sie im Dschungel unter:
Der kleine Jack, der künftige Lord Greystoke, war dem Gesichtskreis der zivilisierten Welt entrückt.
Es war schon spät am anderen Morgen, als der Hausdiener, ein Eingeborener, an die Tür des Zimmers klopfte, das man Mr. Billings und dessen Großmutter zugewiesen hatte. Da er keine Antwort erhielt, wollte er mit dem Hauptschlüssel öffnen; doch stellte es sich sofort heraus, dass bereits ein anderer Schlüssel, und zwar von innen her, im Schloss steckte. Er berichtete dies dem Besitzer des Hotels, einem gewissen Herrn Skopf, der sogleich mit nach dem zweiten Stock hinaufging und kräftig an der Zimmertür trommelte. Auch diesmal kam keine Antwort. Er bückte sich und versuchte, ob er irgendetwas durch das Schlüsselloch erkennen könne. Dabei verlor er das Gleichgewicht, was bei seiner starken Figur nicht zu verwundern war, doch konnte er sich wenigstens gerade noch mit einer Hand auf den Boden stützen. Er fühlte an seinen Fingern etwas Weiches, so wie wenn ihnen mit einem Male eine dicke Flüssigkeit anhaftete, hob die Hand dicht vor die Augen und suchte, so gut es im Halbdunkel des Korridors möglich war, das neue Rätsel zu lösen. Ein Schauder durchlief ihn, als er tiefdunkles Blut an seiner Hand gewahrte. Er sprang auf und stemmte sich mit seinem Oberkörper gegen die Tür. Herr Skopf ist ein starker, stattlicher Mann – oder er war es damals wenigstens, denn ich habe ihn ein paar Jahre nicht wiedergesehen. Die schwache Tür gab jedenfalls unter der Wucht dieses Druckes nach, und Herr Skopf stürzte kopfüber nach innen.
Vor ihm lag das größte Geheimnis seines Lebens: Da war die Leiche eines ihm völlig unbekannten Mannes. Das Genick war gebrochen, die Schlagader durchgebissen, wie wenn sich die reißenden Zähne eines wilden Tieres hineingegraben hätten. Der Körper war splitternackt, die Kleider lagen ringsherum auf dem Boden verstreut. Die alte Dame und deren Enkel waren verschwunden, das Fenster weit geöffnet. Sie mussten also durch das Fenster entkommen sein, denn die Tür war ja von innen verschlossen gewesen.
Aber wie sollte der Junge seine alte kranke Großmutter so aus dem zweiten Stock hinuntergebracht haben? Nein, das war doch zu albern, so etwas überhaupt anzunehmen. Herr Skopf durchsuchte das kleine Zimmer, er bemerkte, dass das Bett von der Wand abgerückt war. Und warum? Zum dritten oder vierten Male blickte er nun unter das Bett … Es blieb dabei: Die beiden hatten sich aus dem Staube gemacht, und doch sagte ihm sein gesunder Menschenverstand, dass die alte Dame unmöglich ohne Träger hinuntergekommen sein konnte; man hatte sie ja gestern herauftragen müssen …
Die weiteren Nachforschungen breiteten nur immer dichtere Schleier über das große Geheimnis. Man fand sämtliche Kleidungsstücke der beiden noch im Zimmer. Sie mussten sich also nackt oder in ihren Nachtgewändern davongemacht haben.
Das Ganze war Herrn Skopf ein großes Geheimnis und ist es zweifellos auch heute noch.
Die kleine braune Meriem
Der Hauptmann Armand Jacot von der Fremdenlegion saß auf seiner Satteldecke, die er unter einer kümmerlichen Palme ausgebreitet hatte. Mit seinen breiten Schultern und dem fast glattrasierten Kopfe hatte er sich bequem an den Stamm der Palme gelehnt, seine langen Beine über die viel zu kurze Decke hinaus weit von sich gestreckt, die Sporen im Sandboden der kleinen weltentlegenen Oase halb vergraben. Kein Wunder, dass er es sich jetzt so gemütlich wie möglich machte, denn er hatte einen langen anstrengenden Ritt durch die Sandwogen der Wüste hinter sich.
Bedächtig und mit sichtlichem Behagen rauchte er seine Zigarette; er erwartete jeden Augenblick seine Ordonnanz, die ihm jetzt die Abendmahlzeit fertig machte. Hauptmann Armand Jacot war heute mit sich selbst und der Welt sehr zufrieden. Ein wenig rechts von ihm herrschte reges Leben und Treiben. Seine Leute, lauter sonnenverbrannte kampferprobte Soldaten, fühlten sich einmal frei von den oft drückenden Fesseln der strengen Disziplin, ihre müden Muskeln entspannten sich, man lachte, scherzte und rauchte, während man sich nach zwölfstündigem Fasten auch endlich wieder einmal etwas für den hungrigen Magen zubereiten konnte. Dort hockten außerdem völlig schweigsam und in sich versunken fünf Araber in weißen Gewändern. Sie waren stark gefesselt und ständig unter scharfer Bewachung.
So oft Hauptmann Armand Jacot zu diesen seinen Gefangenen hinüberblickte, überkam ihn vor allem das wohlige Gefühl voll erfüllter Pflicht. Einen ganzen langen Monat hatte er mit seinem kleinen Trupp in furchtbarer Glut und unter großen Entbehrungen die weiten öden Wüstenflächen durchstreift, und endlich war ihnen nun die Räuber- und Mörderbande ins Garn gegangen. Unzählige Kamele, Pferde und Ziegen hatte die Marodeure auf dem Gewissen und obendrein schändliche Mordtaten, die allein schon genügt hätten, um über die ganze unangenehme Gesellschaft den Stab zu brechen.
Vor einer Woche war man ihnen auf die Spur gekommen. Wohl hatte er im Kampf mit den Banditen zwei seiner Leute verloren, aber die Strafe hatte nicht lange auf sich warten lassen und die ganze Gesellschaft nahezu aufgerieben. Nur ein halbes Dutzend mochte seinem rächenden Arm entronnen sein, die anderen – mit Ausnahme der fünf Gefangenen – hatten ihre Taten mit dem Tode büßen müssen. Dafür hatten die Legionäre mit den kleinen Stahlgeschossen im Nickelmantel schon gesorgt. Und das Allerbeste: Der Rädelsführer Achmet ben Haudin war gefangen.
Von den Gefangenen schweiften die Gedanken des Hauptmanns Jacot in die Ferne. Er überlegte, über wie viele Meilen der Ritt durch den Wüstensand noch gehen musste, bis er wieder in dem kleinen vorgeschobenen Standort anlangte. Morgen würde es soweit sein, morgen würden ihm seine Frau und das kleine Töchterchen freudestrahlend aus dem Hause entgegenkommen und ihn willkommen heißen. In seine Augen trat ein feuchter Schimmer wie stets, wenn er an die Seinen dachte; und er sah es jetzt sogar schon ganz deutlich, wie sich das schöne Antlitz der Mutter in den noch kindlichen Zügen der kleinen Jeanne widerspiegelte, und wie beide ihm strahlend zulächeln würden, wenn er sich morgen spät am Nachmittag von seinem müden Reitpferd herabschwänge. Er fühlte schon die weichen zarten Wangen, die sich an die seinen schmiegen würden, hier die Gattin und da die kleine Jeanne – – wie Sammet auf Leder.
Plötzlich wurde er aus seinen Träumen aufgescheucht. Ein Posten hatte dem Unteroffizier etwas laut zugerufen. Hauptmann Jacot blickte hinüber. Die Sonne