Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn. Edgar Rice Burroughs
Читать онлайн книгу.waren seine ersten Worte. Sie brauchen keinen Hauslehrer und Erzieher für Ihren Sohn … er braucht einzig und allein einen … Dompteur.
Aber wo steckt der Junge denn? warf Lady Greystoke mit lauter, erregter Stimme ein.
Er ist fortgegangen; er sieht sich den Ajax an.
Tarzan wurde es nicht leicht, ein Lächeln zu verbergen. Er stellte noch zu seiner Genugtuung fest, dass der Hauslehrer in der Hauptsache nur unter dem großen Schrecken gelitten hatte, sonst aber nicht irgendwie verletzt war, und fuhr dann sofort in seinem geschlossenen Auto nach der bekannten Musikhalle.
Pawlowitschs Ende
Der Dompteur zögerte mit erhobener Peitsche einen Augenblick vor dem Eingang der Loge, in der der Junge und der Affe ihn erwarteten. Mit einem Male drängte sich ein großer breitschultriger Herr von rückwärts an beiden vorbei und in die Loge; über das Gesicht des Jungen huschte eine leichte Röte, als er den Ankömmling erblickte.
Vater! rief er ihm zu.
Der Affe nahm den englischen Lord rasch aufs Korn, dann ein Sprung … und er war dicht an ihn heran und begrüßte ihn in freudiger Erregung mit einem unverständlichen jauchzenden Geplapper. Die Augen des Herrn weiteten sich, er schien bestürzt und blieb auf der Stelle stehen, wie wenn er zu Stein erstarrt wäre.
Akut! schrie er dann.
Der Junge blickte verwirrt von dem Affen zu seinem Vater und von seinem Vater zu Akut, und dem Dompteur standen Mund und Ohren offen, wie er jetzt hörte, was sich vor ihm zutrug: Über die Lippen des Engländers quollen die Kehllaute der Affensprache … und der riesige Menschenaffe antwortete tatsächlich in gleicher Weise, während er sich dicht an den großen Herrn schmiegte.
Ein anscheinend vom Alter gekrümmter, hässlicher Mann verfolgte von der Bühne aus die Vorgänge in der Loge; man konnte deutlich beobachten, wie über sein mit Narben bedecktes Gesicht in krampfhaften Zuckungen wechselnde Empfindungen liefen, die jede Schwingung der ganzen Tonleiter von heller Freude bis zum tiefsten Erschrecken wiedergaben.
Lange habe ich nach dir gesucht, Tarzan! sprach Akut. Jetzt endlich fand ich dich, und nun will ich in deinen Dschungel kommen und immer dort mit dir leben.
Der Herr streichelte den Kopf des Tieres. All die alten Erinnerungen schossen ihm durch das Hirn, Bild reihte sich an Bild, er sah sich zurückversetzt in die Tiefen des afrikanischen Urwalds, weit weg von hier, dahin, wo dies riesige menschenähnliche Tier vor Jahren mit ihm Schulter an Schulter gekämpft. Er sah den schwarzen Mugambi, wie er mit seinem knorrigen Knüppel zum tödlichen Schlage ausholte, daneben den schreckengebietenden Sheeta mit weit geöffneten Pranken und zitterndem Barte … und dann Akuts furchtbare Affenhorde, wie sie sich dicht an den Wilden und an den kampfwütigen Leoparden herandrängte. Tarzan seufzte. Gewaltig lockte von Neuem das heiße Sehnen nach dem Dschungel, das er schon tot geglaubt, und das nun nur umso schlimmer in ihm wogte. Ach wenn er nur für einen Monat, für ein paar kurze Wochen dahin zurückkehren könnte! Nur einmal wieder fühlen, wie dichtes Buschwerk und die Blätter der Urwaldriesen seinen nackten Körper streiften, wieder einmal den dumpfen Duft versunkener und dahingewelkter Tropenvegetation einatmen können …, wie Weihrauch und Myrrhen wäre das für ihn, der in den Dschungelgründen das Licht der Welt erblickt hatte! Einmal wieder wittern, wie die großen Raubtiere des Urwaldes leise seiner Spur folgten, wieder jagen und gejagt werden …, wieder töten! O, wie diese Bilder ihn mit ihren schillernden Farben lockten und umgarnen wollten! Aber dann traten andere Bilder auf die Schwelle seines Bewusstseins: ein liebliches Frauenantlitz, schön und noch so jung; die Freunde, das Heim, der Sohn … Er zuckte mit seinen gewaltigen Achseln.
Es darf nicht sein, Akut! kam seine Antwort. Doch wenn du zurückkehren möchtest, werde ich dafür sorgen. Du könntest hier nicht glücklich sein … ich nicht dort drüben.
Der Dompteur trat einen Schritt vorwärts, doch der Affe zeigte ihm sofort brummend sein furchtbares Gebiss.
Geh jetzt mit ihm, Akut, sagte der Affen-Tarzan. Ich werde dich morgen besuchen.
Der Affe trottete mürrisch und enttäuscht zum Dompteur, der auf Tarzans Befragen noch sein Quartier genannt hatte. Dann wandte sich Tarzan zu seinem Sohn. Komm mit! sagte er nur, und die beiden verließen die Musikhalle. Man nahm in der Limousine Platz. Minutenlang wurde kein Wort gesprochen. Dann brach Jack das Schweigen.
Der Affe kannte dich ja! begann er, und du unterhieltst dich mit ihm in der Affensprache. Wie kommt es, dass der Affe dich kennt, und wie hast du diese Sprache gelernt?
Und so erzählte denn der Affen-Tarzan in kurzen Umrissen seinem Sohn zum ersten Male von seinem früheren Leben …, von seiner Geburt im Dschungel, vom Tode seiner Eltern, und wie die große Menschenäffin Kala ihn von klein auf genährt und gehegt und gepflegt, bis er als Jüngling ihren schützenden Armen entwachsen sei.
Er verhehlte ihm auch nicht die Gefahren und Schrecken des Dschungels. Er erzählte von den großen Raubtieren, die Tag und Nacht an einen heranschlichen; von den Zeiten der Hitze, da alles schier verdorrte, und von Unwettern und endlosen Regengüssen; von Hunger und Kälte und neuer Tropenglut; vom Nacktsein und von den Ängsten und Qualen jener Zonen. Er malte ihm alles das besonders aus, was den zivilisierten Menschen am meisten mit Entsetzen und Abscheu erfüllt, denn er hoffte, dass die Klarheit über das Leben da drüben dem Jungen die Sehnsucht nach dem Dschungel austreiben würde, wenn sie wirklich schon in ihm irgendwie Wurzel gefasst haben sollte. Und doch war all das, was er sagte, im Grunde nichts anderes als seine Erinnerungen aus der Dschungelzeit, nichts anderes als das, was er in buntem Nebeneinander liebte: das Dschungelleben in seiner ganzen Gewalt und Schönheit. Eines bedachte er zudem nicht, wie er so erzählte …, und das war gerade die Hauptsache: Der Junge, der neben ihm saß und ihm mit atemloser Spannung lauschte, war schließlich doch … der Sohn des Affen-Tarzan. –
Nachdem der Junge zu Bett gebracht worden war – wohlgemerkt, ohne die angedrohte Strafe – berichtete Lord Greystoke seiner Frau den weiteren Verlauf des Abends, und dass er seinem Sohne schließlich das Wesentliche aus seinem Dschungelleben mitgeteilt habe. Die Mutter hatte es ja lange vorausgesehen, dass Jack eines Tages etwas von diesen furchtbaren Jahren hören musste, in denen sein Vater nackt und als beutegieriges Raubtier den Dschungel durchstreift hatte. Sie schüttelte also jetzt nur den Kopf, gab sich aber der Hoffnung hin – an der sie freilich ab und zu schon irre zu werden meinte – dass das, was bestimmt in der Brust ihres Mannes an lockenden Träumen noch oft und heftig nach der Verwirklichung verlangte, wenigstens