Chronik eines Weltläufers. Hans Imgram

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Chronik eines Weltläufers - Hans Imgram


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am Lauf ein A und links ein S bildeten.8

      Dienstag, 31. Januar 1865:9

      Danach war ich mit Winnetou über das Gebirge und trotz der späten Jahreszeit quer durch ganz Wyoming bis nach Fort Niobrara in Nebraska geritten, wo uns der Winter überraschte. In Fort Niobrara wurden wir leider vollständig eingeschneit, und wir sahen uns gezwungen, den ganzen Dezember und Januar in dieser Einsamkeit zu bleiben. Es gab nur zwei Personen, mit denen wir uns zuweilen unterhielten. Das waren die Brüder Burning aus Moberly in Missouri, die in den Black Hills glücklich nach Gold gegraben hatten und sich jetzt mit dem Ertrag ihrer schweren Arbeit auf dem Heimweg befanden. Außerdem hatte sich noch allerhand Volk im Fort zusammengefunden, lauter zweifelhafte Existenzen, mit denen die Burnings nicht verkehrten. Am rohesten betrugen sich zwei Kerls, die Grinder und Slack hießen. Das ständige Wort Grinders war „Ich will gleich erblinden“, während sein Kumpan die Lästerung „Gott soll mich wahnsinnig machen“ im Munde führte. Zu erwähnen sind noch zwei Indianer, die der Schneesturm nach dem Fort getrieben hatte. Sie behaupteten, dem Stamm der Caddo ananzugehören, waren aber wahrscheinlich Ausgestoßene, die nicht einmal Waffen hatten, denn sie waren von den Sioux ausgeraubt worden. Sie wollten nach Kansas hinunter und schnitzten sich Pfeile und Bogen, um nicht unterwegs hungern zu müssen.

      Dienstag, 7. Februar 1865:

      Anfang Februar trat plötzlich milde Witterung mit Tauwetter und dann Regen ein. Der Schnee verschwand, und wir konnten nun daran denken, unseren Ritt fortzusetzen. Zuerst brachen die beiden Indianer auf, zu Fuß natürlich. Zwei Tage später ritten die Brüder Burning fort, denen am nächsten Tag Grinder und Slack folgten.

      Mittwoch, 8. Februar 1865:

      Als erfahrene Westmänner warteten wir noch einen Tag, um zu erfahren, ob die milde Witterung beständig sei; dann brachen auch wir auf. In dem weichen Boden sahen wir ganz deutlich die Spuren derer, die Fort Niobrara vor uns verlassen hatten. Sie alle schienen ohne Ausnahme, so wie auch wir, nach Fort Hillock zu wollen.

      Sonntag, 12. Februar 1865:

      Die Spuren hielten sich beisammen, und wir folgten ihnen über den Loup-Fork hinüber. Von da aus konnte man Fort Hillock nach einem kurzen Tagesritt erreichen. Da es aber jetzt schon über Mittag war, konnten wir nicht vor morgen Vormittag dort eintreffen. Diese Nacht verbrachten wir am Gebüsch eines kleinen Nebenflüsschens des Loup-Fork.

      Montag, 13. Februar 1865:

      Sobald es im Osten nur einigermaßen zu grauen begann, saßen wir auf und ritten weiter. Wir ritten einem Buschwerk zu, um dessen Ecke die Spuren bogen. Da lagen die Burnings bei der Asche eines ausgegangenen Feuers in einer großen Blutlache. Wir durften uns nicht bei den Leichen aufhalten, sondern wir mussten den Mördern folgen, die ihren Opfern Gold und Gewehre abgenommen hatten und dann mit den zwei erbeuteten Pferden fortgeritten waren. Es konnten nur Grinder und Slack gewesen sein, die diese Bluttat vollbracht hatten. Ihre Fährte führte genau in Richtung auf Fort Hillock zu. Nach vielleicht einer halben Stunde sahen wir, dass die Reiter angehalten hatten. Von dieser Stelle an teilte sich die eine vierpferdige Spur in zwei zweipferdige Fährten. Die Mörder hatten die armen Roten hier eingeholt und ihnen die Pferde geschenkt, um den Verdacht von sich ab und auf sie zu lenken. Darum hatten sie ihre Opfer auch nicht erschossen, sondern erstochen, weil die Caddo-Indianer keine Gewehre, sondern nur Pfeile, Bogen und Messer besaßen. Während wir hierauf weiterjagten, sahen wir am Horizont vor uns eine Reiterschar auftauchen, die uns entgegenkam. Es waren Kavalleristen, die in ihrer Mitte die beiden Caddo-Indianer gefesselt mit sich führten. Ich erläuterte dem kommandierenden Offizier die Situation und erklärte die beiden Indianer für unschuldig. Er schien mir zu glauben, denn er wählte sechs Mann aus, die mit den mitgebrachten Spaten zum Ausheben von Gräbern weiterreiten mussten; dann nahm er uns mit den beiden Gefesselten in die Mitte, um nach dem Fort zurückzukehren. Der Kommandant des Forts erkannte mich sofort, doch ich bat ihn, meinen Namen der Sioux wegen nicht zu nennen. Er hatte mich gesehen, als ich 1861 vor meiner Rückkehr nach St. Louis bei Mutter Thick in Jefferson City eingekehrt war. Als wir mit dem Kommandanten allein waren, erzählte ich ihm ausführlich, was wir den Mord an den beiden Goldgräbern betreffend festgestellt hatten. Als Grinder und Slack eintrafen, wurden sie von den Soldaten in Gewahrsam genommen. Später wurden die Mitglieder des Gerichthofes zusammengerufen, der aus den Offizieren und drei Unteroffizieren bestand. Winnetou und ich hatten als Zeugen beizuwohnen und auch die Caddo-Indianer mussten erscheinen. Es gelang nicht, die Verbrecher zum Eingeständnis ihrer Tat zu bringen. Deshalb wurde vereinbart, dass sie sich mit Winnetou und mir auf einen Messerzweikampf in einem dunkeln Schuppen einlassen würden. Da wurde es ganz plötzlich außerordentlich kalt, so kalt, dass es durch Mark und Bein zu gehen schien, und kurz darauf begann ein hohles, dumpfes Brausen pausenlos über das Dach zu gehen. Es war ein Blizzard, wie der furchtbare Schneesturm im Westen des Mississippi heißt. Der Boden zitterte unter uns; der Schuppen prasselte; er neigte sich nach rechts, nach links, worauf der hintere Teil krachend zusammenbrach. Und jetzt trat die Ruhe ebenso plötzlich ein, wie der Sturm plötzlich gekommen war. Unter den Trümmern der eingestürzten Schuppenhälfte arbeitete sich eine Gestalt hervor, die mit lautem Gebrüll von dannen lief; es war Slack. Grinder lag zwischen zerbrochenen Brettern unter einem Balken, der ihm fast die Brust eindrückte. Ein Brett war mit der scharfen Kante quer über sein Gesicht gefallen und hatte ihm beide Augen ausgeschlagen. Wir suchten nach dem verschwundenen Slack und fanden ihn wahnsinnig an der Plankenumzäunung. Grinder blind und Slack wahnsinnig. Ganz so, wie sie es in ihrem Unglauben und ihrer Frechheit von Gott gefordert hatten!

      Dienstag, 14. Februar 1865:

      Sonderbarerweise trat nach dem schlimmen Tag wieder mildes Wetter ein, das uns die Fortsetzung unseres Ritts erlaubte. Grinder und Slack blieben als Schwerverletzte auf dem Fort zurück. Der Kommandant versprach uns, den Angehörigen der ermordeten Brüder Burning die acht Beutel Gold mit dem vollen Inhalt zuzustellen.

      Montag, 20. Februar 1865:

      Die beiden Caddo-Indianer konnten uns begleiten. Wir brachten sie an den vereinigten Platte-Fluss, wo sie von uns schieden, uns ihrer immerwährenden Dankbarkeit dafür versichernd, dass wir sie vom unverdienten Tod des Erhängens gerettet hatten. Mit Winnetou ritt ich weiter, denn wir wollten hinunter zu den Mescalero-Apatschen an den Rio Pecos.

      April 1865:

      Unser Ritt nach Süden zu den Mescaleros führte uns durch den Llano Estacado, wo wir zuerst in Helmer’s Home Station machten und dann mehrere Tage in der Wüsten-Oase bei Bloody-Fox blieben. Bob und seiner Mutter ging es prächtig und beide waren glücklich, sich gefunden zu haben. Beim Abschied mussten wir versprechen, immer wieder zur Oase zu kommen, wenn wir durch den Llano kämen. Ohne Zwischenfälle erreichten wir das Pueblo am Rio Pecos, wo ich noch einige Zeit bleiben wollte, bevor ich in meine Heimat aufbrach.

      Mittwoch, 24. Mai 1865:

      Heute am späten Nachmittag bin ich in Galveston angekommen. Der Bürgerkrieg ist zu Ende und die Verhältnisse im ehemaligen konföderierten Staat Texas beginnen sich zu normalisieren. Ursprünglich wollte ich nach New Orleans, weil ich hoffte, von dort aus am ehesten ein Schiff nach Europa zu finden. Doch der Weg hatte mich hinunter an den texanischen Teil des Golfs von Mexiko geführt und so versuchte ich erst einmal hier mein Glück. Mein Pferd hatte ich auf dem Festland in einem Mietsstall untergebracht. Es war nicht mein treuer Hatatitla, sondern ein Falbe, den ich von den Mescaleros mitgebracht hatte. Ich schlenderte auf den Hafen der Stadt zu, von der ich wusste, dass der Seeräuber Lafitte hier ehemals eine Niederlassung hatte, die aber 1821 von Lieutenant Kearny zerstört worden war. Die heutige Stadt Galveston wurde 1837 gegründet und ich schätze sie jetzt auf mehr als zehntausend Einwohner. Sie liegt auf der lang gestreckten Küsteninsel am Eingang in die Bay von Galveston und war bis zum Beginn des Bürgerkrieges die wichtigste Seestadt von Texas. Im Hafen sah ich neben den US-Kriegsschiffen eine flotte Bark am Kai liegen. Mich interessierte dieses Segelschiff, das bestimmt nicht für alle Ewigkeit hier liegen würde, und deshalb begab ich mich dorthin. Als ich über das Fallreep zum Schiff wollte, wurde ich von einem Maat angesprochen. Ich fragte höflich, was das für ein Schiff wäre, worauf er sagte, dass dies ein nordamerikanischer Frachtensegler sei, der dem Kapitän Frick Turnerstick gehöre. Als ich wissen wollte, ob dieser an Bord sei, erhielt ich zur Antwort, er befinde sich bei der militärischen Hafenverwaltung,


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