Chronik eines Weltläufers. Hans Imgram

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Chronik eines Weltläufers - Hans Imgram


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Waffen wusste. Ich kam unbemerkt in sein Zelt und konnte ihn, während er noch schlief, bewusstlos schlagen. Die beiden Frauen, Mutter und Tochter, musste ich natürlich fesseln und ihnen, der Tochter aber nur zum Schein, einen Knebel in den Mund schieben. Dann fesselte ich auch den Häuptling, suchte meine Waffen und sonstige Sachen zusammen, die man mir abgenommen hatte, und schlich mich unbemerkt wieder aus dem Zelt. An dem Tag, als wir hier ankamen, hatte ich genau gesehen, wohin das Pferd des Häuptlings geschafft wurde, und ich hoffte, es dort noch zu finden. Tatsächlich entdeckte ich es etwas abseits der Herde und konnte auf ihm entfliehen.6

      Freitag, 11. Juni 1869:

      Als ich wieder bei den Baumanns eintraf, war der Hobble-Frank aufgetaucht und hatte zwei alte Bekannte mitgebracht, nämlich den Dicken Jemmy und den Langen Davy. Eigentlich wollte ich jetzt bald hinunter an den Rio Pecos, um zu sehen, ob Winnetou von der Verfolgung Santers zurück sei, und um meinen Hatatitla bei ihm zu lassen. Doch man bat mich, noch einige Zeit zu bleiben, was ich auch nicht bereute. Wir besuchten Wohkadeh bei den Upsarokas, worüber dieser sich herzlich freute. So ging die Zeit dahin, bis ich es wiederum nicht mehr aushielt. Ich wollte unbedingt nach Süden zu den Apatschen. Hobble-Frank, der Dicke Jemmy und der Lange Davy wollten an den Colorado River. Das war mir lieb, denn nun war ich bis hinunter ins New-Mexico-Territorium nicht ganz allein auf mich gestellt. Wir konnten ein großes Stück miteinander reiten, obwohl es ein Umweg für mich war, bevor ich mich dann von ihnen trennen musste. Ursprünglich hatte ich vor, noch an den Silbersee zu reiten, der nicht allzu weit von unserer Route im Nordosten von Utah lag, denn ich kannte nähere Einzelheiten von einem Goldschatz, den es dort geben sollte. Doch ich kam wieder davon ab, denn was konnte mich das interessieren. Am nächsten Tag sollte der Aufbruch sein.

      Mittwoch, 30. Juni 1869:7

      Wir waren in Wyoming zum North Platte River geritten und über Fort Laramie nach Cheyenne gekommen, einem Städtchen, das erst 1867 entstanden war und an der Union-Pacific-Eisenbahn-Linie lag. Wir hätten nun ohne Weiteres mit der Bahn weiterfahren können, doch wir zogen einen Ritt durch die Natur vor und erreichten bald darauf das Colorado-Territorium, wo wir die Richtung nach Denver einschlugen. Die ‚Queen City of the Plains‘, wie man Denver auch nannte, war die Hauptstadt dieses Territoriums, etwa 25 Kilometer von den beginnenden Rocky Mountains entfernt. Die Stadt war, obwohl erst 1857 gegründet, schon mächtig im Aufblühen begriffen. Von Denver aus waren wir dann im Westen des Staates Colorado angekommen, da, wo sich nördlich des Gunnison River die Mountains erheben, und hatten, obgleich es noch nicht weit über Mittag war, heute doch schon eine bedeutende Strecke zurückgelegt. Ich rechnete mir aus, dass wir am Abend am Elk Creek übernachten würden. Dann würde für uns die Trennung kommen. Meine drei Begleiter wollten zunächst in die Elk Mountains und dann zu den Book Mountains hinüber, während ich nach Süden abbiegen würde, um zwischen den San Juan Mountains und dem San Luis Park den Rio Grande entlang nach New Mexico in das Gebiet des Rio Pecos zu kommen. Da stießen wir auf einen Trupp Soldaten, die uns vor den Utah-Indianern warnten, welche das Kriegsbeil ausgegraben hatten. Natürlich waren wieder Weiße daran schuld, nämlich eine Gesellschaft von weißen Goldsuchern, die in ein Utah-Lager eingebrochen waren, um Pferde zu rauben, wobei viele Indianer und anschließend bei deren Rachefeldzug alle Räuber bis auf sechs getötet wurden. Nun schien hier in der Gegend der Teufel los zu sein. Wir dankten den Soldaten für die Warnung und ritten weiter. Nach etwa einer halben Stunde erreichten wir ein dicht mit Bäumen und Sträuchern bewachsenes Waldstück, wo wir in einer Lichtung lagerten und unser verspätetes Mittagsmahl hielten. Da kamen auf unserer Spur zwei Weiße angeritten, zwei der Pferdediebe, die ich mit zwei Faustschlägen unschädlich machte. Kaum war das geschehen, wurden wir auch schon von Indianern umzingelt. Es waren Yampa-Utahs mit ihrem Häuptling ‚Großer Wolf‘, die uns als Feinde ansahen, weil sie uns mit den beiden Mördern angetroffen hatten. Durch meine Überredungskunst und durch des Häuptlings Angst vor meinem ‚Zaubergewehr‘, dem Henrystutzen, erreichte ich, dass wir mit ihm und seinen zweihundert Kriegern in das Utah-Lager reiten konnten, um uns dort der Beratung der Ältesten zu unterwerfen. Die beiden Pferdediebe und Mörder aber wurden als Gefangene mitgenommen, um am Marterpfahl zu sterben.

      Donnerstag, 1. Juli 1869:

      Am nächsten Morgen wurden die zwei weißen Mörder, die sich jedoch in den Augen der Indianer wie ‚Memmen‘ zeigten, von Bluthunden zerrissen. Und einer dieser Bluthunde stürzte sich auch auf mich. Er hätte mich zerfleischt, wenn ich ihn nicht beim Zusammenprall abgefangen und mit meinem bekannten Faustschlag niedergestreckt hätte. Nun begann in indianischer Weise die entscheidende Sitzung über unser Schicksal. Dann kam das Urteil: Obwohl wir als Weiße in den Augen dieser Indianer unser Dasein verwirkt hatten, sollten wir nicht am Marterpfahl sterben, sondern unser Leben in verschiedenen Zweikämpfen verteidigen. Der ‚Große Wolf‘ suchte drei Krieger aus: Der ‚Rote Fisch‘ sollte mit dem klapperdürren Langen Davy um die Wette schwimmen; der ‚Große Fuß‘, dessen Muskeln wie Wülste hervortraten, gegen den Dicken Jemmy mit dem Messer kämpfen; und der ‚Springende Hirsch‘ mit dem Hobble-Frank, der auf einem Bein etwas lahmte, um die Wette rennen. Mit mir würde Häuptling ‚Großer Wolf‘ selbst kämpfen, und zwar mit Messer und Tomahawk. Durch einen Trick, den ich beim Losen anwandte, konnte der Lange Davy bei seinem Wettkampf mit der Strömung schwimmen, während sein Gegner dagegen ankämpfen musste. Es gab ein Heulen, als feststand, dass Davy schneller war als der ‚Rote Fisch‘. Der Dicke Jemmy hebelte seinen viel größeren Gegner über den Rücken aus und hätte den ‚Großen Fuß‘ ohne Weiteres erstechen können. Der Hobble-Frank schickte den bereits fast siegreichen ‚Springenden Hirsch‘ durch eine List auf eine falsche und weitere Strecke und gewann das Rennen. Und auch ich besiegte den ‚Großen Wolf‘, der bewusstlos zu Boden ging, nachdem ich ihm den Griff des Bowiemessers auf die Herzgrube geschlagen hatte. Während sich die Roten um ihren Häuptling scharten, gingen wir zu unserem Zelt, nahmen unsere Waffen und bestiegen die Pferde. Durch die Zelte gedeckt, bemerkte man unser Fortreiten zu spät. Natürlich würde man uns verfolgen, weshalb wir versuchten, auf steiniges Gelände zu kommen, damit unsere Spuren nicht so schnell entdeckt wurden. Noch waren wir nicht weit genug vom Utah-Lager entfernt, da trafen wir gänzlich unverhofft und unerwartet auf zwei alte Freunde, die unsere Zweikämpfe aus der Ferne beobachtet hatten, nämlich auf Winnetou und Old Firehand, die mit etwa vierzig Jägern und Rafters auf dem Weg hinauf zum Silbersee waren, um eine Mine auszubeuten. Bei ihnen befanden sich die Westmänner Gunstick-Uncle, Humply-Bill und Tante Droll mit dem etwa sechzehnjährigen Fred Engel, ein Ingenieur namens Patterson mit seiner Tochter Ellen sowie ein Lord Castlepool aus Old England. Wir vereinbarten, dass wir bis zum Night Cañon weiterreiten sollten, während Winnetou und Old Firehand mit ihren Leuten den uns verfolgenden Utahs nachritten, sodass wir sie in dem Cañon einschließen konnten. Wir erreichten unser Ziel und durchritten den Cañon, der am Ende so eng war, dass ein Mann allein zahlreiche Verfolger in Schach halten konnte. Als die Utahs endlich ankamen und sie auf meine Warnung hin nicht halten blieben, wurden sie von uns eingeschlossen und mussten sich gefangen geben. Nach ihrer Entwaffnung wurde der Weiterritt angetreten. Winnetou und Old Firehand hielten sich mit mir an der Spitze der Schar. Hinter uns ritt der Hobble-Frank neben Tante Droll. Ich hörte aus ihrem Gespräch, wie beide verwundert feststellten, dass sie miteinander verwandt waren und als Kinder zusammen gespielt hatten. Im Laufe unseres Ritts erreichten wir einen größeren und viel breiteren Cañon, in dem wir lagern wollten, weil es langsam Abend wurde. Winnetou, Old Firehand und ich waren bereit, die Roten freizugeben. Mit der Friedenspfeife wurde zwischen den Utahs und uns ein Freundschaftspakt geschlossen. Danach verließen uns die Indianer und ritten in Richtung Night Cañon zurück. Winnetou aber folgte ihnen heimlich, um zu sehen, ob sie wirklich die Gegend verließen, was sie auch taten. Dass sie dann doch umgekehrt waren, merkten wir erst später.

      Winnetou, Old Firehand und ich saßen nachher noch ein wenig am Lagerfeuer zusammen. Winnetou erzählte mir nur ganz kurz von der Verfolgung Santers, dessen Spur er schon bald verloren hatte, wodurch er sein Vorhaben aufgeben musste. Ich konnte jetzt erst Old Firehand fragen, wie er seine Verwundung aus dem vergangenen Herbst überstanden habe. In Omaha bei seinem Sohn war er in gute Pflege geraten und seine robuste Natur hatte die Wunden so gut heilen lassen, dass er sich schon im Frühjahr nach Osten gewandt hatte, um einen Ingenieur ausfindig zu machen, der dabei helfen würde, eine ihm bekannte Silbermine auszubeuten. Der Begleiter von Tante Droll, der junge Fred Engel, hatte Anspruch auf einen dort am Silbersee befindlichen


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