Chronik eines Weltläufers. Hans Imgram

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Chronik eines Weltläufers - Hans Imgram


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enthält oben zwischen den kalligraphischen Schnörkeln die Titel des Padischah. Es wird darin den Behörden alle mögliche Rücksicht auf die Wünsche des Reisenden anbefohlen. Auch sind allerlei für den Inhaber vorteilhafte Bestimmungen in diesem Pergament zu lesen, zum Beispiel, zu welchem Preis er Pferde, Begleiter und Führer und anderes haben kann.8 Damit war ich für spätere Reisen in den Orient bestens gerüstet.

      Samstag, 9. November 1867:

      Anfang November hatte ich das Glück, ein deutsches Dampfschiff im Hafen von Galata zu erwischen, das mich mit nach Hamburg nahm. Heute bin ich wieder glücklich in Dresden angekommen.

      11. NORDLAND-REISE (1867-1868)1

      Mitte Dezember 1867:

      Anfang Dezember schnürte ich wieder mein Bündel und verabschiedete mich in der Hoffnung, in einigen Wochen wieder zurück zu sein. In Rostock fand ich einen Frachtdampfer, der mich zum schwedischen Hafen Salmis brachte. Salmis ist der Seehafen der Stadt Haparanda, das von den Schweden Län Norbotten genannt wird. Von hier aus sind es nur wenige Kilometer bis hinüber zur russischen Grenzstadt Tornea, die zum finnischen Gouvernement Uleaborg gehört und an der Mündung des Torne-Elf in den Bottnischen Meerbusen liegt. Hier erwischte ich glücklicherweise ein Rentiergespann, das mich hinauf nach Rovaniemi ins finnische Lappland brachte. Dort am nördlichen Polarkreis ist es um diese Jahreszeit nur zwei Stunden am Tag hell. Es herrscht ‚Kaamos‘, die Polarnacht, was auch gleichzeitig Ruhe, Stille und Friede bedeutet.

      Hier traf ich auf dem Markt Vater Pent, das Oberhaupt einer Samenfamilie, die er wie ein Patriarch beherrschte. Er nahm mich mit und ich fand bei seiner sehr gastlichen Familie freundliche Aufnahme und war sofort in den Sippenverband mit eingeschlossen.

      März 1868:

      Es war der kälteste Winter, den ich je erlebte. Und ein Nordlicht, wie ich es in dieser Pracht und Herrlichkeit noch niemals beobachtet hatte. Ich nahm an einer Bärenjagd teil und es gelang mir, einige Geldbeutel wiederzufinden, die Vater Pent gestohlen worden waren, worauf dieser sein Amulett, seinen Talisman, in das Feuer warf. Zuvor sagte er zu mir: „Nie hat man hier solche Waffen gesehen, wie die deinigen sind. Ein jeder Dieb wird sich vor dir fürchten. Auch bist du in fernen, wilden Ländern gewesen, wo du gelernt hast, die Spur eines Flüchtlings zu lesen, wie wir es nicht vermögen. Du selbst hast uns erzählt von den bösen Indianern, denen ihr gefolgt seid über Berg und Tal, um ihnen die Felle wieder abzunehmen, die sie euch gestohlen hatten.“

      Ich blieb noch einige Zeit bei der gastlichen Lappenfamilie, doch irgendwann musste ich wieder fort. In Salmis hatte ich noch zwei Tage zu warten, bis ein Schiff nach Stockholm ablegte. Von dort aus gelangte ich nach Rostock und im März 1868 war ich wieder zu Hause.

      12. VIERTE NORDAMERIKA-REISE (1868-1869)

      Donnerstag, 26. März 1868:

      Als ich mich in Hamburg nach einer Überfahrt in die USA erkundigte, erfuhr ich, dass schon morgen ein Dampfschiff nach New Orleans abgehen werde, und erhielt glücklicherweise noch einen Platz.

      Montag, 20. April 1868:

      In New Orleans war ich zuletzt im Jahre 1866, als ich den Sohn des Bankiers Ohlert aus New York suchte und dort Old Death kennenlernte. Diesmal wollte ich, bevor ich mich in die ‚dark and bloody grounds‘ begab, den Mississippi hinauf, etwa bis Vicksburg, und von da aus nach Westen. Also fuhr ich mit einem Mississippi-Steamer hinauf bis Baton Rouge, wo ich auf das Dampfboot nach Natchez warten musste. Am Landeplatz saßen zwei Bettler. Ihre Gesichter kamen mir bekannt vor. Dem einen fehlten beide Augen. Der andere hielt mir seinen Hut hin. Als ich ein Silberstück hineinwarf, wusste ich, wen ich vor mir hatte: Es waren Grinder und Slack. Die Mörder der beiden Goldgräber-Brüder hatten nach dem Blizzard auf Fort Hillock doch nicht ihre Strafe gefunden, aber ihre jetzige Lage war jedenfalls noch schlimmer als der Tod.1

      Donnerstag, 28. Mai 1868:2

      Ich hatte zuletzt mit Winnetou und einer Schar seiner Apatschen in der Sierra Blanca gejagt. Wir wollten dann zu den Navajos hinüber. Es kam aber nicht dazu, denn auf Wunsch Winnetous begleitete ich einen kalifornischen Geldtransport nach Fort Scott. Von Fort Scott solle ich nordwärts zu der westlich vom Missouri gelegenen Gravel-Prärie reiten, wo er wieder mit mir zusammentreffen werde, denn er wolle seinen alten, berühmten Freund Old Firehand besuchen, der sich jetzt in jener Gegend aufhalte. Ich ritt erst über den Kansas und dann über den Nebraska, durch das Gebiet der Sioux. Meiner Berechnung nach musste ich mich jetzt in der Nähe einer Ölniederlassung befinden, die New Venango hieß und in einer jener Schluchten lag, die gewöhnlich von einem Flüsschen durchzogen sind. Schon gab ich es auf, dieses Ziel heute noch zu erreichen, da bemerkte ich seitwärts zwei Reiter, die gerade auf mich zuhielten. Einer der beiden war noch ein Knabe von vielleicht dreizehn Jahren. Er hieß Harry und er erzählte mir, dass er von seinem Bruder komme, der in Omaha wohnte, und sein Begleiter, der Forster hieß, sei nicht nur der Vater seiner Schwägerin, sondern auch der Besitzer der Ölquelle in New Venango. Harry glaubte nicht, dass Winnetou, den er übrigens sehr gut zu kennen schien, mir mein Pferd geschenkt hatte. Nachdem ich im Store eingekauft und auch meinen Munitionsvorrat ergänzt hatte, war es dunkel geworden. Ich erlauschte unabsichtlich ein Gespräch zwischen Forster und Harry, der dem Jungen erklärte, dass er Öl in die Landschaft ablaufen lasse, um es knapper und damit teurer zu machen. Welch ein sträflicher Leichtsinn, denn in diesem Augenblick dröhnte ein Donnerschlag, als sei die Erde mitten unter uns auseinander geborsten. Ich sah da, wo der Bohrturm in Betrieb gewesen war, einen glühenden Feuerstrahl senkrecht in die Höhe steigen. Ich kannte diese furchtbare Erscheinung, denn ich hatte sie im Kanawhatal in ihrer ganzen Schrecklichkeit gesehen.3 Mich weiter um niemand kümmernd, riss ich Harry in meine Arme und saß im nächsten Augenblick mit ihm im Sattel. Und in rasendem Lauf trug uns Hatatitla stromabwärts durch das immer rascher vorwärtsschreitende Feuermeer. Dass wir diesem Inferno über den Fluss entrinnen konnten, grenzte schon an ein Wunder. Als Harry, der bewusstlos geworden war, wieder zu sich kam, nannte er mich einen Feigling, weil ich die anderen aus dem Tal nicht auch noch gerettet hätte. Er riss sich von mir los und in meiner Hand blieb ein Ring zurück. Ich sah ihn nicht mehr und konnte ihm deshalb auch nicht folgen. Ich beschloss, die Nacht hierzubleiben und den Anbruch des Morgens zu erwarten.

      Freitag, 29. Mai 1868:

      Das Tageslicht milderte den blendenden Schein der Flammen. Außer einem kleinen Häuschen oberhalb des Tales war alles verschwunden. Vor diesem Häuschen standen einige Menschen, bei denen ich Harry gewahrte. Als ich zu ihnen wollte, trat man mir mit Waffen entgegen, bezeichnete mich als Mordbrenner und schoss auf mich, doch ohne zu treffen. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als diese Gegend zu verlassen.

      Samstag, 30. Mai 1868:

      Am nächsten Tag erreichte ich eine Mulde in der Gravel-Prärie, wo ich mich mit Winnetou treffen wollte.

      Samstag, 6. Juni 1868:

      Ich musste aber eine ganze Woche auf ihn warten. Es tummelten sich da mehrere Trupps von Sioux in der Gegend herum. Als Winnetou kam und ich ihm die Anwesenheit der Roten meldete, war er einverstanden, sogleich weiterzureiten. Ich freute mich sehr darauf, den berühmten Old Firehand endlich kennenzulernen. Der Weg zu ihm war nicht ungefährlich.

      Sonntag, 7. Juni 1868:

      Das merkten wir schon am nächsten Tag, als wir auf die Fährte von Indianern trafen. Wir vermuteten, dass der Haupttrupp hier in der Nähe lagerte, weshalb ich die Gegend nach den Indianern absuchen wollte, während Winnetou bei den Pferden blieb. Ich kam bald zu deren Lager, wo sich ungefähr hundert Mann befanden, sämtlich mit den Kriegsfarben bemalt. Mir gelang es, zwei Häuptlinge, von denen einer Parranoh vom Stamme der Poncas war, bei ihrem Gespräch zu belauschen, und ich erfuhr, dass sie Fort Niobrara überfallen wollten. Ich hatte genug gehört und zog mich geräuschlos zurück. Doch da warf sich ein riesiger schwarzer Schatten auf mich. Himmel, hatte der Kerl Kraft. Wir rangen stillschweigend miteinander, doch ich konnte mich noch so anstrengen, dieser Mensch schien unbezwingbar. Dabei verlor ich mein Messer und in einer Kampfpause zog ich mich etwas von ihm weg. Als ich mich wieder auf meinen Gegner stürzen wollte, war er verschwunden. Da ich vorher gerade noch seinen Bart berührt hatte, wusste ich, dass es kein Indianer, sondern ein


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