Filmgewitter. Rudolf Stratz

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Filmgewitter - Rudolf Stratz


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. . . ewige Eva . . . Los, Schmerold . . . Du wirst jung . . . Umfasse dein Glück . . . Ringel – Reigen - Rosenkranz . . Ich tanz’ mit meiner Frau . . . . . Schneller drehen, Krause! Sonst kommen die Beine doppelt . . . Tanze, Papa Schmerold . . . Weiss Gott . . . Das alte Gestell walzt als Evas Spielzeug mit einer müden Grazie . . . in herbstlicher Anmut . . . So sollte man den Totentanz malen — mit einem lachenden, jungen Weibsstück — nicht mit einem klappernden Skelett . . . . Herrgott . . . Warum wird’s denn auf einmal taghell? Trude! Was fällt dir ein, die Türe aufzureissen?“

      Auf der Schwelle stand der schwarze Page. Hinter ihm der greise Schuster im grünen Schurzfell. Die Tänzerin streckte, mit starren Augen und offenem Mund, die Hände aus.

      „Aufhören . . .“, lallte sie. „Aufhören . .“

      „Kindchen — spar’ dir das Theater für Kottbus auf! Mang die Berliner zieht das nicht . .“

      „Da tanz’ ich ja . . . Das ist ja grässlich . . .“

      „Natürlich tanzst du! Dazu hat dich der liebe Gott ja eigens geschaffen!“

      „Huh . .“ Der Page schlug hysterisch wimmernd die Hände vor die Augen und taumelte mit knickenden Knien gegen den Türrahmen. „Aufhören . . Ich werd’ ja verrückt . . .“

      „Bist du ja schon . . scheint’s . .“

      ,Aufhören . . . Aufhören . . .“ Sie kreischte auf. „Der nimmt mich ja mit . . Ich muss sterben . . .“ Plötzlich brach sie in ein nervöses Gelächter aus . . „Da tanz’ ich ja mit einem Toten!“

      „Was?“

      Die Leinwand erlosch. Ein graues Nichts. Die Kurbel stand still. Die Trude keuchte nach Luft. Sie wies mit dem Zeigefinger vor sich hinunter auf den Boden. Sie flüsterte:

      „Im Portierkeller unten liegt er . . . mausetot . . .“

      „Schmerold?“

      „Vom Auto überfahren . . . vorm Haus . . .“ Sie fiel ächzend auf einen Stuhl. Sie greinte: . .

      „Und dabei soll der Mensch in Kottbus tanzen! Ich verfehľ heilig den grossen Sprung und lande im Orchester — mit beiden Beinen in der grossen Pauke . . Doktor . .! Helfen Sie mir . . . Wo sind Sie denn?“

      Sie schaute wirr um sich und merkte jetzt erst, dass sie allein in dem Atelier sass. Götz Billing war die Treppen hinabgestürzt und stand wortlos unten, in der Pförtnerstube, vor dem Leichnam.

      Das Antlitz des alten Mannes war jetzt, in seiner Leblosigkeit, feierlich-starr — viel wissend, was Menschen nicht wussten. Der verfallene Schauspielermund streng gefchlossen, als dürfte er ein grosses Geheimnis nicht verraten. In der tiefen Stille umher ruhten auf ihm die warmen blauen Augen seines Regisseurs: Wo weilst du in dieser Minute schon, Bogumil Schmerold? Dies hier — dies spiritusdünstende Bündel Lumpen und Knochen bist du nicht! Wo flohst du hin — du Flamme? Ich habe in dir noch einmal dein Göttliches entdeckt. Es erlosch . . . . Gute Nacht, Papa Schmerold! Du hast das verrückte Ding überstanden, das man Leben nennt . . . du hast’s gut . . . .“

      Schuhsohlen wie von Blei . . so schwer schleppten einen die Füsse wieder die vier Treppen der Hühnerstiege bis zum Atelier empor. Diese niedere, von grauem Märzlicht durchfröstelte Laterne mit ihren winddurchpfiffenen, regenüberschwemmten schrägen Glasscheiben schien jetzt auf einmal besonders plunderig, schofel, voll Spinnweb, Staub und Dalles. Mitten in der Schiffbruchstimmung der vier kahlen Wände sass Krause, der Mann für alles, mit seiner langen, wehmütigen Nase:

      „Det jiebt ’ne schöne Leiche, Herr Doktor!“ sagte er gedankenvoll.

      „Los!“ Götz Billing reckte den Zeigefinger nach der Dunkelkammer. „Die Leiche lebt!“

      „Ik soll jetzt die Mangel drehn?“

      „— da, wo wir vorhin aufgehört haben . . .“

      „— Wo Schmeroldens Name heuť abend im Polizeibericht steht? Herr Doktor . . Wenn einer tot is, kann er nicht mehr loofen . . .“

      ,,Doch! Er kann! . . . Was können wir nicht . . . heutzutage? Wir sind verfluchte Kerle . . . Wir machen auch die Toten kreuzlebendig.“ . . Götz Billing lachte und warf sich im Vorführungsraum auf die vorderste schwarze Schulbank. „Ich hab’ jetzt so ’nen Galgenhumor in mir! Fix, Krausel . . . Lass’ mir ’mal den toten Schmerold auf ’nen Sprung heraufkommen . . Ich will von dem fabelhaften, alten Kerl Abschied nehmen — nicht von seinem Kadaver, sondern von seinem Geist . . .“

      Tiefe Finsternis. Das geheimnisvolle Viereck der Leinwand leuchtet auf. Die Leinwand lügt: Da ist Schmerold. Und liegt doch bei Portiers im Souterrain kalt und steif. . Nein . . . die Leinwand lebt: . . . Da läuft der Leichnam, der dort ruht . . . Da lacht er . . . Da geistert er geschäftig. . hüpft . . buhlt und balzt wie ein verliebter Auerhahn mit der Trude . . macht ihr schelmische Äuglein . . . küsst sie . . . —Gott sei Dank — das wirkliche Trudchen hat sich schon umgezogen und ist davongerannt — zum Zug — nach Kottbus . . . Donnerwetter . . . Schmerold . . Diesem inbrünstigen Schmatz merkt man deine dreiundsechzig Lenze nicht an . . . Schmerold: Noch ’nen Augenblick hiergeblieben . . . in diesem irdischen Paradies! . . . Ich befehle es! Solang’ wir kurbeln, bleibst du . .! Wir sind Tausendsassas — wir Kerle des zwanzigsten Jahrhunderts . . . Wir können alles . . . Bloss, wir können nichts . . . Wir sind arme Deubel . . Wir tun bloss so dicke mit unserer schwarzen Kunst . . . Wir lassen heuť die Toten tanzen und wissen nicht, wovon wir selber morgen leben sollen . . .

      Der Regisseur sass schweratmend in dem Kellerdunkel. Allmählich begriff er, dass er ruiniert war . . . einfach ruiniert . . . Aus dem schwachen, bläulich flimmernden Lichtkegel über seinem Haupt hörte er, vom Projektionsapparat hinten, Krauses nüchternes Berlinisch:

      „Herr Doktor — lang lass’ ich Schmerolden selig nich mehr an der Strippe tanzen! Mir jrault zusehends — mit ’ner Jänsehaut jesetzten Alters . . . .“

      „Ruhe!“

      „Nu kommt der Streifen, wo der Schmerold immer jrösser wird und nach vorn aus dem Bild heraustritt . . .“

      „Alter Esel . . . Er kann doch nicht aus der Leinwand . .“

      Die Leinwand lügt. Nein. Die Leinwand lebt. Die Leinwand lacht: — Es gibt nicht Tod noch Leben . . Es gibt nur Menschenschatten, die kommen und schwinden, bis die Knochenhand abblendet . . ., Bogumil Schmerold, auf der Leinwand, lachte laut. Man glaubte ihn lachen zu hören. Aber es war nur ein mephistophelisches Grinsen. Bogumil Schmerold wankte, rasch immer grösser werdend, auf der Leinwand nach vorn. Bogumil Schmerold, der Komödiant, wuchs zu einem fürchterlichen Riesen. Er hob dräuend die Hand: Was stört ihr meine Ruhe? . . Er stand mit dem einen zerrissenen, gigantischen Stiefel scheinbar schon draussen im Vorführungsraum, auf dem Pult der Schulbank . . .

      „Ick mach’ Schluss!“ sagte Krause. Die Bildfläche schwand in Schwarz. Das Kurbelsurren stoppte. Er schlurfte, etwas bleich um die hageren Stoppelwangen, in das Atelier. Er zerrte achtlos hinter sich eine dünne, raschelnde, dreissig Meter lange Schlange des aus der Kapsel gerissenen Filmstreifens über den Staub der Diele und wickelte sich, während er sich setzte und die Beine übereinanderschlug, nachdenklich das eine Ende um den Zeigefinger . . . lauter briefmarkengrosse, zusammenhängende Bildchen . . Schmerold — Dutzende von Malen hintereinander Schmerold — scheinbar immer in der gleichen Stellung. Man hätte genau mit der Lupe prüfen müssen, um die veränderte Bewegung von einer Aufnahme zur anderen zu unterscheiden.

      „Den Film können wir uns nu sauer kochen lassen, Herr Doktor!“ sprach er.

      Götz Billing antwortete nicht gleich. Er sass da, blondbärtig, ein Mann zu Mitte der Dreissig, mit versonnenen blauen Augen.

      „Sehr richtig!“ sagte er langsam. „Mitten in den Aufnahmen stirbt uns der Schmerold weg. Ersatzmann gibt’s beim Film nicht. Also Schluss! Krause! Schmeissen Sie die ganzen Schmonzes, die wir gedreht haben, im Hof in ’n Müllkasten! Das Zeug ist keine Bohne mehr wert!“

      „Na — so pleite — so pleite!“ sagte Krause.

      „Bin


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