Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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niedrige Büsche, ein paar Zäune, etliche Mäuerchen und eine winzige Brücke über das Rinnsal zeigten den drei Seewölfen, daß sie sich menschlichen Behausungen näherten. Rauch hing in der Luft, es roch nach Vieh und fremdartigen Gewürzen. Leise Stimmen waren zwischen den Mauern von Höfen und Häusern zu hören, irgendwo blies ein Ceylonese auf einer Flöte. Geduckt schlichen die Seewölfe näher und hoben die Köpfe über den Rand einer Mauer.

      „Merkwürdig“, sagte Philip und schaute in einen menschenleeren Hof. „Eigentlich sollte doch jemand arbeiten. Die Felder sind leer, und hier ist auch keiner.“

      Hasard sicherte seinen Stand auf einem wackligen Stapel flacher Ziegelsteine und versuchte, die Ausdehnung der Siedlung abzuschätzen.

      „Sie sind in den Häusern, denke ich“, meinte er. „Und dort drüben sehe ich Leute auf ihren Feldern.“

      „Wahrscheinlich zählen sie Silberstücke und Gold“, bemerkte der Moses.

      Sie gingen langsam weiter, spähten um eine Ecke und erkannten, daß sie tatsächlich das Ende eines großen Dorfes erreicht hatten. Hinter dem breiten Streifen der Weiden und Felder sahen sie den Waldrand.

      Vor ihnen lag eine unregelmäßige Fläche, voller Löcher und Sand, eine Art Dorfstraße oder Dorfplatz. Auf den ersten Blick waren mehr als drei Dutzend Häuser zu zählen, deren Fronten oder Hofeingänge dem Platz zugewandt waren.

      Vor jedem Eingang standen oder saßen Dutzende von schmalschultrigen, braunhäutigen Menschen und palaverten. Über den Ereignissen rund um die Bucht schienen sie alles andere vergessen zu haben.

      „Friedliche Leute“, murmelte Hasard, nachdem er sich unter den Palmenwedeln und im langen Schatten der Häuser umgesehen hatte.

      Solche Siedlungen, größer oder kleiner, hatten sie zur Genüge kennengelernt. Hier schien auch niemand etwas vom Schwarzen Tod gehört zu haben. Nackte Kinder spielten im Staub, balgten sich mit Hunden und ärgerten die Äffchen, die auf den Mauern hockten und sich gegenseitig lausten.

      „Jedenfalls prügeln sie sich nicht um das Gold des Padischah“, erklärte sein Bruder und zuckte zusammen, als schräg hinter ihnen ein Ceylonese auftauchte und winkte.

      „Hierher, die jungen Herren“, sagte er leise in Hindu.

      Hasard und Clinton wirbelten herum. Aber der junge Mann, der einen gelben Turban trug, lächelte auffordernd und breitete die Arme aus. Dann winkte er wieder.

      „Du sprichst Portugiesisch?“ flüsterte er in derselben Sprache.

      „Si“, entgegnete Philip. „Du willst uns gegen die fremden Händler helfen?“

      „Ich nicht. Mein Herr will mit euch sprechen“, lautete die Antwort. „Kommt mit mir. Die Leute aus dem Dorf sollen euch nicht sehen. Noch nicht.“

      „Traust du ihm?“ fragte der Moses argwöhnisch.

      Hasard zuckte mit den Schultern. Der Mann trat näher und war darauf bedacht, von den Dörflern nicht gesehen zu werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten hier war seine Kleidung sauber und aus teurem Stoff. Er trug keine Waffe, jedenfalls war sie nicht sichtbar. Er war nicht älter als fünfundzwanzig.

      „Was will dein Herr von uns?“ fragte Philip und ging ein paar Schritte in die Richtung, in die der Singhalese deutete. „Unser Gold ist weg. Von euch geraubt.“

      Der Braunhäutige schüttelte den Kopf. Beim breiten Lächeln zeigte er schneeweiße Zähne.

      „Mein Herr ist der Kaufmann in dem großen Haus, über dem Hafen“, sagte er langsam, aber in gutem Portugiesisch mit einem zischenden Akzent. „Er hat alles gesehen. Von eurem Gold will er nichts. Ihm ist an Ruhe und Frieden in Mannar gelegen.“

      „Uns auch“, erwiderte Hasard. „Wir sollten mitgehen. Womöglich kriegen wir etwas zwischen die Kiemen.“

      „Mein Herr lädt euch ein“, sagte der Mann feierlich. Er kehrte ihnen die Handflächen zu. Seine Hände trugen keine Schwielen, die Nägel waren weder schwarz noch eingerissen. „Ich bin Schreiber Arun. Ich führe die Rechnungsbücher meines Herrn.“

      „Wir kommen mit“, entgegnete Hasard.

      Hinter dem Schreiber, der ungewöhnlich große Schritte ausführte, passierten sie einen schmalen Durchgang zwischen Lehmmauern, bogen nach rechts ab und trotteten eine Treppe abwärts, die aus lose verlegten Steinplatten im Lehmboden bestand. Dem Kaufmann schien wirklich daran gelegen zu sein, daß die Dorfbewohner möglichst wenig von seinen Gästen sahen. Im abnehmenden Licht des Tages, durch schwarze Schatten und meist unterhalb der Häuser oder Gartenmauern gingen sie im Gänsemarsch in Richtung auf die Bucht zu.

      „Warum will dein Herr mit uns sprechen?“ fragte Hasard unterdrückt.

      Der Ceylonese hob kurz die Hand, drehte den Kopf und erwiderte: „Das weiß ich nicht genau. Aber ich weiß, daß er weder die Spanier noch die Portugiesen liebt. Sie haben ihn nachweislich zweimal betrogen.“ Er stolperte über einen Haufen fauliger Gartenabfälle, aus denen zwei Ratten huschten.

      Philip stieß ein scharfes Knurren aus und sagte zu Clint, der hinter ihm hertrottete: „Das höre ich gern. Sie denken, alle Eingeborenen seien blöde.“

      Der Moses nickte nur und rieb seinen leeren Magen.

      Der Schreiber führte die drei Seewölfe an Mauern entlang und über leere Felder. Sie schlugen einen Bogen nach Norden und gelangten zwischen den ersten Häusern und dem Gebäude, das der Kaufmann bewohnte, wieder auf die Straße zum Hafen.

      „Hier wohnt der reiche Kaufmann Ginjal Chand“, erklärte der Schreiber. „Mit all seinen Dienern, Söhnen und Töchtern. Hier arbeite ich. Geht einfach hinter mir her.“

      „Das tun wir schon die ganze Zeit“, brummelte Clint und sah sich um.

      Schon der gemauerte Eingang zum Hof ließ deutlich erkennen, daß hier größerer Reichtum herrschte als in allen anderen Teilen Mannars. Die Ziegel waren glatt und verschiedenfarbig. Schmiedeeiserne Torflügel hingen in schweren, gefetteten Zapfen. Der ummauerte Garten war breiter als eine Kabellänge. Ein bequemer Weg aus weißem Sand führte in Schlangenlinien zur Rückfront des Hauses. Sorgfältig verschloß der Schreiber das Tor.

      „Mein Herr erwartet euch“, wiederholte er und deutete zu dem Haus. Fast an jeder senkrechten Fläche rankten sich grüne und in allen Farben blühende Pflanzen in die Höhe. An einigen Stellen bildeten die Wipfel der Bäume ein zusammenhängendes Blätterdach.

      „Danke. Wir sind schon neugierig“, sagte Hasard ebenso höflich wie der Schreiber.

      Vögel flatterten herum, Fliegen summten in der Stille, die Schritte knirschten im Sand. Als sie sich dem Haus näherten, wurde der Geruch nach starken Gewürzen und Tee fast unerträglich. In der Mauer öffneten sich links große Eingänge.

      Die drei Seewölfe blickten in einen langgestreckten Schuppen, in dem Kisten und Ballen in großen Stapeln fast bis zur Decke übereinandergetürmt waren. Aus kleinen Öffnungen dicht unter den Dachsparren drang rötliches Sonnenlicht herein und zeichnete dicke Lichtbalken in den Staub.

      „Das ist der wahre Reichtum des Kaufmanns“, sagte der Schreiber fast ehrfürchtig. „Nicht ein paar Kisten geraubtes Silber.“

      „Das weißt du also auch schon?“ fragte Hasard.

      Arun nickte. „Die Diener haben alles gesehen und berichtet“, sagte er.

      Er führte sie zu einer Treppe, die auf einer Terrasse endete. Rund um das Haus wucherten große, blühende Stauden. Die Erde in den gemauerten Trögen war vor kurzer Zeit gewässert worden. Wohin die Seewölfe auch blickten, überall herrschte die gleiche Ordnung wie auf der aufgeklarten Schebecke.

      Eine weiße Tür aus dünnen Latten öffnete sich. Ein Mann in mittleren Jahren, einen Kopf größer als der Schreiber, trat auf die Terrasse und führte die Geste der Begrüßung aus.

      „Kommt ins Haus, Seeleute“, sagte er in gutem Portugiesisch.


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