Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.„Ja. Auch. Nebenbei. Alles für die Firma. Für die Firma fährt sie auch nach dem Mond. Also nachdem dieses höchst energische Fräulein Matteis nun einmal vorsätzlich und seit Wochen das unbestimmte Gerede, mit dem Tode ihrer Schwester stimme etwas nicht, gegen ihren Schwager in Umlauf gebracht un ganz Berlin, einschliesslich der Behörden, in Aufregung versetzt hat, kann ich, als Rechtsfreund der Firma und Familie, ihr meinen Beistand nicht versagen! Klar — nicht?“
„Sagen Sie mal . . . ich wollte die ganze Zeit schon den Entschluss fassen und Sie im Vertrauen fragen: Glauben Sie, für Ihre Person, denn wirklich, dass bei dem Tod der jungen Frau Vohwinkel nicht alles in Ordnung war?“
„Ich glaube gar nichts!“ sagte der Rechtsanwalt Burhem schroff. „Wir werden in der nächsten Stunde in unbefugter Weise die Ruhe des Todes stören. Wir werden ein Etwas der Erde entreissen, das vor einem knappen Jahr noch eine der hübschesten und elegantesten Frauen von Berlin war — viel hübscher noch als ihre jüngere Schwester, die Male Matteis — sagt man wenigstens allgemein! Ich habe diese arme Elfi Vohwinkel nicht mehr gekannt. Ich trat erst später mit der Familie Matteis in Berührung . . . Überhaupt: warum ist denn ein so alter Mann wie Sie noch so neugierig?“
„Sind Sie’s denn gar nicht?“
„Worauf denn? Wir werden ans Werk gehen! Wir werden feststellen, ob der Architekt Christof Vohwinkel im Grunewald bei Berlin falsche Angaben über den im Ausland erfolgten Tod seiner Gattin Elfi gemacht hat, wie es seine Schwägerin Male jedem, der es hören will, erzählt, oder nicht! An sich ist das eine so gleichgültig wie das andere. Es geht wirklich niemanden etwas an, ausser den Beteiligten und dem Untersuchungsrichter!“
„Da drüben steht der Richter schon an dem Grab! Neben den Arbeitern mit den Schaufeln!“
„Und noch zwei Herren!“
„Der blonde Jüngling mit der Mappe unter dem Arm ist offenbar der Gerichtsschreiber! Aber der andere, der wie ein Heldenschauspieler aussieht? . . . Ein auffallend schöner Mensch — finden Sie nicht auch? — nur elend bleich . . .“
„Es gibt doch noch etwas Neues unter der Sonne!“ sprach der Rechtsanwalt Burhem dankbar und förmlich erleichtert.
„Was denn — um Gottes willen? Wenn Sie das schon sagen. . .“
„Dieser schlanke, grosse Mann dort drüben,“ der Verteidiger hatte, um besser zu sehen, seinen goldenen Zwicker abgerieben und wieder aufgesetzt, „dieser Mann mit dem bartlosen, südlichen Krauskopf, der, wie Sie richtig bemerken, mit seinem breitrandigen Schlapphut und seinem etwas zu hellgrauen, tadellosen Sommeranzug an einen Künstler, erinnert, ist in Wirklichkeit ein Stück Künstler — nämlich ein sehr gesuchter Berliner Architekt, des Namens Christof Vohwinkel . . .“
„Was . . .?“
„. . . und bringt es tatsächlich fertig, sich persönlich zu der von ihm beantragten Exhumierung einzufinden!“
„. . . das spricht für sein gutes Gewissen!“
„. . . oder für seine guten Nerven!“
„Oder für beides!“
Der Medizinalrat und der Verteidiger näherten sich dem prunkvollen, von einem schmiedeeisernen Kunstgitter umschlossenen schwarzen Marmorobelisken, auf dem eine Inschrift mit noch ganz frischen Goldlettern verkündete, dass Frau Elfriede Vohwinkel, geborene Matteis, im blühenden Alter von sechsundzwanzig Jahren, vor einem Jahr, in dem Dorf Fuensanta, nahe der Stadt Orihuela, in der spanischen Provinz Murcia, rasch und unerwartet durch ein Klimafieber ihrem Gatten, ihrer Mutter und Schwester entrissen worden war. Der Rasen rings um das Grabmal und der Kiesweg davor war, noch vom gestrigen Tag her, durch die Fussspuren von Hunderten von Neugierigen zertreten. Seitlings, unter dem Fliedergebüsch, staute sich ein Stapel übereinander geworfener frischer und welker Blumensträusse und Kränze. Da, wo sie um den Sockel der Säule gelegen, knirschten jetzt die Schaufeln der Arbeiter im Erdreich. Die braunen Schollen flogen taktmässig aus der Grube, türmten sich am Rand zu einem Haufen und füllten die kühle Morgenluft mit einem würzigen, weisslichen Dunst.
„Sie sehen: ich bin schon mitten in der Arbeit drin, Herr Doktor Burhem!“ sagte der Richter, ein alter Waffenstudent mit einem Durchzieher vom Mundwinkel bis zum Ohr und gespaltenem Nasenflügel. „An sich ist ja auch nach der Strafprozessordnung Ihre Anwesenheit durchaus nicht erforderlich!“
„Sehr liebenswürig! Aber die Teilnahme des Witwers bei diesem unbehaglichen Akt hier noch viel weniger!“
„Ich habe den Mann nicht eingeladen! Aber ich besitze keine gesetzliche Handhabe, ihn fortzuschicken. Na — der olle Medizinalrat redet ihm ja dort ernstlich ins Gewissen!“
„Ich hatte, bis jetzt eben, nur das Vergnügen, Sie aus den steinernen Kindern Ihrer Laune — so manchem aparten Landsitz im Grunewald und am Wannsee — zu kennen, Herr Architekt Vohwinkel!“ sagte drüben an dem halb offenen Grab der graubärtige Gerichtsarzt. „Gestatten Sie mir, da wir uns nun persönlich nähergetreten sind, eine offene Bitte: Gehen Sie! . . . Lassen Sie uns, die wir hier amtlich anwesend sind, mit dieser Sache hier allein! Ich bin ein alter Praktikus! Sie sind ein Laie! Sie muten Ihren Nerven hier eine Belastung zu, die völlig unnötig ist!“
Der schöne, schlanke Mann ihm gegenüber hatte den breitrandigen Künstlerhut abgenommen. Er fuhr sich gereizt und unruhig mit der flachen Hand über sein krauses, dunkles Haar. In seinen regelmässigen, glattrasierten, sehr bleichen Zügen hatte der Mund etwas Weichliches. Weich war auch der Ausdruck seiner blau umschatteten Augen. Über Mittelgrösse, in der Straffheit seiner dreissig Jahre, musste er sich zu dem kleinen, graubärtigen Medizinalrat hinabbeugen, während er helblaut, mit einer vor Zorn und Erregung zitternden Stimme, aber doch ruhig, sagte: „Ich habe die Exhumierung bei Gericht beantragt! Zur Ermittlung der Wahrheit! Ich fürchte die Wahrheit nicht! In keiner Form! Darum bin ich hier!“
„Was gäbe der Mann für einen diskreten Schauspieler!“ murmelte drüben der Rechtsanwalt Burhem. Neben ihm die Stimme des Richters: „Wir wissen noch durchaus nicht, Herr Doktor, ob er ein Schauspieler ist!“
„Ich wollte mich natürlich auch in keiner Weise über den Fall selbst äussern! . . . Mur — wie der Mann jetzt eben sprach — ich fühlte so im Ohr — Gott weiss, wieso und woher — so ein Paar merkwürdige Theatertöne . . .“ Der Verteidiger ging auf den Architekten zu. Er reichte ihm nicht die Hand. Er lüftete nur, mit einer kühlen Verbeugung, den Hut. „Mein Name ist Burhem! Sie entsinnen sich vielleicht: wir trafen uns schon neulich einmal, im Zimmer des Herrn Untersuchungsrichters hier, bei Ihrer Vernehmung!“
„Und jetzt sind Sie im Auftrag meiner Schwägerin Male Matteis hier erschienen?“ sagte der schöne Mann.
„Als Vertreter der Familie Matteis!“
„Die Male und die Familie Matteis sind ein und dasselbe — be idem Schreckensregiment, das meine Schwägerin über ihre Mutter, über die Fabrik und den ganzen dazugehörigen Klüngel von Philistern führt! Sie werden zugeben: ohne Ihre Klientin, Herr Doktor, wäre es nie zu der Szene gekommen, die uns jetzt bevorsteht!“
„Ich habe hier nur ein Amt und keine Meinung, Herr Vohwinkel!“
„Aber wenn, durch diese furchtbare Formalität, alle die dunklen Gerüchte über den Tod meiner armen Frau zerstreut sind, die Fräulein Male Matteis seit Monaten in Berlin verbreitet, und ich in wenigen Stunden gerichtlich gerechtfertigt dastehe,“ der Architekt Christof Vohwinkel hob sich in den Schultern — jetzt sah man an der harten Energie der Stirnfurchen, dem kaltblütigen, rasch entschlossenen Ausdruck der Augen, dass er nicht nur ein Liebling der Frauen, sondern auch ein Mann des Berliner Erfolgs war —, „dann, Herr Rechtsanwalt Burhem, werde ich mir erlauben, gegen mein Fräulein Schwägerin schonungslos wegen Verleumdung vorzugehen! Das können Sie der jungen Dame in meinem Namen ausrichten!“
„Ich habe Fräulein Matteis natürlich schon längst pflichtmässig darauf aufmerksam gemacht, dass sie unter Umständen eine empfindliche Strafe riskiert! Zwei Jahre Gefängnis im Höchstfall sind nicht von Pappe! Eindruck hat mein Sermon auf Fräulein Matteis