Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi. Rudolf Stratz

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Das Geheimnis von Fuensanta - Krimi - Rudolf Stratz


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Ich halte an mich!“ Der Architekt Christof Vohwinkel stand, am ganzen Körper zitternd, vor den dreien. Er hielt den breitkrempigen Künstlerhut in der Hand. Er strich sich wildatmed über das krause, dunkle Haar. Auf seinem weichen schönen Gesicht jegten sich fliegende Röte und weisslicher Schein. „Ich begrüsse die letzten Worte, die ich, im unbemerkten Herantreten, aus dem Mund meiner Schwägerin hörte! Ich bitte, diese Worte zu protokollieren, Herr Richter . . .“

      „Ich widerrufe nichts!“

      „Da wagt sich die Verleumdung endlich einmal frech unter die freie Sonne . . .“

      „. . . aber ich war noch nicht zu Ende!“

      „Ich habe genug gehört! Und ich glaube, die beiden Herren auch! Setzen Sie sich bitte in meine Lage, meine Herren, um meine Aufwallung eben, die ich bedauere, zu entschuldiges! Ich ein Mörder! Ein Mörder meiner armen Frau! Das muss ich mir öffentlich von einem hysterischen jungen Mädchen sagen lassen . . .“

      „Na. . . hysterisch gerade, Herr Architekt . . .“

      „. . . hysterisch in der blinden Liebe zu ihrer Schwester, die Fräulein Male Matteis zu diesen Irrsinnsausbrüchen verleitet! Ja — glauben Sie denn, ich hätte meine Frau nicht ebenso geliebt? Mehr noch!“

      „Elend hast du sie erst um ihr Lebensglück gebracht und dann um ihr Leben!“ sagte Male Matteis leise zwischen den Zähnen.

      „Ich habe meine Frau so geliebt wie sie mich! Ihre letzten Gedanken galten mir! Sie hat mir alles verziehen! Das sagt mir untrüglich mein Gefühl. Ich lebe ja jetzt, in der Erinnerung, nur noch für sie und mit ihr. Ich lebe völlig zurückgezogen in meiner Villa im Grunewald. Ich bin ein Einsiedler geworden — fast ohne Verkehr mit den Menschen. . . und unter den Menschen nun gar mit den Frauen. Ich sehe keine Frau mehr an . . .“

      „Um durch diesen nachträglichen Kult mit der armen Elfi jeden Verdacht zu zerstreuen!“ Das junge Mädchen stand, die Hände in den Seitentaschen ihrer weissen Sommerjacke, straff aufgerichtet, den Kopf im Nacken, vor den Männern. „Ich kam vorhin nicht dazu, zu Ende zu reden! Ich erkläre also jetzt hier laut und feierlich, was ich oft schon jedem, der es hören wollte, gesagt habe: ich behaupte nicht, dass Herr Christof Vohwinkel eigenhändig dem Leben meiner Schwester ein Ende gemacht hat! Dazu hatte er keinen Grund. Aber er wusste, das ser sie durch seine Lieblosigkeit in den Tod trieb. Sie war ihm langweilig. Also liess er dem Verhängnis kaltblütig seinen Gang!“

      „Wenn ich Sie recht verstehe, deuten Sie an, dass nach Ihrer Meinung Ihre Frau Schwester selbst . . .?“

      „Die Elfi hat in Spanien Selbstmord begangen!“ sagte Male Matteis kurz und hart. „Mein Schwager wagt nicht, das einzugestehen, weil er weiss, dass die Elfi es aus Verzweiflung über ihn und seine ständige Vernachlässigung und seine ewigen Geschichten mit andern Frauen oder Weibern getan hat! Er fürchtete nicht etwa die Vorwürfe der Familie! An uns liegt ihm nicht ’ne Bohne! Aber wenn die Geschichte in der Öffentlichkeit bekannt geworden wäre, hätte ihm das einen guten Teil von seinen schönen Berliner Bauaufträgen verhageln können! Deswegen hat er vom ersten Tag ab mit eiserner Stirne gelogen! Aber das böse Gewissen wirft ihm immer wieder die Widersprüche wie Knüppel zwischen die Beine!“

      „Ich gebe zu . . .“ Der Architekt Vohwinkel schaute, während er sprach, starr vor sich auf den Boden. „Es ist das einzige, was ich zugebe — und es ist ja leider auch allgemein bekannt: es setzte allerdings Seitensprünge meinerseits in meiner Ehe! Es war ein schwerer Fehler von mir. Aber meine Frau nahm diese kleinen Irrungen, Gott sei Dank, nicht so tragisch! Sie nahm mich, wie ich war. Sie hat mir immer wieder, in ihrer grossen Liebe, verziehen. Von diesen vorübergehenden Berliner Stimmungen und Verstimmungen führt kein Weg bis zu dem angeblichen verzweiflungsvollen Entschluss in Spanien, von dem meine Schwägerin faselt . . . Herr Richter — das Blut steigt mir in den Kopf, wenn ich sehe, wie Fräulein Matteis bei meinen Worten verächtlich mit den Achseln zuckt.“

      „Ein halbes Jahr nach ihrer Hochzeit,“ sagt Male Matteis langsam, Wort für Wort, „da kam die Elfi spät am Abend zu mir. Kein Mensch mehr. Sie war wahnsinnig. Zum ersten Mal hatte sie meinen Schwager gesehen, wie er wirklich war — meinen Schwager, vor dem sie bis dahin wie vor einem Wunder der Schöpfung gekniet hatte. Die Elfi war ja kein Mensch wie wir hier! Sie war ein himmlisches grosses Kind. Sie sah die Welt aus Märchenaugen an. Auch meinen Schwager. Nun war für sie das Götzenbild zertrümmert und die Welt entweiht. Sie gab mir einen Kuss und einen Abschiedsbrief an unsere Mutter. Dann wollte sie fort, in die Winternacht hinaus. Die Spree fliesst ja ganz nahe von unserer Fabrik. Mit äusserster Mühe, mit aller Gewalt meiner Arme, habe ich sie zurückgehalten. Stundenlang habe ich mit ihr gerungen, bis sie sich endlich beruhigte.“

      „Hm . . . Und weiter, Fräulein Matteis . . .“

      „Ein Jahr darauf klingelt mich ganz früh, während mein Schwager verreist war, Elfis Mädchen an: Die gnädige Frau liege bewusstlos im Bett! Ich hin! Wie ich ankomme, schon alle Fenster auf! Der ärgste Gasgeruch verflogen! Der Doktor da! Er hielt reinen Mund! Die Elfi erholte sich rasch. Die Geschichte wurde vertuscht . . .“

      „Nun: ein Gasrohr kann doch auch durch einen Zufall undicht . . .“

      „Ein merkwürdiger Zufall, Herr Richter, wenn die Elfi um Mitternacht vor dem Schlafengehen einen eigens gekauften Verlängerungsschlauch an den Gasherd in der Küche schraubt und ihn in ihr Schlafzimmer leitet! Nun das letzte — vor der Reise nach Spanien: da nestelt sich, wie wir beide beisammensitzen, die Elfi auf einmal ihr Kleid auf und zeigte mir auf der blossen Brust links eine Stelle, die sie mit einem Kohlenstift Schwarz umrändert hat. ,Das muss man nämlich wissen!‘ sagt sie zu mir. ,Ich habe nachgesehen! An dieser Stelle sitzt das Herz — nicht da, wo man gewöhnlich glaubt, dass es ist, weil man es dort klopfen fühlt! Nein — auf diesen Punkt da muss man zielen und schiessen, wenn es einmal so weit ist!‘ Dabei spielte sie mit einem scharf geladenen, kleinen Revolver. Den schleppte sie in ihrem Handtäschchen mit sich herum.“

      „Und diese Fahrt nach Spanien, gleich nachher,“ schloss Male Matteis mit erhobener Stimme, „war der armen Elfi ihre letzte Hoffnung! Auf dieser Reise wollte sie alles daransetzen, ihren Mann, allein mit ihm, durch ihre unendliche, überirdische Lieb ganz und dauernd für sich zu gewinnen! Die Elfi ist von dieser Reise nur im Sarg zurückgekehrt — ein Beweis, dass ihre Hoffnung sie betrogen hat, und im Sarg werden Sie die Spur diese Revolvers finden!“

      „Der Sarg ist in den Seitenraum der Kapelle drüben überführt,“ meldete, heranschnaufend, der kleine Medizinalrat.

      „Wenn ich bitten darf, meine Herren!“ Der Untersuchungsrichter wandte sich zum Gehen. „Sie bleiben hier, Fräulein Matteis?“

      „Ja. Drüben am Gärtnerhaus!“

      „Und Sie, Herr Architekt?“

      „Ich gehe mit!“ sagte Christof Vohwinkel ruhig.

      3

      Aus dem Nebenraum der Kapelle wehte eine kalte Kellerluft in den blauen Sommermorgen hinaus. Die Kübel mit immergrünen Gewächsen, zu deren Aufbewahrung er diente, waren seitlings an die weissgekalkten Wände gerückt. Auf dem freien Backsteinboden in der Mitte stand wuchtig der rostblinde Metallsarg in dem hellen, durch die Fenstergitter fallenden Sonnenschein. Es roch in dem Raum nach Moder und welken Blättern und feuchter Gartenerde und Zigarrenqualm aus dem umwölkten Graubart des Medizinalrats.

      „Zigarren kann ich von jetzt ab empfehlen!“ sagte er und beobachtete durch seine Brillengläser die Handgriffe der Arbeiter, die den Sarg aufschraubten. Der blonde Referendar sass etwas bleich auf einem durchlöcherten Strohstuhl und ordnete auf dem wackeligen Gartentisch vor ihm das Protokoll. Der Rechtsanwalt Burhem verfolgte gähnend, an die Tür gelehnt, den Kampf eines dicken Hänflings mit einem Regenwurm im Efeu des Grabes ihm gegenüber. Der Untersuchungsrichter stand stumm mit dem Architekten Vohwinkel abseits in einer Ecke. Durch das allgemeine Schweigen brummte jetzt schon von fern das dumpfe Grollen und Rollen des erwachenden Berlin. Etwas näher läutete eintönig eine Glocke. Der Sirenenpfiff einer Fabrik heulte von der Vorstadt her über die Stätten der Toten und rief die Lebenden zur Tagesarbeit. In dem


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