Wer baut die Bahn?. Rudolf Stratz

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Wer baut die Bahn? - Rudolf Stratz


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dort drüben in Ortaköi . . .“

      „Der Deutsche dort in Ortaköi sollte lieber seine Schwester hüten, ehe er die Klageweiber für ihr Begräbnis bestellen muss!“

      „Ach — der passiert nichts!“ sagte der Major Hünif. „Das ist doch die, die neulich vor allen Engländern das Kamelrennen auf dem Exerzierplatz der Gardezuaven bei Haidar Pascha gewonnen hat!“

      „Gott ist gross!“

      „Vorige Woche hat sie mit ihren Freunden, den Tscherkessen, im Urwald hinter Ismid zwei Wölfe geschossen und auf dem Rückweg die Lokomotive selbst gefahren. Der Generaldirektor der Polizei hat sich durch den Grosswesir beschwert!“

      „Es ist keine Hilfe vor den Franken ausser bei Gott!“ Der Marschall Schükri hielt vor seinem Konak, hart am Meer, am Hang des Hügels, auf dem der nahe Jildis-Kiosk lag. Es war ein Haus von alttürkischer Bauart — in zierlichen hölzernen Erkern und Galerien vorspringend der Oberstock, holzgeschnitztes Gitterwerk vor den Fenstern des Harems, weiss ummauert, mit grünen Feigenbäumen um den Brunnen, der Vorhof.

      Die in Rot und Gold gekleidete albanesische Torwache, die sich Schükri Pascha nach dem Brauch der Grossen zum Schutz gegen Überfälle hielt, stürzte ihrem Brotherrn entgegen und half ihm vom Pferde. Der Führer der bis an die Zähne bewaffneten riesigen Kerle erstattete flüsternd eine Meldung. Der Marschall wandte sich sehr ernst auf französisch an seinen Neffen.

      „Iskander Beg berichtet, es sei ein unruhiges Kommen und Gehen in den Linienkasernen in Skutari! Verdächtige Versammlungen um die Koranausleger in den Klosterschulen und hinter den Armenküchen verschiedener Moscheen . . .“

      Der Major im Regiment Ertogrul stieg aus dem Sattel und starrte auf das Meer.

      „. . . und ein Zeichen des nahen Zornes Allahs: Fuad Pascha, der aus Damaskus entflohen ist, wurde gestern im Basar, als persischer Teppichhändler verkleidet, gesehen. Wo er ist, ist ein Anschlag gegen den Grossherrn nicht weit.“

      „Fangt ihn und hängt ihn an der grossen Platane auf dem Seraskierplatz!“ Der Major und Adjutant des Marschalls, Hünif, folgte seinem Oheim in den Konak, mit einem letzten Blick auf das Meer: „Eben schwimmt sie drüben am Palais Lamba vorüber!“

      3

      In einem der Bosporussäle seines Palais stand Lamba selber am Fenster — Lamba — der grosse Hecht im Karpfenteich der Levante —, bekannt am ganzen Mittelmeer, wo nur seine Dampfer mit überverpfändeter Ladung rauchten — wo seine Wechsel über schwindelnde Summen von Piastern und Drachmen und ägyptischen Pfunden mit äusserster Vorsicht von Hand zu Hand gingen — wo seine Seide-, Baumwolle-, Zuckerspekulationen die Börsen von Marseille bis Alexandria erschütterten — Palamidi Lamba, knabenhaft schmächtig, aber elegant gewachsen, ein bräunlicher Vierziger mit schwarzem Haar und Schnurrbart, perlgrau nach Pariser Mode gekleidet, einen vierzigkarätigen Diamanten in dem Seidenschlips vom Altgold der Kirchenbilder seines griechisch-orthodoxen Glaubens.

      Aus seinem sinnlich-weichen, wächsernen, regelmässigen Antlitz war die lauernde Trägheit des Halbasiaten geschwunden. Die sonst undurchdringlich ausdruckslosen Züge zeigten eine leidenschaftliche Spannung. Er spähte über die Marmorstatuen und goldgesprenkelten Orangenbäume und Palmenwedel seiner Gartenterrassen hinaus auf das Meer, als hätte er das Blau des Bosporus noch nie gesehen.

      Dies tiefe Blau und in ihm der weit ausgebreitete blonde Fächer auf den Wogen. Der Schwimmerin draussen hatte sich nach dem Verlust der roten Badekappe das Haar im Spiel der Wellen gelöst. Wie eine lange goldene Schleppe flutete es im Sonnenschein hinter ihr her. Und drüben in Lambas schwarzen Augen glühte heiss die ewige Leidenschaft des brünetten Südländers, des dunklen Mittelmeermenschen, nach dem kühlen Blond und Weiss des fernen Nordens.

      Und nur eines beschäftigte Palamidi Lamba, den Sohn des Stiefelputzers von Saloniki, den skrupellosen Millionär, den Schrecken jedes ehrbaren Handelsherrn zwischen Pera und Piräus — nur eines beschäftigte ihn, wie er, stumm auf die Wasserfläche starrend, dastand. Ob sie wohl auch blaue Augen hat? Grosse blaue Augen — so blau wie Himmel und Meer? . . .

      „Ein persischer Händler ist, mit einer Rolle Seidenteppiche vor sich, auf dem Esel angeritten!“ Das Flüstern eines Dieners im Hintergrund des ganz europäisch, in weissseidenem Louis-Seize von einer Pariser Firma ausstaffierten Saals. „Er sagt, er sei von Eurer Herrlichkeit bestellt!“

      Lamba fuhr herum. Er kam zu sich. Sein Gesicht färbte sich plötzlich etwas blass. Ein Kopfwink: „Herein!“

      Der Perser war ein grosser, hagerer, nicht mehr junger Mann mit Hakennase, Schwarzbart, Glutaugen. Er stand, seinen Packen neben sich auf dem Parkett, demütig an der Tür, die schwarze Fellmütze auf dem tiefbraun gebrannten wilden Kopf, den schwarzen Kaftan bis zum Hals zugeknöpft, die Hände ehrerbietig vor dem Leib gefaltet. Er murmelte unterwürfig, so dass es der heraushuschende Diener noch hören konnte:

      „Mein Ernährer: Ihr Fussstaub erwartet Ihre Befehle!“

      Der Levantiner wurde noch bleicher. Er überzeugte sich mit einem Blick, dass sich die Pforte hinter dem Diener geschlossen. Er zog den Teppichhändler am Arm mit sich in die Mitte des Saals, wo unmöglich ein Menschenohr im Palais sein angstvolles Flüstern vernehmen konnte.

      „Exzellenz Fuad — Gott hat Ihre Flucht aus Damaskus begünstigt . . .“

      „Lob sei Allah!“

      „Aber wie konnten Sie es wagen, Fuad Pascha, hierher nach Konstantinopel . . . unter die Augen des Sultans . . .“

      „Nicht als sein abgesetzter Palaisintendant, sondern als ein reisender Teppichhändler unter dem Schutze Allahs!“

      „Warum bringen Sie mich durch Ihren Besuch in Lebensgefahr?“ Der Levantiner schluckte vor Angst.

      „Es ist alles zum Handstreich auf den Jildis-Kiosk bereit!“ Die schwarzen Pupillen des falschen Persers funkelten unter den buschigen Brauen. „Unser neuer Sultan — der künftige sechsunddreissigste Grossherr — aus dem Stamme Osmans . .“

      „Der Prinz ist seit Jahren im Ausland flüchtig!“

      „Er hat heimlich seinen Zufluchtsort in Korfu verlassen und ist hier in Konstantinopel verborgen! Wir brauchen nur noch Geld, um die Kammerherren des Jildis-Kiosk zu bestechen — viel Geld — von euch Griechen und Armeniern!“

      Der Levantiner Lamba war geschmeichelt, dass man ihn einen Griechen nannte. Aber er schritt unruhig in dem Saal auf und ab. Er schaute leer durch das hohe Fenster hinaus in die Sonnenblendung. Da schwamm immer noch leuchtend die goldene Haarflut auf dem blauen Spiegel der See.

      „Es wäre der dritte Sultan, der innerhalb eines Jahrzehnts entthront und ermordet wird!“ keuchte er heiser. „Was gehen eure blutigen Serailhändel uns Christen an?“

      „Ihr Griechen und Armenier hofft vergeblich, durch Rhodokanaki und die anderen Christen im Senat eine Eisenbahnkonzession in Vorderasien zu erreichen!“ sagte Exzellenz Fuad Pascha, der gestürzte Grosse. „Drüben im Jildis-Kiosk“, er wies über den Bosporus hinüber, „offenbart sich der Wille Allahs — Lob ihm! Haben wir dort die Macht . . .“ Er griff sich mit der Rechten in das wirre Haargestrüpp unter dem Kinn: „Bei meinem Bart — so habt ihr von uns die Eisenbahnkonzession und damit zehnfach das Geld wieder, das ihr uns jetzt im Namen des Allerbarmers leiht!“

      „Lasst mir Zeit!“

      „Morgen ist es für eure Pläne zu spät. Franzosen und Russen verfolgen dieselben Pläne. Sie haben sich geinigt!“

      „Ich weiss es!“

      „Der Vertreter der Russen nähert sich jetzt eben auf dem Odessaer Dampfer Konstantinopel!“

      „Der Deutschrusse Buddenhaus! Was bleibt im Orient unbekannt?“

      „Er ist ein noch junger Mann. Ein Mann wie Sturm über der Steppe. Ich komme selbst aus Vorderasien. Die geringsten Kameltreiber zwischen Bagdad und Beirut sprechen dort von ihm. Er hat dort die Paschas


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