Die letzte Analyse. Amanda Cross

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Die letzte Analyse - Amanda  Cross


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zu tun haben. Nickis Angstattacken hatten nichts mit Fahrstühlen zu tun – eigentlich schade, schließlich wohnte sie doch im Parterre –, hingen aber offensichtlich mit öffentlichem Verkehr zusammen. Nicht zum ersten Mal ging Kate durch den Kopf, dass sie zwar zutiefst beeindruckt vom Genius Freuds war, das ineffektive Herumtasten, diese Mischung aus Verwirrung und Doktrin, die die klinische Psychoanalyse heute charakterisierte, sie jedoch absolut kalt ließen. Der Haken dabei war unter anderem, dass Freud, käme er heutzutage wieder auf die Erde zurück, noch immer der beste Psychiater von allen wäre. Einstein begriff, bevor er starb, nicht mehr, mit welchen Problemen sich die Physik beschäftigte, und so, dachte Kate, sollte es auch sein. Die Psychiatrie hatte mit Freud begonnen und schien weitgehend damit auch schon an ihrem Ende angekommen zu sein; aber vielleicht war es noch zu früh für solche Urteile.

      »Ich bin gestern genau um halb elf aus dem Haus gegangen«, sagte Nicki.

      »Währenddessen hatte Emanuel Patienten in seiner Praxis.«

      »Ja. Zwischen dem Neun- und dem Zehn-Uhr-Patienten kam er nach hinten in die Wohnung, um mir guten Morgen zu wünschen und auf die Toilette zu gehen. Da war noch alles in Ordnung. Dann habe ich ihn nicht mehr gesehen bis …«

      »Einen Augenblick, Nicki. Lass uns das ganz gründlich klären. Um halb elf war Emanuel mit einem Patienten in seiner Praxis (das war, nebenbei bemerkt, derjenige, den er auf den Nachmittag verlegen wollte – ob das hier eine Bedeutung hat? Ich frage mich, ob er das Mädchen kannte), Pandora war mit den Kindern ausgegangen, und du warst unterwegs zu deinem Termin um elf und einigen Besorgungen. Als du die Wohnung verließest, war also außer Emanuel und seinem Patienten niemand in der Wohnung, und die beiden waren in der Praxis?«

      »Ja. Es klingt ein bisschen dramatisch, sicher, aber das ist haargenau die Wahrheit. Die Polizei schien sich für all das auch sehr zu interessieren.«

      »Jeder, der den Haushalt beobachtet hätte, konnte also wissen, dass es so ablaufen würde, und zwar unvermeidlich, es sei denn, jemand wäre krank oder es regnete?«

      »Ja. Aber wer hätte ein Interesse daran, unsere Wohnung zu beobachten? Siehst du, Kate, das ist der springende Punkt.«

      »Nicki, bitte. Lass uns noch einen Augenblick bei dem zeitlichen Ablauf bleiben. Um elf musste dann das Mädchen, Janet Harrison, kommen, und der Patient vor ihr wäre schon weg. Du wärest bei deinem Analytiker, die Kinder und Pandora im Park, und für eine Stunde würde sich da auch nichts mehr ändern?«

      »Für fünfzig Minuten jedenfalls. Du weißt, die Behandlungsstunde dauert fünfzig Minuten. Die Patienten gehen zehn Minuten vor der vollen Stunde, und die nächste Sitzung beginnt dann pünktlich. Aber du siehst das Problem, das die Polizei hat. Ich meine, man kann sich in ihre Sichtweise hineindenken, auch wenn man weiß, dass jemand wie Emanuel nicht hingeht und seine Patientin in seiner eigenen Praxis auf seiner eigenen Couch niedersticht. Die ganze Idee ist einfach verrückt. Er war da, oder zumindest glauben sie, dass er da war, obwohl er natürlich nicht da war, sie glauben also, er war da, in seiner schalldichten Praxis, zusammen mit einem Mädchen, sonst niemand in der Nähe, und er behauptet, jemand anders sei hereingekommen, habe sie auf der Couch erstochen, und er sei gar nicht da gewesen. Aus ihrer Sicht, nehme ich an, klingt das reichlich faul, gelinde ausgedrückt. Natürlich, Emanuel hat ihnen eindeutig erklärt, dass …«

      »Warum ist der Raum übrigens schalldicht?«

      »Wegen der inneren Ruhe, die ein Patient braucht. Wenn ein Patient draußen im Wartezimmer sitzt und irgendeinen Ton aus dem Behandlungszimmer hört, dann würde er doch den Schluss ziehen, dass man auch ihn hören könnte, und das hätte schlimme Auswirkungen, würde ihn blockieren. Also entschied Emanuel sich für Schallschutz – ich glaube, das tun die meisten Psychiater –, und dann hat er sich im Wartezimmer auf jeden nur möglichen Stuhl gesetzt, während ich drinnen auf der Couch lag und schrie, ich liebe meine Mutter und hasse meinen Vater, immer wieder, obwohl die Patienten natürlich nicht schreien und so etwas auch nie sagen würden, aber wir mussten sichergehen, und Emanuel hat wirklich nichts gehört.«

      »Lass uns mal einen Zeitsprung machen, Nicki. Wir steigen wieder ein um zwölf Uhr, als du die Leiche fandest. Wieso du? Gehst du gewöhnlich in Emanuels Praxis?«

      »Während des Tages eigentlich nie. Am Abend gehe ich hinein, staube ab und leere die Aschenbecher, weil Pandora dazu eigentlich keine Zeit hat, und im Sommer sitzen wir manchmal am Abend dort, bevor wir ausgehen, weil es der einzige Raum mit Klimaanlage im Haus ist. Aber tagsüber geht niemand auch nur in die Nähe. Wir bemühen uns sogar, nicht allzu oft hin und her zu laufen, wenn ein Patient im Wartezimmer sitzt, obwohl Emanuel sie daran gewöhnt hat, die Tür zum Flur hinter sich zu schließen, sodass sie uns im Grunde nie sehen könnten, außer, wenn sie gerade kommen oder gehen. Ich weiß, viele Psychiater mißbilligen es, wenn ein Analytiker seine Praxis im eigenen Haus hat, aber sie machen sich nicht klar, wie wenig die Patienten von dem bemerken, was um sie vor sich geht. Obwohl Emanuels Patienten wahrscheinlich annehmen, dass er verheiratet ist, hat mich erst einer in all den Jahren gesehen, und der hat mich wohl für eine andere Patientin gehalten. Von den Kindern hat, glaube ich, überhaupt noch niemand etwas bemerkt. Die Praxis ist für sie absolut verboten, und auch ich gehe nicht öfter hinein, als ich es tun würde, wenn Emanuel seine Praxis woanders hätte, wahrscheinlich sogar seltener.«

      »Angenommen, du musst tagsüber etwas mit ihm besprechen?«

      »Wenn es nichts Wichtiges ist, warte ich, bis er nach hinten in die Wohnung kommt, was er häufig zwischen zwei Patienten tut. Ist es eilig, telefoniere ich mit ihm. Er hat in der Praxis natürlich ein eigenes Telefon.«

      »Aber gestern bist du um zwölf Uhr in seine Praxis gegangen.«

      »Nein, nicht um zwölf. Ich bin gewöhnlich vor halb eins gar nicht zu Hause, obwohl es gestern ein bisschen früher war. Manchmal treffe ich mich auch mit jemandem zum Lunch oder fahre in die Stadt, und dann komme ich erst am frühen Nachmittag zurück. Aber gestern – Gott sei Dank, nehme ich an, Gott sei Dank – bin ich früher nach Hause gekommen. Als ich ins Haus kam, hat der Zwölf-Uhr-Patient …«

      »Kanntest du ihn?«

      »Nein, natürlich nicht. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen. Ich meine, ich habe erst nachher erfahren, dass er der Zwölf-Uhr-Patient war, und der steckte also seinen Kopf zum Flur herein und fragte mich, ob der Doktor heute keine Patienten empfange. Es war fünfundzwanzig Minuten vor eins, und der Therapeut hatte ihn nicht hereingeholt. Weißt du, Kate, das war schon sehr eigentümlich. Emanuel hat noch nie in seinem Leben einen Patienten versetzt. Ich wusste, dass er um elf Uhr eine Patientin hatte (Janet Harrison), und er geht niemals in den zehn Minuten bis zum nächsten Patienten aus dem Haus. Ich habe mich natürlich gefragt, was mit ihm passiert sein könnte. Saß er womöglich in seinem Sprechzimmer und fühlte sich, aus welchem Grund auch immer, nicht fähig, einen Patienten zu empfangen? Ich rief von der Küche aus in der Praxis an, und nach dreimaligem Läuten meldete sich der Auftragsdienst, also wusste ich nun, er war nicht da oder antwortete nicht, und da fing ich an, mir Sorgen zu machen. Inzwischen hatte ich den Patienten wieder ins Wartezimmer zurückkomplimentiert. Natürlich ging mir alles Mögliche durch den Kopf, von Emanuel mit Herzattacke im Behandlungsraum bis zu der Befürchtung, er hätte seine Elf-Uhr-Patientin noch nicht loswerden können – man hat die seltsamsten Fantasievorstellungen bei solchen Gelegenheiten –, Pandora war mit den Jungen in der Küche zum Lunch, und ich ging und klopfte an die Tür des Behandlungsraumes. Ich wusste, der Patient im Wartezimmer verfolgte, was ich jetzt unternahm, obwohl er mich nicht sehen konnte, aber ich musste irgendwas tun, und natürlich reagierte niemand auf mein Klopfen, also öffnete ich die Tür und steckte meinen Kopf hinein. Da lag sie, auf der Couch, die nicht weit von der Tür entfernt ist, ich konnte sie gar nicht übersehen. Mein erster Gedanke war: Sie ist eingeschlafen, aber dann sah ich das Messer aus ihrer Brust ragen. Und Emanuel nirgends zu sehen. Ich hatte die Geistesgegenwart, die Tür wieder zuzumachen und dem Patienten zu sagen, dass er lieber gehen solle. Er war neugierig und zögerte offensichtlich, einen Ort zu verlassen, an dem er ein Drama vermutete, aber ich habe ihn hinausbegleitet. Ich war absolut ruhig, wie man das oft nach einem Schock ist.«

      »Und dann hast du die Polizei angerufen?«

      »Nein. Ich


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