Zwei Jahre Ferien. Jules Verne

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Zwei Jahre Ferien - Jules Verne


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»nicht gleich zu vie­le Tau­ben zu er­le­gen. Im Fal­le des Be­darfs fin­den wir sie schon wie­der. Vor al­lem gilt es, Pul­ver und Blei nicht zu ver­geu­den …«

      »Schon gut …! Schon gut!« fiel ihm Do­ni­phan ins Wort, der sol­che Er­mah­nun­gen nicht lieb­te, vor­züg­lich wenn sie von Bri­ant aus­gin­gen. »Wir neh­men nicht zum ers­ten Mal ein Ge­wehr in die Hand und brau­chen kei­ne gu­ten Ratschlä­ge.«

      Nach Ver­lauf ei­ner Stun­de mel­de­te Moko, dass das Früh­stück fer­tig sei. Alle be­ga­ben sich ei­lig wie­der an Bord des Scho­ners und nah­men im Spei­se­sa­lon Platz. Bei der Lage der Yacht neig­te sich die Ta­fel sehr merk­lich nach Back­bord. Das be­läs­tig­te je­doch die Kin­der nicht, wel­che die Be­we­gun­gen des Schif­fes schon ge­wöhnt wa­ren. Die Scha­len­tie­re, vor­züg­lich die Mies­mu­scheln, wur­den vor­treff­lich be­fun­den, ob­wohl ihre Zu­be­rei­tung zu wün­schen üb­rig ließ. In die­sem Al­ter ist der Hun­ger aber ja stets der bes­te Koch. Schiffs­zwie­back, ein tüch­ti­ges Stück Cor­ned beef und fri­sches Was­ser, ge­schöpft an der Mün­dung des Rios zur­zeit der Ebbe, wo es also kei­nen Salz­ge­schmack ha­ben konn­te, und ge­würzt mit we­ni­gen Trop­fen Bran­dy — das al­les bil­de­te zu­sam­men eine gar nicht zu ver­ach­ten­de Mahl­zeit.

      Der Nach­mit­tag wur­de ver­schie­de­nen Auf­räu­mungs­ar­bei­ten im Schiffs­rau­me und der Ord­nung der in­ven­ta­ri­sier­ten Ge­gen­stän­de ge­wid­met. Wäh­rend­des­sen be­schäf­tig­te sich Jen­kins nebst ei­ni­gen klei­nen Ge­nos­sen mit dem An­geln im Flus­se, der von Fi­schen man­cher­lei Art ge­ra­de­zu wim­mel­te. Nach dem Abendes­sen aber be­ga­ben sich alle zur Ruhe, mit Aus­nah­me Bax­ters und Wil­cox’, wel­che bis Ta­ge­s­an­bruch die Wa­che über­nah­men.

      So ver­ging die ers­te Nacht auf die­sem Er­den­win­kel des Stil­len Ozeans.

      Al­les in al­lem sa­hen sich die­se Kna­ben nicht von den Hilfs­quel­len ent­blö­ßt, wel­che Schiff­brü­chi­gen an öden Küs­ten so häu­fig man­geln. Un­ter den Ver­hält­nis­sen, in wel­chen sie sich be­fan­den, hät­ten ar­beits­fä­hi­ge und um­sich­ti­ge Män­ner alle Aus­sicht ge­habt, ihre Lage ganz er­träg­lich zu ge­stal­ten. Wür­den die­se Kna­ben aber, de­ren äl­tes­ter vier­zehn Jah­re zähl­te, wenn es ih­nen be­stimmt war, lan­ge Jah­re un­ter sol­chen Ver­hält­nis­sen aus­zu­har­ren, es auch ver­mö­gen, sich alle Le­bens­be­dürf­nis­se zu be­schaf­fen …? Das ist wohl ei­ni­ger­ma­ßen zu be­zwei­feln.

      1 Ein Sturm­glas, auch FitzRoy-Sturm­glas (nach dem Ad­mi­ral Ro­bert FitzRoy) oder Cam­pher­glas, ist ein mit Was­ser, Etha­nol, Cam­pher, Ka­li­um­ni­trat und Am­mo­ni­um­chlo­rid ge­füll­tes Glas­rohr, in dem ge­le­gent­lich Kris­tal­le in un­ter­schied­li­chen For­men wach­sen und sich wie­der auf­lö­sen. Es wird be­haup­tet, dass die­se Ver­än­de­run­gen Stür­me oder Schlecht­wet­ter­fron­ten an­kün­di­gen, je­doch konn­te eine sol­che Eig­nung zur Wet­ter­vor­her­sa­ge wis­sen­schaft­li­che nicht be­stä­ti­gen wer­den. (WIKIPEDIA) <<<

      In­sel oder Fest­land? — Ein Aus­flug. — Bri­ant zieht al­lein aus. — Die Am­phi­bi­en. — Scha­ren von Platt­fi­schen. — Früh­stück. — Von der Höhe des Vor­ge­bir­ges. — Die drei Ei­lan­de im of­fe­nen Meer. — Eine blaue Li­nie am Ho­ri­zont. — Rück­kehr zum »Sloug­hi«.

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      In­sel oder Fest­land? — Das blieb noch im­mer die wich­ti­ge Fra­ge, mit der sich Bri­ant, Gor­don und Do­ni­phan, ih­rem Cha­rak­ter und ih­rer In­tel­li­genz nach die na­tür­li­chen Häup­ter die­ser klei­nen Welt, un­aus­ge­setzt be­schäf­tig­ten. Bei dem Ge­dan­ken an die Zu­kunft, wäh­rend die Klei­nen nur der Ge­gen­wart leb­ten, spra­chen sie sehr oft über die­sen Ge­gen­stand. Ob die­ses Land aber ei­ner In­sel oder ei­nem Kon­ti­nent an­ge­hör­te, je­den­falls lag es nicht in­ner­halb der Tro­pen­zo­ne; das be­wies sei­ne Pflan­zen­welt, der Be­stand an Ei­chen, Bu­chen, Bir­ken, Wei­den, Fich­ten und Tan­nen ver­schie­de­ner Art, das zeig­te sich an den zahl­rei­chen Myr­ta­ceen oder Stein­brech­ar­ten, wel­che als Bäu­me oder Ge­bü­sche im mitt­le­ren Teil des Stil­len Ozeans nicht vor­kom­men. Es schi­en so­gar, als lie­ge die­ses Ge­biet in et­was hö­he­rer Brei­te, also nä­her dem Süd­pol, als Neu­see­land, wes­halb zu be­fürch­ten war, dass der Win­ter hier mit großer Stren­ge auf­tre­ten wür­de. Schon be­deck­te eine di­cke Lage wel­ker Blät­ter den Bo­den der Ge­höl­ze, die sich am Fuße des Steilufers hin­zo­gen. Nur die Tan­nen und Fich­ten hat­ten ih­ren Na­del­schmuck be­wahrt, der sich von Jahr zu Jahr er­neu­er­te, ohne je­mals ganz ab­zu­fal­len.

      »Aus die­sem Grun­de«, be­merk­te Gor­don am nächs­ten Tage nach der Fest­le­gung des »Sloug­hi« auf dem Strand, »er­scheint es mir rat­sam, dass wir uns nicht end­gül­tig auf die­sem Teil der Küs­te an­sie­deln.«

      »Das mein ich auch«, ließ Do­ni­phan sich ver­neh­men. »Doch wenn wir die schlech­te Jah­res­zeit her­an­kom­men las­sen, wird es zu spät sein, einen be­wohn­ten Ort auf­zu­su­chen, we­nigs­tens wenn wir Hun­der­te von Mei­len bis da­hin zu­rück­zu­le­gen ha­ben.«

      »Ge­duld, Ge­duld!« er­wi­der­te Bri­ant. »Noch sind wir erst in der Mit­te des März!«

      »Nun«, ent­geg­ne­te Do­ni­phan, »die gute Wit­te­rung mag bis Ende April dau­ern, und bin­nen sechs Wo­chen ist ein gu­tes Stück Wegs zu über­win­den.«

      »Vor­aus­ge­setzt, dass es über­haupt einen Weg gibt«, mein­te Bri­ant.

      »Und warum soll­te es kei­nen ge­ben?«

      »Na­tür­lich«, fiel Gor­don ein. »Doch wenn es einen gibt, wis­sen wir auch, wo­hin er füh­ren wird?«

      »Ich sehe nur das eine«, er­wi­der­te Do­ni­phan, »dass es eine große Tor­heit wäre, vor Ein­tritt der Käl­te und der Re­gen­zeit den Scho­ner nicht ver­las­sen zu ha­ben, und schon aus die­sem Grund darf man nicht bei je­dem Schritt neue Schwie­rig­kei­ten wit­tern.«

      »Es ist stets bes­ser, die­se scharf ins Auge zu fas­sen«, ver­setz­te Bri­ant, »als sich gleich Nar­ren in ein Land hin­ein­zu­wa­gen, das man nicht kennt.«

      »Und es ist sehr leicht«, er­klär­te Do­ni­phan her­aus­for­dernd, »die­je­ni­gen Nar­ren zu nen­nen, wel­che nicht eu­rer An­sicht sind!«

      Vi­el­leicht hät­te die­se Ant­wort Do­ni­phans wie­der schar­fe Ge­gen­re­den sei­nes Ka­me­ra­den her­vor­ge­ru­fen und das Ge­spräch in eine Zän­ke­rei aus­ar­ten las­sen, da trat Gor­don ver­mit­telnd da­zwi­schen.

      »Es nützt nichts, mit­ein­an­der zu strei­ten«, sag­te er, »und um sich in schlim­mer Lage zu hel­fen, gilt es zu­erst sich zu ver­stän­di­gen. Do­ni­phan hat da­mit recht, zu sa­gen, dass wir, wenn ein be­wohn­tes Land in un­se­rer Nach­bar­schaft liegt, un­ge­säumt da­hin auf­bre­chen soll­ten. Ist das aber an­zu­neh­men? ant­wor­tet da­ge­gen Bri­ant, und er hat nicht un­recht, so zu ant­wor­ten.«

      »Was, zum Teu­fel!« rief Do­ni­phan hit­zi­ger. »Sieh, Gor­don, wenn wir nach Nor­den hin­auf­zie­hen, nach Sü­den hin­un­ter­wan­dern, wenn wir uns nach Os­ten hin­wen­den, so müs­sen wir schließ­lich ans


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