Zwei Jahre Ferien. Jules Verne

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Zwei Jahre Ferien - Jules Verne


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trat zu sehr ge­le­ge­ner Zeit als Ver­mitt­ler zwi­schen Bri­ant und Do­ni­phan — wozu er üb­ri­gens schon mehr­fach Ver­an­las­sung ge­fun­den hat­te —, und die Ka­me­ra­den füg­ten sich sei­nen Vor­stel­lun­gen.

      Der Was­ser­stand hat­te jetzt um zwei Fuß ab­ge­nom­men, und es ent­stand die Fra­ge, ob sich zwi­schen den Klip­pen viel­leicht eine Art Kanal hin­zie­he.

      Quer durch die Klip­pen­bank zeig­te sich da eine Durch­fahrt, de­ren Rich­tung durch vie­le, sie auf bei­den Sei­ten be­gren­zen­de Fels­blö­cke an­ge­deu­tet war und der man fol­gen muss­te, wenn man mit Hil­fe der Jol­le nach dem Strand ge­lan­gen woll­te. Au­gen­blick­lich frei­lich bro­del­te und wir­bel­te die Bran­dung hier noch viel zu hef­tig, um sich je­ner mit Er­folg be­die­nen zu kön­nen. Un­fehl­bar wäre die Jol­le auf eine Felss­pit­ze ge­wor­fen und da­mit schwer be­schä­digt, wenn nicht ver­nich­tet wor­den. Es emp­fahl sich also, noch so lan­ge zu war­ten, bis das sin­ken­de Meer hier eine ge­fahr­lo­se­re Was­ser­stra­ße zu­rück­ließ.

      Von der Ober­bram­rah aus, auf wel­cher Bri­ant rei­tend sich an­klam­mer­te, be­müh­te sich die­ser, das Ufer­land noch ge­nau­er zu be­sich­ti­gen. Er such­te mit dem Fern­glas Stück für Stück den Strand ab, bis zu der hö­her an­stei­gen­den Hin­ter­wand des­sel­ben. Zwi­schen den bei­den, etwa acht bis neun See­mei­len von­ein­an­der ent­fern­ten Vor­ge­bir­gen schi­en die Küs­te völ­lig un­be­wohnt zu sein.

      Nach halb­stün­di­gem Aus­lu­gen stieg Bri­ant wie­der hin­un­ter und be­rich­te­te sei­nen Ge­fähr­ten, was er ge­se­hen. Wenn Do­ni­phan, Wil­cox, Webb und Cross ihm zu­hör­ten, ohne et­was zu sa­gen, so frag­te ihn Gor­don da­ge­gen:

      »Als der ›Sloug­hi‹ stran­de­te, Bri­ant, war es da nicht ge­gen sechs Uhr mor­gens?«

      »Ja«, ant­wor­te­te Bri­ant.

      »Und wie lan­ge dau­ert es bis zum nied­rigs­ten Was­ser­stan­de?«

      »Ich glau­be fünf Stun­den. — Nicht wahr, Moko?«

      »Ja, zwi­schen fünf und sechs Stun­den«, er­klär­te der Schiffs­jun­ge.

      »Das trä­fe also ge­gen elf Uhr ein«, fuhr Gor­don fort. »Dann wäre der güns­tigs­te Zeit­punkt zu dem Ver­such, die Küs­te zu er­rei­chen.«

      »So hat­te ich auch ge­rech­net«, be­merk­te Bri­ant.

      »Nun wohl«, nahm Gor­don wie­der das Wort, »wir wol­len uns für die­se Zeit be­reit­hal­ten und in­zwi­schen et­was es­sen. Sind wir ge­zwun­gen, selbst ins Was­ser zu ge­hen, so ge­sch­ehe das we­nigs­tens meh­re­re Stun­den nach ein­ge­nom­me­ner Mahl­zeit.«

      Ein gu­ter Rat, wie er von die­sem klu­gen Kna­ben zu er­war­ten war. Jetzt ging’s also an das ers­te, aus Kon­ser­ven und Bis­kuit be­ste­hen­de Früh­stück. Bri­ant be­sorg­te und über­wach­te da­bei vor­züg­lich die Klei­nen. Jen­kins, Iver­son, Dole, Co­star be­gan­nen sich bei der glück­li­chen Sorg­lo­sig­keit ih­res Al­ters schon wie­der völ­lig zu be­ru­hi­gen und hät­ten ge­wiss ohne jede Rück­sicht dar­auf los­ge­ges­sen, denn sie hat­ten seit vier­und­zwan­zig Stun­den nichts über die Lip­pen ge­bracht. Al­les ging je­doch gut ab, und ei­ni­ge Trop­fen mit Was­ser ver­dünn­ten Bran­dys lie­fer­ten ein an­re­gen­des Ge­tränk.

      Nach ein­ge­nom­me­nem Früh­stück be­gab sich Bri­ant wie­der nach dem Vor­der­teil des Scho­ners und be­ob­ach­te­te, auf die Schanz­klei­dung ge­stützt, die Klip­pen­rei­he.

      Wie lang­sam wich doch das Meer zu­rück! Es lag aber auf der Hand, dass des­sen Ni­veau sich er­nied­rig­te, denn die Schief­la­ge des Scho­ners nahm noch wei­ter zu. Moko hat­te mit­tels ei­nes Senk­bleis ge­fun­den, dass noch min­des­tens acht Fuß Was­ser über der Bank stan­den. Dass die Ebbe so tief sin­ken wür­de, um jene völ­lig tro­cken­zu­le­gen, glaub­te Moko nicht an­neh­men zu dür­fen und teil­te sei­ne An­sicht Bri­ant heim­lich mit, um nie­mand un­nö­tig zu er­schre­cken.

      Bri­ant setz­te dann Gor­don hier­von in Kennt­nis. Bei­de be­grif­fen, dass der Wind, ob­wohl er noch wei­ter nach Nor­den um­ge­gan­gen war, doch das Meer ver­hin­der­te, so­weit zu­rück­zu­sin­ken, wie es bei stil­lem Wet­ter der Fall ge­we­sen wäre.

      »Was be­gin­nen wir dann also?« sag­te Gor­don.

      »Ich weiß es nicht … Ich weiß es nicht …!« ant­wor­te­te Bri­ant. »Und wel­ches Un­glück, es nicht zu wis­sen … wel­ches Un­glück, in un­se­rer Lage fast noch Kin­der und, wo es so nö­tig wäre, nicht Män­ner zu sein.«

      »Die Not­wen­dig­keit wird un­se­re Lehr­meis­te­rin sein«, ver­si­cher­te Gor­don. »Verzwei­feln wir nicht, Bri­ant, und han­deln wir klug!«

      »Ja, han­deln, Gor­don! Wenn wir den ›Sloug­hi‹ vor Wie­de­r­ein­tritt der Flut nicht ver­las­sen ha­ben, wenn wir noch eine Nacht an Bord blei­ben müs­sen, sind wir ver­lo­ren …«

      »Kein Zwei­fel, denn die Yacht wird dann zer­trüm­mert wer­den. Wir müs­sen die­sel­be auf je­den Fall ver­las­sen ha­ben …«

      »Ge­wiss; um je­den Preis, Gor­don!«

      »Wäre es nicht rat­sam, eine Art Floß oder et­was wie eine Fäh­re her­zu­stel­len?«

      »Da­ran hab’ ich wohl auch ge­dacht«, ant­wor­te­te Bri­ant, »lei­der hat uns der Sturm aber al­les dazu ge­eig­ne­te Ma­te­ri­al ent­führt. Die Schanz­klei­dung ab­zu­bre­chen, um aus de­ren Tei­len ein Floß zu­sam­men­zu­zim­mern, dazu fehlt uns die Zeit. So bleibt nur die Jol­le üb­rig, de­ren wir uns aber bei dem schwe­ren See­gan­ge nicht be­die­nen kön­nen. Doch nein, wir könn­ten auch noch ver­su­chen, ein Tau durch den Klip­pen­gür­tel zu zie­hen und des­sen Ende an der Spit­ze ei­nes Fel­sens zu be­fes­ti­gen. Vi­el­leicht ge­lingt es uns, dar­an bis ganz in die Nähe des Stran­des hin­glei­ten zu kön­nen …«

      »Wer soll das Tau aber aus­le­gen?«

      »Ich«, er­klär­te Bri­ant.

      »Und ich wer­de dir hel­fen«, sag­te Gor­don.

      »Nein, ich voll­bring es al­lein«, ver­setz­te Bri­ant.

      »Denkst du, da­bei die Jol­le zu be­nüt­zen?«

      »Das hie­ße, es wa­gen, sie ganz ein­zu­bü­ßen, Gor­don, und es ist bes­ser, die­se als al­ler­letz­tes Hilfs­mit­tel auf­zu­be­wah­ren.«

      Be­vor er zur Aus­füh­rung sei­nes ge­fahr­vol­len Vor­ha­bens schritt, woll­te Bri­ant je­doch, um jede un­glück­li­che Mög­lich­keit aus­zu­schlie­ßen, noch eine nütz­li­che Maß­re­gel tref­fen.

      An Bord be­fan­den sich ver­schie­de­ne Schwimm­gür­tel, und er ver­an­lass­te die kleins­ten Ge­fähr­ten, sich so­fort mit den­sel­ben aus­zu­rüs­ten. Im Fall sie die Yacht ver­las­sen muss­ten, wäh­rend das Was­ser noch so tief war, dass die­se mit den Fü­ßen kei­nen Grund fan­den, wür­den die­se Ap­pa­ra­te sie schwim­mend er­hal­ten, und die grö­ße­ren Kna­ben, wel­che an


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