Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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einer Katastrophe stehend, noch daran denken konnten, eine vermehrte Last zu übernehmen, sagte ich ihr, daß Sie Ihren Gläubigern jedenfalls einen boshaften Streich zu spielen gesonnen seien und sie Ihnen dabei zweifellos hinderlich wäre ... Und zum Schluß rieth ich ihr, den Vorschlag anzunehmen, da ich denselben für das einzige Mittel ansehe, sie vor endlosen Plackereien zu bewahren und noch einiges Geld aus den Grundstücken herauszuschlagen.«

      Larsonneau fand die Geschichte noch immer ein wenig brutal. Er war ein Freund der wenig dramatischen Methode; jede seiner Operationen wurde mit der Eleganz einer Salonkomödie angelegt und zur Lösung gebracht.

      »Ich hätte etwas Anderes erfunden,« behauptete er. »Schließlich aber hat Jedermann sein System ... Wir haben also nichts weiter zu thun als zu zahlen.«

      »Hierüber möchte ich mich noch mit Ihnen verständigen,« gab Saccard zur Antwort. »Morgen lege ich meiner Frau die Abtrittserklärung behufs Unterschrift vor und sie wird Ihnen dieselbe blos einhändigen lassen müssen, um den vereinbarten Preis zu beheben ... Ich ziehe es nämlich vor, keinerlei Zusammenkunft zwischen Ihnen und meiner Frau zu bewerkstelligen.«

      Thatsächlich hatte er es so einzurichten verstanden, daß Larsonneau in seinem Hause niemals festen Fuß fassen konnte. Er lud ihn niemals ein und begleitete ihn stets zu Renée, wenn eine Unterredung der beiden Geschaftstheilhaber unvermeidlich geworden, was höchstens dreimal der Fall gewesen. Er arbeitete beinahe ausschließlich als Bevollmächtigter seiner Frau, da er der Ansicht war, daß sie seine Geschäftsangelegenheiten nicht allzu genau kennen dürfe.

      Er öffnete seine Brieftasche und fügte hinzu:

      »Hier haben Sie die von meiner Frau unterschriebenen Wechsel über 200 000 Francs, welche Sie ihr an Zahlungsstatt übergeben und dann weitere 100 000 Francs hinzufügen werden, welche ich Ihnen morgen früh einhändigen werde. Ich verblute mich, mein Freund. Diese Geschichte kostet mir ein heidenmäßiges Geld.«

      Dies ergibt aber blos eine Summe von 300 000 Francs,« bemerkte der Expropriationsagent. »Wird die Quittung über diese Summe lauten?«

      »Eine Quittung über 300 000 Francs?« lachte Saccard. »Sehr gut! Das gäbe eine schöne Geschichte! Im Sinne unserer Inventarien muß die Besitzung heute einen Werth von 2 500 000 Francs repräsentiren und somit wird die Quittung über die Hälfte dieses Betrages lauten.«

      »Ihre Frau wird dieselbe niemals unterschreiben.«

      »Doch! Ich sage Ihnen ja, daß Alles bereits geordnet ist ... Ich sagte ihr, daß dies Ihre erste Bedingung sei. Sie setzen uns mit Ihrem Bankerott die Pistole auf die Brust, verstehen Sie denn nicht? Und hierbei schien ich an Ihrer Rechtlichkeit zu zweifeln und beschuldigte ich Sie, daß Sie Ihre Gläubiger hintergehen wollten ... Versteht denn meine Frau von all' diesen Dingen etwas?«

      Larsonneau wiegte den Kopf und erwiderte:

      »Gleichviel; Sie hätten etwas Einfacheres vorbringen müssen.«

      »Aber meine Geschichte ist ja die Einfachheit selbst!« sagte Saccard auf's Höchste erstaunt. »Wo sehen Sie etwas Verwickeltes in derselben?«

      Er war sich der unglaublichen Menge von Fäden gar nicht bewußt, welche er an die gewöhnlichste, an die einfachste Sache knüpfte. Er freute sich mit einer wahren Wonne über die lächerliche Geschichte, die er Renée aufgebunden hatte und was ihn am meisten entzückte, war die Frechheit der Lüge, die Anhäufung der Unmöglichkeiten, die erstaunliche Komplikation der Intrigue selbst. Schon seit langer Zeit wäre dieser Bodenbesitz in seine Hände übergegangen, wenn er nicht dieses ganze Drama aufgebaut hätte; doch würde er weit weniger Vergnügen empfunden haben, wenn er sich desselben auf leichte Weise zu bemächtigen vermocht hätte. Im Uebrigen betrieb er es mit der größten Naivetät, aus der Charonner Spekulation ein finanzielles Melodrama zu gestalten.

      Er stand auf, zog den Arm seines Genossen unter den seinigen und dem Salon zuschreitend, fragte er:

      »Sie haben mich doch verstanden, wie? Beschränken Sie sich darauf, meinen Weisungen zu folgen und Sie werden mir nachher Ihren Beifall nicht versagen ... Sehen Sie, mein Lieber, es ist nicht gut, daß Sie gelbe Handschuhe tragen, denn die behindern Sie in der freien Bewegung der Hand.«

      Der Andere aber begnügte sich mit der lächelnd gegebenen Erwiderung:

      »Oh, die Handschuhe, theurer Meister, haben auch ihr Gutes, denn man kann an Alles rühren, ohne sich zu beschmutzen.«

      Als sie in den Salon traten, fand Saccard zu seiner Ueberraschung und theilweisen Beunruhigung seinen Sohn Maxime jenseits der Portiére. Der junge Mann saß auf einem Sopha neben einer blonden Dame, die ihm mit eintöniger Stimme eine lange Geschichte, sicherlich die ihrige, erzählte. Er hatte das Gespräch zwischen seinem Vater und Larsonneau vernommen; die beiden Genossen bildeten seiner Ansicht nach ein sauberes Paar. Noch aufgebracht über den Verrath Renée's, bereitete es ihm eine feige Freude, als er erfuhr, welchem Raub sie zum Opfer fallen sollte. Dies rächte ihn ein wenig. Sein Vater trat auf ihn zu und drückte ihm mit argwöhnischer Miene die Hand; Maxime aber flüsterte ihm auf die blonde Dame deutend, ins Ohr:

      »Sie ist nicht übel, wie? Ich gedenke den heutigen Abend mit ihr zu verbringen.«

      Nun wurde Saccard heiter und gesprächig. Laura d'Aurigny schloß sich ihnen auch einen Augenblick an, wobei sie sich beklagte, daß Maxime sich kaum bei ihr blicken lasse. Er sagte aber, er sei sehr beschäftigt gewesen, worüber Jedermann herzlich lachte. Dann fügte er hinzu, daß man ihn fortan sehr häufig sehen werde.

      »Ich habe eine Tragödie geschrieben,« sagte er; »und den fünften Akt erst gestern gefunden ... Ich gedenke bei allen schönen Frauen von Paris Erholung zu suchen.«

      Er lachte und freute sich selbst über seine Anspielungen, die nur er allein verstehen konnte. Im Salon waren nur mehr Rozan und Larsonneau zugegen, die am Kamin lehnten. Die beiden Saccard, Vater und Sohn erhoben sich, ebenso die blonde Dame, die im Hause wohnte. Nun begann die Aurigny leise mit dem Herzog zu sprechen, der überrascht und ärgerlich schien. Als sie sah, daß er sich noch immer nicht entschließen konnte, seinen Fauteuil zu verlassen, sagte sie halblaut:

      »Nein, heute Abend wirklich nicht ... Ich kann nicht, denn ich habe Migraine ... Doch morgen, ich verspreche es Ihnen.«

      Rozan mußte gehorchen. Laura wartete, bis er die Treppe erreicht, worauf sie Larsonneau lebhaft zuraunte:

      »Gelt, großer Lar, ich kann Wort halten ... Expediere ihn doch in seinen Wagen.«

      Als sich die blonde Dame von den Herren verabschiedete, um sich in ihre ein Stockwerk höher liegende Wohnung zu begeben, gewahrte Saccard zu seinem Erstaunen, daß ihr Maxime nicht folge.

      »Nun?« fragte er ihn.

      »Ach nein,« erwiderte der junge Mann; »ich hab' es mir überlegt.«

      Dann meinte er einen drolligen Einfall zu haben, denn er fügte hinzu:

      »Ich überlasse Dir meinen Platz, wenn Du willst. Beeile Dich, sie hat ihre Thür noch nicht geschlossen.«

      Der Vater aber zuckte leicht mit den Achseln und erwiderte:

      »Danke, mein Kleiner; ich habe jetzt etwas Besseres.«

      Die vier Männer stiegen die Treppe hinab. Unten wollte der Herzog um jeden Preis, Larsonneau solle zu ihm in den Wagen steigen; seine Mutter wohnte im Marais und er wollte den Agenten vor seinem Hause in der Rue de Rivoli absetzen. Dieser aber lehnte ab, schloß die Thür und befahl dem Kutscher nach Hause zu fahren, worauf er mit den beiden Anderen auf dem Trottoir weiterplauderte, ohne Miene zu machen, sich zu entfernen.

      »Ach, der arme Rozan!« sagte Saccard, dem mit einem Male Alles klar wurde.

      Larsonneau schwor, daß er sich täusche; er sei ein nüchtern denkender Mann, dem an derlei Dingen nichts gelegen sei. Da die beiden Anderen aber nicht aufhörten zu witzeln und die Kälte sehr empfindlich war, rief er endlich aus:

      »Meine Treu, umso schlimmer, ich läute an ... Sie sind indiscret, meine Herren.«


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