Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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nahm seine drollige Miene, die Grimasse und den schmeichelnden Ton an, welchen er jedesmal ins Treffen führte, so oft er einen seiner gewohnten Scherze anbringen wollte und sagte:

      »Willst Du, theure Stiefmama?«

      Renée schüttelte ihm die Hand wie einem Kameraden und rasch, mit einer plötzlichen nervösen Kühnheit warf sie hin:

      »Wahrlich, wenn ich nicht Deinen Vater geheirathet hätte, würdest Du mir, glaube ich, den Hof machen!«

      Dem jungen Manne mochte diese Zumuthung offenbar sehr drollig dünken, denn er war schon um die Ecke des Boulevard Malesherbes gekommen, als er noch immer lachte.

      Die Equipage rollte in den Hof und hielt vor dem Perron.

      Die Stufen desselben waren breit und niedrig; den Perron selbst überragte ein mit goldenen Fransen und Troddeln besetztes Schutzdach. Die beiden Stockwerke des Hotels erhoben sich über Kellerräumlichkeiten, deren mit matten Scheiben versehene viereckige Fenster sich dicht über dem Erdboden befanden. Vom Perron führte eine Thür ins Vestibül, welche auf beiden Seiten von schmächtigen Säulen flankirt war, die eine Art Vorbau bildeten, der sich auf jedem Stock wiederholend, bis zum Dache fortgeführt ward, wo er mit einem Delta abschloß. Auf beiden Seiten hatte jedes Stockwerk fünf Fenster in gleichmäßiger Entfernung von einander, die von einem einfachen steinernen Rahmen umgeben waren. Das steile Dach war in breite Felder getheilt und mit Fenstern versehen.

      Auf der Gartenseite aber entfaltete die Facade eine viel größere Pracht. Ein herrlicher Perron führte zu einer schmalen Terrasse, die sich längs des ganzen Erdgeschosses hinzog; die im Stile der Gitterarbeiten des Monceau-Parkes gehaltene Brüstung derselben war noch mehr mit Gold überladen, als das Schutzdach und die Laternen. Sodann kam das Hotel, zu beiden Seiten von zwei Pavillons wie von Thürmen flankirt, die zur Hälfte dem Gebäude eingefügt waren und in ihrem Inneren runde Gemächer bargen. In der Mitte ragte ebenfalls ein bescheidenes Thürmchen hervor. Die Fenster der Pavillons waren hoch und schmal, die der flachen Theile der Facade hingegen geräumiger und beinahe quadratförmig; im Erdgeschoß waren sie mit steinernen Ballustraden und in den oberen Stockwerken mit Gitterwerk aus vergoldetem Schmiedeeisen versehen. Es war das eine geschmacklose Verschwendung, eine prahlerische Schaustellung des vorhandenen Reichthums. Das Hotel selbst verschwand unter der Menge der sein Mauerwerk bedeckenden Skulpturen. Um die Fenster, längs der Gesimse zogen sich Laub- und Blumenguirlanden hin; die Balcone glichen Fruchtkörben, die von großen nackten Frauen mit gespannten Hüften und hervorspringenden Brustwarzen gehalten wurden. Des Ferneren waren hier und dort Phantasie-Wappen angebracht: Weintrauben, Rosen, all' das Pflanzenwerk, das in Stein gemeißelt werden kann. Und je höher das Auge kam, je blühender erschienen die Außenwände. Rings um das Dach zog sich eine Ballustrade hin, auf welcher in gleichmäßigen Abständen Urnen aufgestellt waren, in welchen Flammen aus Stein züngelten. Zwischen den Mansardenfenstern, um die sich eine unglaubliche Menge von Früchten und Blätterwerk schlängelte, breiteten sich die abschließenden Prunkstücke dieser erstaunlichen Verzierungsmanier aus: die Schlußkränze der Pavillons, zwischen welchen die großen nackten Frauen neuerdings zum Vorschein kamen, mit Aepfeln spielend oder sonstige Künste treibend. Das Dach, welches sich all' diese Ornamente, zwei Blitzableiter und vier ungeheure Rauchfänge die ihrerseits reich verziert waren, gefallen lassen mußte, schien gleichsam die Krone dieses architektonischen Feuerwerkes zu sein.

      Zur Rechten befand sich ein geräumiges Gewächshaus, welches sich eng an das Hotel anschmiegend, durch die Glasthür eines Salons mit dem Erdgeschoß verbunden war. Der Garten, den ein durch eine Hecke verdecktes niedriges Gitter vom Park Monceaux schied, war ziemlich abschüssig. Zu klein für das Hotel, kaum groß genug, um einem Rasenplatz und einigen Baumgruppen Raum zu bieten, glich er einfach einem Erdhügel, einem grünen Sockel, auf welchem sich das Hotel stolz erhob. Vom Parke gesehen, über dieser tadellosen Rasenfläche, diesen Sträuchern, deren Blätterwerk leuchtete, erweckte dieses Gebäude, welches mit tausend Stimmen verkündete, daß es noch ganz neu sei, mit seinem schweren Schieferdach, seinem vergoldeten Gitterwerk und den überreichen Blumengewinden, ganz den Eindruck eines Emporkömmlings. Es war das ein neuer Louvre in kleinerem Maßstabe, eine der am meisten charakteristischen Stichproben des unter dem dritten Napoleon gebräuchlichen Stiles, welcher eben ein Bastard sämmtlicher Bauarten war. An den Sommerabenden, wenn die untergehende Sonne das Gold der Rampen, Gitter und Guirlanden erglänzen machte, blieben die Spaziergänger des Parkes stehen, betrachteten die rothen Seidenvorhänge an den Fenstern des Erdgeschosses und durch die Fensterscheiben, die so groß und glänzend waren, wie die Glasscheiben der modernen Verkaufsläden und nur vorhanden zu sein schienen, um von außen auch das Innere sehen zu lassen, gewahrten die kleinen Bürgerleute Theile einzelner Möbelstücke, Gardinen, Stücke reichverzierter Zimmerdecken und von Neid und Bewunderung erfüllt, blieben sie inmitten des Weges stehen.

      Heute aber senkte sich bereits tiefe Dunkelheit hernieder, die glänzende Außenseite schlief. Auf der anderen Seite, im Hofe, hatte der Kammerdiener Renée respektvoll geholfen, den Wagen zu verlassen. Zur Rechten sah man die gebräunten Eichenthüren der Stallungen, einen weit geöffneten Wagenschuppen, zur Linken, gleichsam als Gegenstück, eine sich an die Mauer des Nachbarhauses lehnende reich geschmückte Nische, in welcher Tag und Nacht ein Wasserstrahl einer von zwei Amoretten gehaltenen Muschel entsprang. Einen Augenblick blieb die junge Frau auf dem Perron stehen, mit ihrer Toilette beschäftigt, die sich beim Absteigen vom Wagen ein wenig verschoben hatte. Der Hof versank wieder in seine, durch das Rollen des Wagens einen Augenblick unterbrochene aristokratische Stille, in welcher blos das ewige Geplätscher der Wassermuschel vernehmbar war. Von der schwarzen Masse des Hotels, in welchem das erste der großen Herbstdiners alsbald die Kronleuchter entzünden sollte, hoben sich vorerst nur die erleuchteten Fenster des Erdgeschosses ab, die einen blendenden Schimmer auf das Pflaster des regelmäßigen Hofes warfen.

      Als Renée die Thür des Vestibüls öffnete, befand sie sich dem Kammerdiener ihres Gatten gegenüber, der mit einem silbernen Theekessel in den Küchenraum hinabgehen wollte. Der Mann hatte ein tadelloses Aeußeres; er war ganz in Schwarz gekleidet, groß, stark, hatte ein weißes Gesicht, mit dem korrekten Backenbart eines Engländers und der ernsten, würdevollen Miene einer Gerichtsperson.

      »Baptiste,« sprach die junge Frau zu ihm; »ist mein Gemahl zu Hause?«

      »Ja, Madame; er kleidet sich an,« erwiderte der Bediente mit einem Neigen des Kopfes, um welches ein Fürst, der die Menge grüßt, ihn hätte beneiden können.

      Langsam stieg Renée die Treppe hinauf, während sie ihre Handschuhe auszog.

      Im Vestibüle herrschte große Pracht. Beim Eintreten in dasselbe empfand man ein leichtes Gefühl der Dämpfung. Die dicken Teppiche, welche den Boden bedeckten und sich über die Stufen legten, die schweren Tapeten aus rothem Sammt, die Thüren und Wände verhüllten, verliehen der Atmosphäre etwas Dumpfes, die schwüle Stille einer Kapelle. Aus der Höhe senkten sich Draperien herab und die sehr hohe Decke war mit vorspringenden Rosetten geschmückt, die auf einem Geflecht von Goldstäben saßen.

      Die Treppe, deren doppelte Marmorballustrade mit rothem Sammt überzogen war, theilte sich in zwei leicht geschweifte Arme; zwischen welchen sich die Thür des großen Salons befand. Auf dem ersten Treppenabsatz bedeckte ein mächtiger Spiegel die ganze Wand. Am Fuße der beiden Treppenarme erhoben sich auf Marmorsockeln zwei Frauen aus Goldbronze, die nackt bis zu den Hüften, große Kandelaber mit fünf Flammen trugen, deren helles Licht durch matte Glaskugeln gedämpft wurde. Und zu beiden Seiten reihten sich herrliche Majolikagefäße, in welchen kostbare exotische Gewächse blühten.

      Mit jeder Stufe, die Renée emporstieg, wurde ihr Spiegelbild größer und von den Zweifeln bewegt, welche die am meisten bewunderten Künstlerinnen beschleichen, fragte sie sich, ob sie wirklich so reizend sei, wie man ihr sagte.

      In ihrem Appartement angelangt, welches im ersten Stock lag und dessen Fenster auf den Park Monceaux gingen, klingelte sie ihrer Kammerfrau Céleste und ließ sich zum Diner ankleiden. Dies währte gute fünf Viertelstunden. Nachdem auch die letzte Stecknadel angebracht worden, öffnete sie, da es in dem Zimmer zu heiß war, ein Fenster, lehnte sich hinaus und versank in tiefes Sinnen. Hinter ihr bewegte sich Céleste geräuschlos hin und her, mit dem Forträumen


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