Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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fünfzehntausend, das Halsband fünfzigtausend Francs gekostet. Frau von Espanet war hingerissen durch diese Zahlen. Sie suchte nach Saccard und rief ihm zu:

      »Kommen Sie doch und lassen Sie sich beglückwünschen! Das ist ein guter Gatte! Ein seltener Ehemann!«

      Aristide Saccard kam näher, verneigte sich und spielte den Bescheidenen, sein grinsendes Gesicht aber verrieth die lebhafte Befriedigung, die ihn erfüllte. Dabei schielte er aus den Augenwinkeln zu den beiden Unternehmern, den zwei reich gewordenen Maurermeistern hinüber, die einige Schritte weit entfernt standen und die Ziffern fünfzehn- und fünfzigtausend mit sichtlicher Hochachtung nennen hörten.

      In diesem Augenblick lehnte sich Maxime, der soeben eingetreten war und sich in seinem schwarzen Anzuge vorzüglich ausnahm, vertraulich an die Schulter seines Vaters und flüsterte ihm wie einem Kameraden etwas ins Ohr, wobei er den Maurern einen Blick zuwarf. Saccard lächelte still, wie ein Schauspieler, dem Beifall gespendet wurde.

      Es langten noch einige Gäste an. Im Salon waren etwa dreißig Personen versammelt. Die Unterhaltung wurde ziemlich lebhaft geführt und während der eintretenden kurzen Pausen vernahm man trotz der trennenden Zwischenwände das leise Klirren des Porzellans und Silberzeuges. Endlich öffnete Baptiste eine breite Flügelthür und sprach die althergebrachten Worte:

      »Es ist aufgetragen, Madame!«

      Nun begann langsam der Zug nach dem Speisesaale. Saccard reichte der kleinen Marquise den Arm; Renée nahm den eines alten Herrn, eines Senators, des Barons Gouraud, dem Jedermann mit größter Ehrfurcht begegnete; Maxime war genöthigt, seinen Arm Luise von Mareuil zu reichen und dann kamen die übrigen Gäste in langer Reihe, am Schlusse derselben die beiden Unternehmer mit lässig baumelnden Armen.

      Der Speisesaal war ein geräumiges viereckiges Gemach, dessen dunkles Wandgetäfel Manneshöhe erreichte und mit dünnen Goldeinlagen verziert war. Die vier Wandfelder hätten ursprünglich bemalt werden sollen, dies war aber nicht geschehen, da der Eigenthümer des Hauses offenbar vor einer rein künstlerischen Ausgabe zurückgeschreckt war. Sie waren also leer geblieben und blos mit grünem Sammt überzogen worden. Die Möbel, Vorhänge und Portieren aus demselben Stoffe verliehen dem Raum ein ernstes Gepräge, welches den Zweck hatte, allen Glanz und Reichthum auf dem Tisch zu konzentiren.

      Und in der That glich der Tisch zu dieser Stunde, inmitten des großen persischen Teppichs, der den Schall der Tritte dämpfte, unter dem blendenden Lichte des Kronleuchters und von den Stühlen umgeben, deren mit Gold eingelegte schwarze Lehnen ihn mit einer dunkeln Linie umrahmten, einem Altar, einer leuchtenden Kapelle, wo inmitten der schneeigen Weiße des Tafeltuches die lichten Flammen des Kristalls und des Silbers schimmerten. Oberhalb der geschnitzten Lehnen, in wogendem Halbdunkel gewahrte man kaum das Wandgetäfel, ein großes niedriges Büffet, einzelne Zipfel von grünem Sammtstoff. Die Augen waren gezwungen, zu dem Tische zurückzukehren und sich an dessen Glanze zu weiden. Ein herrlicher Aufsatz aus mattem Silber mit meisterhaften Ciselirungen nahm die Mitte desselben ein; der Aufsatz selbst stellte eine Anzahl Faune dar, die Nymphen rauben und über diese Gruppe fielen aus einem mächtigen Füllhorn ganze Strähne von Naturblumen herab. Auf den beiden Tischenden trugen Vasen gleichfalls Blumen; zwei Kandelaber, deren Motiv mit dem des Mittelaufsatzes übereinstimmte, indem jeder derselben einen laufenden Satyr darstellte, der in einem Arm ein ohnmächtiges Weib, in dem anderen eine Fackel mit zehn Flammen trug, vermehrten mit ihrem Lichte das des Kronleuchters. Zwischen diesen Hauptstücken waren in symmetrischer Anordnung die den ersten Gang enthaltenden großen und kleinen Aufwärmer aufgestellt, daneben kleine Muscheln mit den Vorspeisen und getrennt durch Porzellankörbe, Kristallvasen, flache Teller und hohe Compotschüsseln, die den sich bereits auf den Tisch befindlichen Theil des Desserts enthielten. Längs der in schnurgerader Linie stehenden Teller ganze Armeen von Gläsern, Wasser- und Weinkaraffen und kleine Salzfäßchen; das gesammte Kristallzeug war dünn und leicht wie ein Hauch, ohne jede Verzierung und so durchsichtig, daß es nicht einmal einen Schatten warf. Der Mittelaufsatz und die anderen großen Stücke glichen Feuerquellen; Blitze zuckten aus dem blank gescheuerten Kupfer der Aufwärmer; die Gabeln, Löffel und Messer warfen Funkengarben, die Gläser und Pokale schillerten in allen Farben des Regenbogens und inmitten dieses Regens von Licht und Feuer warfen die Weinflaschen rothe Schatten auf den Schnee des Tafeltuches.

      Die Gäste, die den Damen zulächelten, die sie am Arme hatten, fühlten sich beim Eintritt in diesen Raum von einer behaglichen Empfindung erfaßt. Die Blumen verliehen der lauen Luft eine gewisse Frische. Schwacher Dunst vermengte sich mit dem Dufte der Rosen, mit dem herben Geruch der Krebse und der scharfen Säure der Zitronen.

      Als Jedermann seinen am Rande der Speisekarte vermerkten Namen gefunden, gab es vorerst ein allgemeines Rücken der Stühle, ein helles Rauschen der seidenen Kleider. Die mit Diamanten bestreuten nackten Schultern, neben welchen sich der schwarze Frack blos als Folie ausnahm, die jene mehr hervortreten ließ, erhöhten durch ihre Milchweiße den Glanz der Tafel. Inmitten des zwischen einzelnen Nachbarn gewechselten Lächelns, unter halblautem Gespräch, welches das gedämpfte Klappern der Löffel übertönte, begann das Mahl. Baptiste kam seinen Verrichtungen als Haushofmeister mit der ernsten Würde eines Diplomaten nach; außer zwei Bedienten standen ihm noch vier Gehilfen zur Seite, die er blos bei großen Diners heranzog. Bei jedem Gange, welcher aufgetragen und im Hintergrunde des Saales auf einem Serviertische zerlegt wurde, schritten drei Bediente lautlos um den Tisch und boten die betreffende Speise bei ihrem Namen an. Die anderen gossen Wein ein und beaufsichtigten Brod und Flaschen. Auf- und Abtragen ging so geräuschlos von Statten, daß Niemand gestört wurde.

      Die Gäste waren zu zahlreich, als daß die Unterhaltung eine allgemeine hätte werden können. Doch beim zweiten Gange, als Braten und süße Speise aufgetragen wurden und schwere Weine, wie Burgunder, Pomard, Chambertin an Stelle der leichteren Sorten, als Léoville und Chateau-Lafitte traten, nahm das Geräusch der Stimmen zu und das laute Lachen mochte den dünnen Kristall erbeben. Renée, die den Mittelsitz an der Tafel einnahm, hatte zu ihrer Rechten den Baron Gouraud, zu ihrer Linken Herrn Toutin-Laroche, einen ehemaligen Kerzenfabrikanten, späteren Munizipalrath und nunmehrigen Direktor des Credit Viticole, Mitglied des Aufsichtsrathes der marokkanischen Hafengesellschaft, ein magerer, ansehnlicher Mann, den der ihm zwischen Frau von Espanet und Frau Haffner gegenübersitzende Saccard mit schmeichelnder Stimme bald »mein lieber Kollege«, bald »unser großer Administrator« ansprach. Sodann kamen die Männer der Politik: Herr Hupel de la Noue, ein Präfekt, der acht Monate des Jahres in Paris verbrachte; drei Abgeordnete, unter denen auch das breite elsässische Gesicht des Herrn Haffner glänzte; sowie Herr von Saffré, ein sehr liebenswürdiger junger Mann und Sekretär eines Ministers; Herr Michelin, Chef der Straßenbau-Verwaltung und noch andere hohe Beamte. Herr von Mareuil, der ewig die Deputirtenwürde anstrebte, dehnte und reckte sich dem Präfekten gegenüber, dem er einschmeichelnde Blicke zuwarf. Was Herrn von Espanet betraf, so begleitete er seine Frau niemals in Gesellschaft. Die zur Familie gehörenden Damen waren zwischen den bedeutenderen Persönlichkeiten untergebracht: nur Saccard hatte seine Schwester Sidonie etwas entfernter zwischen den beiden Unternehmern – Herrn Charrier zur Rechten, Herrn Mignon zur Linken – wie auf einen Vertrauensposten gepflanzt, wo es sich darum handelte, den Sieg zu erringen. Frau Michelin die Gattin des Bureau-Chefs, eine hübsche, üppige Brünette, befand sich neben Herrn von Saffré, mit dem sie sich lebhaft und mit leiser Stimme unterhielt. An den beiden Enden der Tafel befand sich die Jugend: Auditore vom Staatsrathe, die Söhne einflußreicher Väter, angehende Millionäre, Herr von Mussy, der Renée verzweifelte Blicke zuwarf und Maxime mit Luise von Mareuil zu seiner Rechten, die ihn ganz in Anspruch zu nehmen schien. Allmälig fingen sie sogar an laut zu lachen. Von dieser Stelle ging die Heiterkeit aus.

      Herr Hupel de la Noue fragte zuvorkommend:

      »Werden wir das Vergnügen haben, heut Abend Seine Exzellenz zu begrüßen?«

      »Ich glaube nicht,« erwiderte Saccard mit wichtiger Miene, die einen geheimen Aerger verbarg. »Mein Bruder ist ungemein in Anspruch genommen! ... Er schickte uns seinen Sekretär, Herrn von Saffré, damit er uns seine Entschuldigung überbringe.«

      Der junge Mann, der Frau Michelin ganz in Beschlag genommen hatte, hob den Kopf empor, als er seinen Namen nennen hörte und in der Meinung, man habe zu ihm gesprochen, warf er


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